Kinderpsychiater Dr. Michael Winterhoff vor Gericht„Evelyn ist für immer verloren“ – Mutter erhebt im RTL-Gespräch schwere Vorwürfe

von Patricia Kiel

Hat der Arzt Kindern zu Unrecht ein Psychopharmakon verabreicht?
Seit heute (12. Februar) steht der bekannte Kinderpsychiater Dr. Michael Winterhoff in Bonn vor Gericht. Laut Anklage soll er jungen Patienten ohne medizinische Notwendigkeit ein Antipsychotikum verordnet und Nebenwirkungen in Kauf genommen haben. Der Bonner Psychiater bestreitet das. RTL hat mit der Mutter eines betroffenen Kindes gesprochen. Sie macht dem Arzt schwere Vorwürfe.

Landgericht Bonn will voraussichtlich Ende Juli urteilen

Gegen den bekannten Kinderpsychiater und Sachbuchautor Michael Winterhoff hat vor dem Bonner Landgericht ein Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung begonnen. Der 70-Jährige soll 36 Kindern und Jugendlichen ein ruhigstellendes Psychopharmakon zur Dauerbehandlung verordnet haben, obwohl dafür „keine Indikation im Rahmen der Zulassung des Medikaments bestanden“ habe.

Tanja G. im RTL-Interview.
Tanja G. sagt, der Arzt habe ihrer Tochter Evelyn wichtige Entwicklungszeit gestohlen.
RTL

Ein betroffenes Kind ist Evelyn G., RTL hat ihre Mutter zu Hause besucht: „Ich habe ihm ganz einfach vertraut“, sagt Evelyns Mutter Tanja. „Ich habe ihm mein Kind anvertraut und habe wirklich gehofft und gedacht, er würde Evelyn helfen können“, sagt sie. Bei ihrer Tochter will der Arzt frühkindlichen Narzissmus erkannt haben. Evelyn bekommt Medikamente, „damit sie erreichbar ist“, erklärt Tanja. Außerdem meint der Arzt, die Bindung zwischen ihr und ihrer Tochter sei nicht gesund. Tanja G. zieht zuvor schon verschiedenste Ärzte zu Rate – in Dr. Winterhoff setzt sie große Hoffnung.

Evelyn in Kindheitstagen.
Evelyn in Kindheitstagen – sie wirkt fröhlich und aufgeweckt.
RTL

Laut Anklage soll er die Sorgeberechtigten nicht umfassend über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt haben. Stattdessen habe er ihnen erklärt, das Medikament Pipamperon mache die Kinder emotional erreichbar. „Dieser angebliche Wirkmechanismus ist wissenschaftlich nicht nachvollziehbar“, sagt die Staatsanwältin. Bei vielen Patienten sollen Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Bewegungssteifheit und erhebliche Gewichtszunahmen aufgetreten sein.

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Tanja G. glaubte: „Evelyn ist für immer verloren“

„Das kam schon vor, dass wenn wir irgendwo waren, dass sie dann kurz so eingenickt ist, ja“, beschreibt Tanja G. den Zustand ihrer Kindes nach Einnahme der Medikamente. Für die Mutter eine furchtbare Zeit, sie fühlt sich hilflos. „Sehr schlimm ging es mir, weil ich nichts machen konnte“, schildert die 43-Jährige.

Tanja G. schaut zusammen mit Tochter Evelyn Bilder von früher an.
Tanja G. schaut zusammen mit Tochter Evelyn Bilder von früher an. Das Vertrauen in Ärzte haben sie beide verloren.
RTL

Evelyn lebt zu dieser Zeit bereits in einer Jugendeinrichtung. Ihre Mutter möchte sie nach Hause holen, doch der Arzt soll davon abgeraten haben. Das Jugendamt folgt der ärztlichen Anweisung. Sollte Tanja G. ihr Kind nach Hause holen wollen, müsse sie vor Gericht ziehen, sagt man ihr.

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Anwälte des Doktors weisen die Vorwürfe zurück

Winterhoffs Verteidigerin weist die Vorwürfe am ersten Verhandlungstag zurück. Ihr Mandant habe das Medikament nicht standardmäßig verschrieben, um Patienten ruhigzustellen, sondern nur „als flankierende Maßnahme“ mit medizinischem Grund. Es gebe keinen Fall, in dem die Verordnung des Medikaments durch Winterhoff nachweislich zu einem Schaden geführt habe. „Die Vorwürfe gegen Dr. Winterhoff sind falsch“, meint seine Verteidigerin Kerstin Stirner. Sie vermutet hinter den Anschuldigungen eine „Hetzkampagne“.

Die Strafverteidigerin des Kinderpsychiaters Kerstin Stirner.
Die Strafverteidigerin des Kinderpsychiaters, Kerstin Stirner, sagt, die Vorwürfe gegen ihren Mandanten seien falsch.
RTL

Evelyns Mutter sagt dagegen, Dr. Winterhoff habe ihrer Tochter wichtige Lebenszeit geklaut. Aber Tanja G. hat auch Hoffnung. Hoffnung darauf, dass der Arzt dafür bestraft wird: „Meine Meinung ist, dass er meiner Tochter und vielleicht vielen anderen Entwicklungszeit gestohlen hat mit seiner Medikamentenvergabe.“ Das Bonner Landgericht hat für den Prozess mit zahlreichen Zeugen und Sachverständigen rund 40 Verhandlungstage bis Ende Juli angesetzt. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gilt für den Angeklagten die Unschuldsvermutung. (mit dpa)