Zählt diese Begleiterscheinung wirklich zur Erkrankung?
Unheimliches ADHS-Symptom, das kaum einer kennt!

Hilfe, ich höre Stimmen!
Influencer Malte Zierden (32) hat auf Instagram offen über seine ADHS-Erkrankung gesprochen. Dabei erklärt er, dass eines seiner Begleitsymptome quasi innere Stimmen seien, weil er neben dem für die Krankheit so typischen „unaufgeräumten Chaos” auch gleichzeitig Fantasie-Szenarien im Kopf habe. Er male sich bestimmte Dinge aus und führe sogar tiefgründige Gespräche mit Freunden. Teil der Krankheit oder Grund zur Sorge? Wir haben mit einem Experten über das doch eher unheimliche Symptom gesprochen!
Stimmen hören als ADHS-Symptom? Das könnten die Gründe dafür sein
Laute Stimmen im Kopf, die man nicht unterbinden kann – das ist unter anderem Teil von Malte Zierdens Alltag mit der Krankheit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), wie er selbst erzählt.
„Es handelt sich dabei primär um eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die durch Symptome wie Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität gekennzeichnet ist”, erklärt und Psychologe Dr. Michael Thiel im RTL-Interview. Auch motorische Unruhe, wenig ausgeprägte Konzentrationsfähigkeit sowie eine hohe Ablenkbarkeit und eine große Offenheit für Reize gehören dazu.
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Aber: „Halluzinationen und das Hören von Stimmen gehören nicht zum typischen Kernsymptom-Spektrum von ADHS”, betont Thiel. Wie kommt es also zu Malte Zierdens Beschwerdens?
Dafür gibt es laut Experten mehrere mögliche Erklärungen, die durchaus Sinn machen!
Intensives inneres Gedankenleben: Viele ADHS-Betroffene berichten von einem „lauten Kopf” oder einem ständigen inneren Monolog. Diese inneren Gedanken können sich so intensiv und ungefiltert anfühlen, dass sie subjektiv als „Stimmen” wahrgenommen werden. Echte Halluzinationen, die zum Beispiel bei der psychologischen Erkrankung Schizophrenie auftauchen, sind das jedoch nicht!
Komorbiditäten: Menschen mit ADHS haben ein erhöhtes Risiko für Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Borderline oder auch – seltener – psychotische Störungen. In diesen Fällen können tatsächlich echte akustische Halluzinationen auftreten. Wenn ADHS-Betroffene also von inneren Stimmen sprechen, könnte es sein, dass weitere psychologische Probleme vorliegen.
Von uns Menschen häufig genutzt lebhafte Bildsprache: Wenn jemand sagt „Ich höre Stimmen in meinem Kopf“, meint er vielleicht eher intrusive Gedanken, Selbstzweifel oder wiederkehrende Sätze (zum Beispiel „Du bist nicht gut genug“), die nicht unbedingt pathologisch sind.
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Gibt es weitere „kuriose“ Symptome bei ADHS?
Psychologe Michael Thiel betont, dass das Krankheitsbild von ADHS sehr individuell ausgeprägt sein kann, sodass teils ungewöhnliche, kuriose Symptome gar keine Seltenheit sind.
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Zu den weniger bekannten, aber wissenschaftlich gut dokumentieren Begleiterscheinen gehören unter anderem:
Sensorische Empfindlichkeiten: Geräusche, Licht, bestimmte Kleidung oder Berührungen werden oft als extrem störend empfunden.
Starker Reiz zur Prokrastination – auch bei wichtigen Aufgaben – durch ein gestörtes Zeitgefühl (sogenannte „Time Blindness“).
Hyperfokus: Trotz Aufmerksamkeitsproblemen können Betroffene sich manchmal über Stunden auf eine einzelne Sache konzentrieren – besonders, wenn sie stark emotional oder thematisch involviert sind.
Emotionale Dysregulation: Reaktionen können übertrieben heftig oder unangemessen sein, was oft mit Persönlichkeitsstörungen verwechselt wird.
„Gedankenrasen“ oder „mentaler Lärm“: Viele beschreiben es als ständiges Nebeneinander von mehreren Gedankengängen, was unter anderem Einschlafen oder Entscheiden erschwert.
Hätten ihr’s gewusst?
ADHS-Erkrankung mit Begleiterscheinungen – wann sollte ich mir Sorgen machen?
Doch, Achtung! „Innere Stimmen” sind bei ADHS-Betroffenen zwar ungewöhnlich, können aber subjektiv nicht ausgeschlossen werden. „Meist handelt es sich dabei nicht um Halluzinationen, sondern um eine metaphorische Beschreibung von innerem Druck, Selbstgesprächen oder Gedankenkreisen”, sagt der Psychologe.
Unter Umständen könnte es aber durchaus heikel werden, wie der Experte weiß. Also ist Vorsicht geboten, besonders dann, wenn besagte „Stimmen”:
nicht als zum Selbst gehörig erlebt werden und eher fremdgesteuert, „von außen kommend” wirken
bedrohlichen Inhalt haben, zum Beispiel Selbstabwertung, Drohungen, Befehle
zu sozialem Rückzug, Ängsten oder Realitätsverlust führen
neu auftreten oder sich verstärken – besonders in Kombination mit starkem Stress oder Substanzgebrauch
„In solchen Fällen sollte man sich auf jeden Fall professionelle Hilfe suchen, idealerweise bei einem Facharzt für Psychiatrie oder einem Psychotherapeuten mit Erfahrung im Bereich ADHS und komorbider Störungen”, so Thiel.