Prozess in Würzburg: Horror-Misshandlungen in bayerischer Kita?„Die Kinder haben geweint, sie hat ihnen sichtlich weh getan!“

von Jessy Siodlaczek und Michaela Johannsen

Gewalt in der Kita?!
Erzieherin Stephanie N. macht ihrer ehemaligen Kollegin Anna-Lena S. schwere Vorwürfe: Denn die 31-Jährige soll zwischen September und Dezember 2021 Kleinkinder in einer Kindertagesstätte in Unterfranken vor ihren Augen gequält haben. Vor dem Landgericht in Würzburg erzählt die Erzieherin Erschreckendes.

Gruppenleiterin spricht von Gewalt und Zwangsfütterung

dpatopbilder - 08.04.2024, Bayern, Würzburg: Eine der beiden Angeklagten (31, l) unterhält sich mit ihrem Rechtsanwalt Hans-Jochen Schrepfer im Sitzungssaal im Landgerichts. Das Landgericht Würzburg verhandelt gegen zwei frühere Erzieherinnen einer Kita in Unterfranken wegen möglicher Misshandlungen von Kindern. Die Taten sollen sich laut Staatsanwaltschaft in einer Einrichtung im Landkreis Würzburg zwischen September und Dezember 2021 ereignet haben. Foto: Heiko Becker/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Anna-Lena S. erscheint maskiert und in Begleitung ihres Anwalts zur Verhandlung.
hbe kde, dpa, Heiko Becker

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Während ihrer Aussage gegen ihre Ex-Kollegin zittert die Stimme von Stephanie N., sie ist kurzatmig, braucht immer wieder Trinkpausen, um weiter sprechen zu können. Doch ihre Vorwürfe sind deutlich:

Erzieherin Anna-Lena S. habe die Kinder häufig hochgehoben, um sie dann grob auf den Boden zu knallen. „Manchmal dachte ich, die Wirbelsäule hält das gar nicht aus“, erinnert sich Stephanie beim Prozess am Montag (8. April). „Die Kinder haben geweint, sie hat ihnen sichtlich weh getan“, behauptet die Gruppenleiterin.

Außerdem habe Anna-Lena S. Kinder zum Essen gezwungen, mindestens ein Kind soll deswegen sogar erbrochen haben. Einen Jungen habe sie mehrfach in einem Schlafraum eingesperrt. „Sie hat dann die Türe zugehalten“, wirft Stephanie N. ihrer Ex-Kollegin vor und erinnert sich, wie die Kinder geweint haben.

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Kita-Gruppenleitung in Würzburg ebenfalls angeklagt

Doch auch Stephanie N. muss sich vor dem Landgericht, in ihrem Fall wegen Unterlassung, verantworten. Denn die Gruppenleiterin soll die mutmaßlichen Misshandlung lange mit angesehen haben, ohne einzuschreiten. Das gibt die 37-Jährige auch zu: „Ich weiß, dass ich nicht geholfen habe und dafür auch angeklagt bin. Das ist auch richtig, die ganzen Fälle sind passiert“, sagt Stephanie N. vor Gericht. Heute könne sie sich nicht erklären, warum sie die mutmaßliche Misshandlung nicht früher gemeldet hat. Doch die Gruppenleiterin habe die Taten nicht nur geschehen lassen, sie habe sie auch gedeckt und die Eltern angelogen.

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Erzieherin und Gruppenleiterin erfinden Ausrede nach Verletzung

Ein Mann und eine Frau in einer Interview-Situation.
Teresa und Ulrich R., die Eltern eines misshandelten Kindes im Gespräch mit RTL.
RTL

Einen Dreijährigen soll Anna-Lena S. brutal aus einem Hochbett gerissen haben, sodass das Kind mit dem Kopf auf den Boden geprallt sei. Die Erzieherin selbst sagt, dass es keine Absicht gewesen sei: „Im Eifer des Gefechts, weil ich dann doch so in Rage war, da ist er dann heruntergefallen“, sagt Anna-Lena vor dem Gericht. Das Kind habe danach einen großen Bluterguss über einem Auge erlitten.

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Anna-Lena S. und die Gruppenleiterin rufen trotz der Verletzung nicht die Eltern an. Stephanie N. habe das Kind getröstet und die Verletzung gekühlt. Dann denkt sie sich für die Eltern eine Ausrede aus: „Ich habe ihnen dann, erst, als er abgeholt wurde, erzählt, er habe sich den Kopf gestoßen, an der Ecke am Tisch“, gibt die Gruppenleiterin zu. Monate später, im Winter 2022, meldet Stephanie N. die mutmaßlichen Misshandlungen von Anna-Lena S. der Kita-Leitung.

Als die Eltern des Dreijährigen erfahren, woher die Kopfverletzung wirklich stammt, sind sie schockiert: „Das war das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Da ist mir der Boden unter den Füßen weggerutscht“, sagt die Mutter des Jungen im RTL-Interview.

Anna-Lena S. bestreitet Misshandlungs-Vorwürfe

Warum es zu den mutmaßlichen Misshandlungen gekommen ist, wird vor Gericht aufgearbeitet. Angeblich habe Unmut und Frust unter den Erzieherinnen zu den Übergriffen geführt. Anna-Lena S. bestreitet die Vorwürfe bislang. Ihr Verteidiger betont: „Sie habe nie so grob herzig gehandelt.“ Das „unsanfte zu Boden setzen“ sei eine Maßregelung gewesen und ein Kind hätte sich wegen einer Übelkeit erbrochen. Den Vorfall des Dreijährigen, der auf den Kopf gefallen ist, erklärt Hans-Jochen Schrepfer so: „Kurze Zündschnur, falsch reagiert.“

Für den Prozess sind insgesamt elf Verhandlungstage bis Anfang Juni angesetzt.

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