Hendrik Streeck im RTL-Interview zum Welt-Aids-Tag 2020
Warum gibt es noch keinen HIV-Impfstoff - aber so schnell einen gegen Corona?
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Hendrik Streeck ist nicht nur Experte für Corona
Am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag, mit dem vor allem zu Solidarität mit HIV-positiven Menschen aufgerufen werden soll. Der Aktionstag ist darüber hinaus ebenfalls eine gute Möglichkeit, einen Blick auf den Stand der Forschung rund um das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) zu werfen – und der ist laut Virologe Hendrik Streeck sehr erfreulich. Streeck, der uns in den letzten Monaten als Corona-Experte und Leiter der Heinsberg-Studie begleitet, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dem HI-Virus. Im Interview verrät er uns: Derzeit befindet sich ein vielversprechender HIV-Impfstoff in Phase 3, der schon nächstes Jahr verfügbar sein könnte. Allerdings sei auch vorsichtiger Optimismus geboten – denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Coronavirus und HIV, der der Grund dafür ist, dass der Corona-Impfstoff so schnell entwickelt werden konnte, während die Welt auf den gegen HIV seit 30 Jahren wartet. Mehr dazu im Video!
„Medikamentenentwicklung ist in den letzten Jahren wirklich fantastisch gewesen“
Auch wenn HIV-Infizierte mit der richtigen Behandlung heute eine fast normale Lebenserwartung haben können, arbeiten Forscher mit Hochdruck an neuen Behandlungsmöglichkeiten. „Die Medikamentenentwicklung ist in den letzten Jahren wirklich fantastisch gewesen“, erklärt Streeck im Interview mit RTL. „Früher musste man händeweise Tabletten nehmen, [...] auch nachts einen Wecker stellen, um alle vier Stunden Tabletten einzunehmen.“ Heutzutage müssten Menschen mit HIV nur noch eine Tablette am Tag nehmen und es gebe eine Depot-Spritze, die alle sechs bis acht Wochen erneuert werden müsse. Die gibt es auch als Präventionsmaßnahme, zum Beispiel für Partner von HIV-Positiven, die keine Kondome nehmen können oder wollen.
Aber wie sieht es mit einem Impfstoff aus, der vor HIV immun macht? Wie Professor Streeck erklärt, befindet sich ein solcher derzeit in Phase 3 der Entwicklung. Spätestens seit wir alle gespannt auf den Corona-Impfstoff warten, wissen wir: In dieser Phase wird in klinischen Tests geschaut, wie Menschen den Impfstoff vertragen.
HIV-Risiko im Tierversuch um 94 Prozent reduziert
Der sogenannte „Prime-Boost-Impfstoff“ habe im Affen eine sehr hohe Wirksamkeit gezeigt, erklärt der Experte. „Es gab eine 94-prozentige Reduktion der Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, wenn man den Impfstoff bekommen hat.“ Dieser werde derzeit in der Phase 3 im südlichen Afrika getestet und soll nächstes Jahr Ergebnisse liefern. „Ein ähnlicher Impfstoff, eine Verbesserung des Impfstoffs seitdem, wird seit letztem Jahr auch in Europa und Nord- und Südamerika getestet.“
Allerdings sei die Phase 3 immer voller Überraschungen, so Streeck. „Wir wissen nie, ob ein Impfstoff funktionieren wird oder nicht. Wir hatten aber noch nie so gute Ergebnisse in einem Affenversuch [...], sodass das im Moment einer der Impfstoffe ist, wo man mit einem vorsichtigen Optimismus draufschaut.“
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Warum das mit dem HIV-Impfstoff nicht so einfach ist
Aber wie kommt es nun, dass gleich mehrere Corona-Impfstoffe in unter einem Jahr fast komplett durchentwickelt sind und es bei dem gegen HIV so lange dauert? Das liegt daran, dass Menschen, die sich mit dem Coronavirus infizieren, anschließend für eine gewisse Zeit immun sind. „Es gibt aber keine Menschen, die das HI-Virus selber besiegen können und danach eine schützende Immunantwort haben. Dadurch hat uns die Natur erstmal keinen Weg gezeigt, wie wir eine schützende Immunantwort mittels Impfstoff z. B. provozieren können“, erklärt Streeck.