Schweizer Rad-Star war fast schon tot

Die unglaubliche Geschichte der Celine van Till

Celine van Till
Vor 16 Jahren springt Celine van Till dem Tod von der Schippe, jetzt holt sie Silber bei den Paralympics
Reuters

Jetzt vergoldet sie ihr zweites Leben!
Im Jahr 2008 kam die große Dunkelheit. Celine van Till stürzt beim Reiten vom Pferd, wird unter ihm begraben. Einen Monat liegt sie im Koma. Das Leben, es scheint sie verlassen zu wollen. Damals ist sie 16 Jahre alt. Zu jung, um zu sterben. Zu jung, um aufzugeben. Und so kämpft sie sich ins Leben zurück. Mit jedem Atemzug. Heute ist die Schweizerin 33 Jahre alt – und fliegt in ihrem zweiten Leben von Erfolg zu Erfolg.

„Ich wollte nur noch sterben”

„Es stimmt, ich wurde wirklich für tot gehalten”, erinnert sich die Para-Cyclerin aus Genf in der Schweizer Zeitung Blick an den schweren Schicksalsschlag, der ihr Leben grundlegend verändert. Der Horror-Sturz wirft die aufstrebende Dressurreiterin auf null zurück. Sie erleidet ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.

Nach ihrer Hirn-OP muss sie alles neu erlernen. Sprechen, gehen, essen. Nichts ist mehr, wie es einmal war. „Ich sah keinen Sinn mehr in all den Therapien. Ich habe meinen Anblick im Spiegel nicht mehr ertragen. Ich wollte nur noch sterben”, bekennt sie ganz offen.

Sie schreibt ein Buch über ihre „Auferstehung”

Doch mit unerschütterlicher Disziplin, mit Hingabe, mit Hoffnung – und unermesslicher Liebe kämpft sich Celine van Till zurück ins Leben. Sie kämpft sich sogar zurück in den Sport. 2016 nimmt sie als Dressurreiterin bei den Paralympics in Rio teil. Dann folgt der Wechsel in die Leichtathletik, nimmermüde stellt sie sich den Herausforderungen, ihr Schicksal zu transformieren.

Sie schreibt zwei Bücher, in denen sie ihre Rückschläge verarbeitet. Im Jahr 2011 erscheint das erste mit dem Titel „Schritt für Schritt. Geschichte eines Unfalls und einer Auferstehung”. Zehn Jahre später folgt „Alles ist möglich. Von einer Situation zur anderen”. Auch eine Dokumentation über Celine van Till („Bucéphale” | 2017) wird gedreht.

Lese-Tipp: Schlaganfall mit 30! Ein Tag änderte für Para-Star Kathrin Marchand alles

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Auch ein weiterer Sturz hält sie nicht auf

Doch das Schicksal schlägt erneut zu. Im Jahr 2021 stürzt sie schwer auf den Kopf, verliert den Mut, verliert ihre Kraft. Gibt es eine höhere Macht, die sie immer wieder aufhalten will? Immer wieder auf den Boden werfen will? Oder soll sie in ihren Schicksalsschlägen schlichtweg das Potenzial finden, über sich hinauszuwachsen?

Zwar zieht sie sich erst einmal aus dem Spitzensport zurück. Aber nur für einen Moment. Schon bald baut sie erneut eine Brücke zurück. Zu kostbar die Früchte, die dort zu ernten sind. Zu groß die Leidenschaft, ihrer Bestimmung zu folgen. Allen Widrigkeiten zum Trotz.

Doppel-Silber bei den Paralympics - und noch vieles mehr

Im Jahr 2022 wird sie Para-Cyclerin – und vergoldet ihre Mühen. Vergoldet ihr Ja zum Leben. „Ich habe noch Schwierigkeiten mit der Koordination, mit dem Gleichgewicht – und ich bin sehbehindert. Im Para-Cycling kann ich mich total entfalten”, sagt sie vor den diesjährigen Paralympics dem Schweizer Bundesamt für Sport.

Und wie sie sich entfaltet: 2022 wird sie auf dem Dreirad Europameisterin im Zeitfahren. 2023 verteidigt sie ihren Titel, holt Gold im Zeitfahren und auch im Straßenrennen. Und im selben Jahr folgt bei der Rad-WM sogar der WM-Triumph in Glasgow, ebenfalls im Zeitfahren. Bei den Paralympics in Paris holt sie zweimal Silber, im Einzelzeitfahren und Straßenrennen.

Celine van Till
Celine van Till beim Straßenrennen in Paris 2024
Reuters

Lese-Tipp: So süß gratuliert Matthias Schindlers Tochter ihrem Papa zu Para-Bronze

Jetzt geht Celine van Till als Titelverteidigerin in die Heim-WM in Zürich, die am heutigen Samstag beginnt und am 29. September endet. „Hier im eigenen Land gibt es ein Regenbogentrikot, das es zu verteidigen gilt, das kommt nur einmal vor”, freut sich Celine van Till auf einen hoffentlich weiteren segensreichen Auftritt.

Und wie sinnig wäre es, sie in diesem Trikot zu sehen. Ist doch ihr Leben mindestens so bunt wie ein Regenbogen vor den schwarzen Schatten der Vergangenheit, die die Farben nur umso mehr strahlen lassen. (mli)