Experte mahnt: „40 Tonnen sind eine Waffe!“Nach Chaos-Fahrt auf A1: Kann ein fahrender Lkw überhaupt aufgehalten werden?
Völlig ungebremst „alles kurz und klein gefahren!”
Etwa 50 beteiligte Fahrzeuge und 19 Verletzte auf rund 60 Kilometern: Es ist die Horrorbilanz der Irrfahrt eines Lastwagens über die Autobahn, die erst mit einer Kollision im Gegenverkehr endet. RTL hat nachgefragt, was Einsatzkräfte in so einem Fall tun können und wie man sich als Autofahrer im Notfall richtig verhält.
Lkw-Irrfahrt auf Autobahn: „Da hilft es auch nichts, einen Streifenwagen querzustellen!”
Es ist die Horrorvorstellung auf der Autobahn: Aus der Dunkelheit kommt ein Lastwagen und rammt alles zur Seite. In Nordrhein-Westfalen ist am späten Samstagnachmittag genau das passiert. Der Lkw fährt laut Polizei in Schlangenlinien über die A46 und die A1 und löst zahlreiche Unfälle aus. Der Fahrer soll Anhaltezeichen der Beamten ignoriert haben. Für alle Beteiligten ist das laut Experten eine lebensgefährliche Situation.
„Wenn ein Lkw-Fahrer offensichtlich alle drei Fahrspuren braucht, hat man auf keiner Sicherheit“, sagt Dieter Schäfer von der Initiative „Hellwach mit 80 km/h“. Alleine aufgrund seines Gewichtes sei ein Lastwagen in voller Fahrt ein Geschoss. „Es ist unmöglich, die aus dem fließenden Verkehr zu ziehen. Die einzige Chance hat man dort, wo sie sich länger aufhalten, nämlich an Tank- und Rastanlagen, die Fahrer aus dem Verkehr zu ziehen“, so Schäfer. Wenn ein Lkw erstmal unterwegs sei, sei man chancenlos. „Dann ist es in der Regel zu spät“, sagt der Experte.
Es sei „reine Physik“, dass so ein bis zu 40 Tonnen schwerer Lastwagen nicht mehr aufzuhalten sei, bestätigt auch Marcel Fiebig, Pressesprecher bei der Polizei Düsseldorf. „Wenn ein solches Gefährt einmal Fahrt aufgenommen hat, dann ist die kinetische Energie einfach so groß, dass sie diese Fahrt nicht mehr ohne Weiteres stoppen können. Da hilft es auch nichts, einen Streifenwagen querzustellen. Dieser Streifenwagen wäre weggefegt worden wie ein Blatt Papier.“
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„Vor und hinter uns haben sich überall Autos gedreht!” – So verhalten sich Fahrer im Notfall richtig
Während der Chaosfahrt spielen sich dramatische Szenen ab, wie aus den Schilderungen von Augenzeugen in Medienberichten hervorgeht. „Vor und hinter uns haben sich überall die Autos gedreht”, sagt einer von ihnen dem WDR. Völlig ungebremst habe der Lkw-Fahrer „alles kurz und klein gefahren”. Zwar wurden Autofahrer über den Verkehrsfunk gewarnt und aufgefordert, die Autobahnen schnellstmöglich zu verlassen, konnten aber in vielen Fällen nicht mehr rechtzeitig ausweichen.
Experten raten Autofahrern in solchen Fällen, den Rückspiegel immer im Blick zu behalten, den Verkehrsfunk aufmerksam zu verfolgen und so schnell es geht von der Autobahn abzufahren. „Versuchen, im letzten Moment noch zu reagieren“ sei dann alles, was einem Fahrer noch bleibt, wenn sich der Lkw nähert, sagt Schäfer. Da müsse man sich nichts vormachen. „40 Tonnen sind eine Waffe in den Händen eines betrunkenen oder unter Drogen stehenden Fahrers“. Deshalb sei es auch wichtig, auffälliges Fahrverhalten sofort zu melden.
„Diese wahnsinnige Chaosfahrt hätte in einer Katastrophe enden können. Ich glaube, wir können von Glück reden, dass wir keine Toten zu beklagen haben”, verdeutlicht NRW-Innenminister Herbert Reul. Derzeit deute nichts auf eine terroristische Tat oder eine Amokfahrt hin.
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Lkw-Horrorfahrt auf Autobahn: 30-jähriger Fahrer ist in der Psychiatrie
Bei dem Fahrer handelt es sich laut Polizei um einen 30-jährigen Polen. Die Ermittler gehen einem Verdacht auf Alkohol- oder Drogenkonsum nach. Zudem gäbe es Hinweise, dass der Mann „psychisch erkrankt sein könnte”, sagt Polizeisprecher Fiebig. Der Fahrer sei vorübergehend in einer psychiatrischen Klinik untergebracht worden. Die Ermittlungen zu seinem Motiv dauern an.
Dieter Schäfer macht mit seiner Initiative seit Jahren darauf aufmerksam, dass von zu vielen Lkw-Fahrern in Deutschland eine Gefahr ausgehe. „Mindestens zwei Prozent der Fahrer haben ein Alkoholproblem”, sagt er. Besonders hoch sei die Quote bei Osteuropäern. „Die Gesellschaft muss wissen, dass täglich bis zu 6.000 alkoholkranke Autofahrer auf deutschen Straßen unterwegs sind. Das muss und sollte uns Angst machen”, warnt der Experte. Mit seiner Initiative setzt er sich vor allem für präventive Maßnahmen, wie etwa einen Führerscheinentzug, ein.