Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt

„Ein ganz komischer Typ“ – Terrorismus-Experte schätzt Todesfahrer ein

Was für ein Mensch tut so etwas?
Diese Frage stellen sich nach der Todesfahrt auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg viele Deutsche. Das ganze Land ist schockiert. Der Terrorismus-Experte Peter Neumann vom Londoner King’s College kennt sich mit solchen Taten aus und zeichnet im Video-Interview mit ntv/RTL ein genaueres Bild des mutmaßlichen Täters.

Anschlag auf Weihnachtsmarkt Magdeburg: „Wirklich ungewöhnliches Täterprofil“

Schreckliche Ereignisse am Freitagabend (20. Dezember) in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Ein Mann ist mit einem Auto in die Menschenmenge des Magdeburger Weihnachtsmarktes gerast. Dutzende Besucher sind dabei verletzt worden, mindestens fünf sind gestorben – darunter auch ein Kleinkind. Wer steckt hinter dieser grausamen Tat und warum hat er die Tat begangen?

„Das ist ein wirklich ungewöhnliches Täterprofil. Ich glaube, ich habe das in 25 Jahren noch nie so gesehen“, sagt Terrorismus-Experte Peter Neumann. „Ein 50-Jähriger, ein Doktor, relativ gut integriert, seit 18 Jahren im Land und vor allem einer, der anders, als es am Anfang ausgesehen hat, sich sehr konkret als Anti-Muslim, als Islam-Hasser und als Atheist positioniert hat. Und der noch einige Stunden vor der Tat gesagt hat, er möchte diese Tat durchführen, um Deutschland zu bestrafen. Der dann aber dafür eine Taktik und eine Methode des Anschlags wählte, die der von Islamisten ähnelt“, erklärt der Experte. Das alles seien für ihn sehr viele Widersprüche auf einmal.

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„Er ist ein ganz komischer Typ und es gibt noch viel, was man herausfinden muss über die konkrete Motivation und den Hintergrund dieser Tat“, so Neumann weiter.

Täter von Magdeburg: Was war seine Motivation für den Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt?

Doch was könnte den mutmaßlichen Täter zu dem Anschlag animiert haben?

Peter Neumann schildert, dass der Täter in den sozialen Medien sehr aktiv gewesen sei, er habe viel gebloggt und sich oft konkret geäußert. Daher seien viele seiner Gesinnungen bekannt. Nämlich zum Beispiel folgende: „Er ist konsistent in seinen Ansichten. Er hasst Saudi-Arabien und er hasst auch Deutschland, aber nicht, weil Deutschland islamfeindlich wäre oder feindlich gegenüber islamischen Migranten, sondern weil er glaubt, dass Deutschland dem Islam gegenüber zu freundlich ist. Und er wollte die Gesellschaft dafür bestrafen.“

Allerdings sei der entscheidende Punkt, dass „diese Einstellung erst im letzten Jahr in eine Gewalttätigkeit umgeschlagen ist.“ Jetzt sei es vor allem wichtig herauszufinden, was den Täter dazu gebracht hat, aktiver zu werden und was die Tat letztendlich ausgelöst hat.

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Warnungen aus allen Richtungen – haben die Behörden in Magdeburg versagt?

Mittlerweile ist bekannt, dass es Warnungen vor dem Mann gegeben haben soll. Sowohl aus der Bevölkerung in Deutschland als auch aus seinem Herkunftsland Saudi-Arabien. Was ist laut des Experten davon zu halten?

„Also bei den Warnungen aus Saudi-Arabien wäre ich etwas skeptisch. Der mutmaßliche Täter war gegenüber Saudi-Arabien sehr feindlich. Er hat in Deutschland Asyl bekommen, weil er aus Saudi-Arabien geflohen ist“, stellt Neumann klar. Es sei also wenig überraschend, dass die Saudis nicht viel von ihm gehalten haben. „Ob sie konkret vor dieser Tat gewarnt haben, ist eine ganz andere Frage. Und ich glaube auch nicht, dass die Saudis davor gewarnt haben, dass er ein Islamist sei, denn das war er ja gerade nicht.“ Tatsächlich habe es jedoch Hinweise von Personen gegeben, mit denen er in Deutschland zu tun hatte. Hier habe möglicherweise ein Versäumnis stattgefunden. Es sei wichtig in Zukunft solche schwachen Signale besser lesen zu können, appelliert der Terrorismus-Experte abschließend. (mjä)