"Wie ignorant mit dem Schicksal meiner Schwester umgegangen wird, verletzt mich sehr“

Zwillingsschwester der toten Radfahrerin: Klimaaktivisten sollten ihre Methoden überdenken

06.11.2022, Berlin: Teilnehmer einer Mahnwache für eine gestorbene Radfahrerin bringen ein sogenanntes Geisterrad zum Treffpunkt an der Bundesallee. Dort war es am 31.10.2022 zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Lkw und einer Radfahrerin gekommen. Die Frau starb einige Tage später im Krankenhaus. Foto: Paul Zinken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Teilnehmer einer Mahnwache für eine gestorbene Radfahrerin bringen ein sogenanntes Geisterrad zur Bundesallee. Dort war es zu dem schweren Unfall gekommen.
pzi sab, dpa, Paul Zinken

Der Tod einer Radfahrerin in Berlin schlägt weiter hohe Wellen. Die Aktivisten der Klima-Gruppe „Letzte Generation“ stehen in der Kritik, ihnen wird vorgeworfen, möglicherweise an einer Verzögerung der Versorgung der Frau Mitschuld zu sein. Unterdessen nimmt die politische Debatte an Schärfe zu. Von einer „Klima-RAF“ sprechen manche, andere wiesen das zurück und mahnen zur Besonnenheit. Wenig gesprochen wurde bisher über das menschliche Leid, das hinter dem Fall steckt. Das ändert nun die Zwillingsschwester der Toten, die dem Magazin „Spiegel“ ein Interview gegeben hat.

„Uns liegt der Schutz der Natur sehr am Herzen"

31.10.2022, Berlin: Ein zerstörtes Fahrrad liegt auf der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf. Drei Tage nach dem Unfall mit einem Betonmischer in Berlin ist die lebensgefährlich verletzte Radfahrerin gestorben. Das teilte die Polizei am Donnerstag mit.Die 44-Jährige war am vergangenen Montag in der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf von dem Lastwagen erfasst und überrollt worden. Der Unfall hat für bundesweites Aufsehen und Diskussionen gesorgt. Denn ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lkw zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau auf der Stadtautobahn. Dieser soll durch eine Aktion der Klima-Protestgruppe «Letzte Generation» ausgelöst worden sein. Foto: Paul Zinken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Das zerstörte Fahrrad von Sandra Umann, sie starb drei Tage nach dem Unfall mit einem Betonmischer
sab axs, dpa, Paul Zinken

Anja Umann hat sich dem Magazin zufolge selbst beim „Spiegel“ gemeldet, um über den Tod ihrer Schwester Sandra zu sprechen. Der Grund für ihren Entschluss sei die Ignoranz, mit der „einige Klimaaktivisten den Tod von Menschen in Kauf nehmen, die sich unter Umständen selbst für Umweltschutz und andere Menschen einsetzen.“

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Dazu führt sie aus, dass sie und ihre verstorbene Schwester dem Anliegen der Klima-Aktivisten positiv gegenüberstanden. Sie hätten „die Ziele der Bewegung zu 100 Prozent“ geteilt. Vor Jahren hätten die beiden Frauen ein veganes, nachhaltiges Modelabel gegründet. „Uns liegt der Schutz der Natur sehr am Herzen. Aber wie ignorant mit dem Schicksal meiner Schwester umgegangen wird, verletzt mich sehr“, so Anja Umann im Interview mit dem Spiegel.

"Wut gibt mir meine Schwester auch nicht zurück“

31.10.2022, Berlin: Ein Betonmisch-Fahrzeug steht an der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf, wo eine Radfahrerin  bei dem Verkehrsunfall mit einem Lastwagen lebensgefährlich verletzt wurde. Die Verletzte sei unter dem Betonmischer eingeklemmt worden, teilte ein Sprecher der Feuerwehr mit. Auch der Lkw-Fahrer wurde bei dem Unfall verletzt. Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr sind nach Angaben eines Sprechers wegen Protesten von Klimademonstranten zudem verspätet am Unfallort eingetroffen. Foto: Paul Zinken/dpa - ACHTUNG: Kennzeichen wurde aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
Einsatzfahrzeige und der Unfall-Lastwagen
sab, dpa, Paul Zinken

Wütend sei sie nicht auf die Aktivisten, so Ullmann weiter. Sie verspüre generell keine Wut. „Wut ist nichts, was San (so nennt Ullmann ihre Schwester) gewollt hätte. Wut gibt mir meine Schwester auch nicht zurück.“ Sie sagt sogar, dass sie weiterhin hinter den Aktivisten stehe.

Sie würde die Aktivisten allerdings gern bitten, ihre Methoden zu überdenken. „Ich würde ihnen einfach gerne das, was ich erlebt habe, erzählen, und ihnen dann gerne die Chance geben, sich einmal in diese Hölle hineinzuversetzen. Um zu überdenken, ob es nicht vielleicht doch einen anderen Weg gibt, für das Überleben unseres Planeten zu kämpfen, ohne dass andere Menschen möglicherweise zu Schaden kommen, so Anja Umann.

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Während des Unfalls backte Anja gerade einen Kuchen für ihre Schwester

Die 44-Jährige berichtet in dem Interview auch über ihre tiefe Trauer über den Verlust. Sie habe ihre Schwester vor dem Tod noch sehen, ein letztes Mal berühren dürfen. Sie seien Zeit ihres Lebens unzertrennlich gewesen, erzählt sie über die innige Beziehung der Zwillinge.

Als ihre Schwester den schweren Unfall auf der Bundesallee in Berlin gehabt habe, sei sie selbst zuhause gewesen. Sie habe „einen Karamellkuchen für sie gebacken, weil der Montag immer der schwerste Tag der Woche für sie ist.“ Ihre Schwester sei Autistin gewesen, es sei ihr schwer gefallen, zur Arbeit zu gehen. Deswegen habe sie Sandra überraschen wollen, wenn sie nach Hause kommt.

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