Ukraines Ex-Präsident im RTL-Interview

"Merkel und Deutschland waren Schutzengel für die Ukraine"

von Dirk Emmerich und Robert Clausen

Der ehemalige Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, hat im exklusiven Interview mit RTL die besondere Rolle Deutschlands im Ukraine-Konflikt betont und sich ausdrücklich bei Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel bedankt. „Deutschland und Angela Merkel waren, wenn man dieses Wort verwenden kann, ein Schutzengel für die Ukraine. Dank der Unterstützung von Angela und dank einer führenden Rolle Deutschlands haben wir ein Assoziierungsabkommen mit der EU. Nur dank der führenden Rolle Deutschlands haben wir ein tiefgreifendes und umfassendes Freihandelsabkommen.“ Das Interview mit Petro Poroschenko sehen Sie im Video.

Poroschenko wünscht sich Geschlossenheit und Solidarität

In der aktuellen Krise mit Russland wünscht sich Poroschenko vor allem Solidarität und Geschlossenheit anderer Nationen: „Putin, so meine Erfahrung, wird so weit gehen, wie wir es ihm erlauben. Und Putin hört auf, wenn er unsere Stärke, unsere Einheit und die Solidarität der ganzen Welt spürt.“

Eine Unterstützung der Ukraine sei deshalb „eine Investition in die deutsche und europäische Sicherheit.“ Poroschenko wünscht sich außerdem, dass der Ukraine und Georgien über den „Membership Action Plan“ der Weg in die NATO eröffnet wird. Er sei in dieser Frage „sehr optimistisch“. „Wenn Putin das nächste Mal versucht, den Westen zu erpressen, dann wird er sich das zweimal überlegen, denn das ist kein Spiel und funktioniert nicht mehr.“

Putin höre niemals auf, „bis wir unsere Stärke und unsere Einigkeit demonstrieren. Und ich glaube fest an Deutschland.“

Zur Person

Petro Poroschenko war von Mai 2014 bis April 2019 Präsident der Ukraine. Er war damit der erste Präsident nach den Euromaidan-Protesten 2013/2014, die zum Sturz des damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch führten. Bei den Protesten kamen etwa 130 Menschen ums Leben.
Poroschenko gilt als Oligarch, mit verschiedenen Unternehmen wurde er zum Milliardär. Aktuell steht er in der Ukraine unter Druck. Seit Ende Dezember werden ihm Hochverrat und Unterstützung von Terrorismus vorgeworfen – er soll verbotene Geschäfte mit den Separatisten in der Ostukraine gemacht haben. Poroschenko selbst weist die Vorwürfe als „politische Verfolgung“ seines Nachfolgers Wolodymyr Selenskyj zurück.

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"Bitte vertrauen Sie Putin nicht!"

Poroschenko kenne Putin jetzt 17 Jahre, „vielleicht nicht die längste, aber auf jeden Fall die schwierigste Zeit in meiner Geschichte“, so der ehemalige Präsident. „Erste Empfehlung: Bitte vertrauen Sie Putin nicht!“ Seine Sicherheitsgarantien seien „das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind“.

Andere Länder sollten allerdings keine Angst vor Putin haben. „Natürlich, wenn Sie Angst vor Putin haben, wird Putin Sie angreifen. Und wenn Sie stark genug sind, sich zu schützen, wird Putin das nie tun.“

An Ukrainian serviceman as an armored personnel carrier maneuvers near front line position in the Luhansk area, eastern Ukraine, Friday, Jan. 28, 2022. High-stakes diplomacy continued on Friday in a bid to avert a war in Eastern Europe, the urgent efforts coming as 100,000 Russian troops are massed near Ukraine's border and the Biden administration worries that Russian President Vladimir Putin will mount some sort of invasion within weeks. (AP Photo/Vadim Ghirda)
In der Ostukraine kommt es nach wie vor zu Kämpfen zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten
VG, AP, Vadim Ghirda

"Putin will Sowjetunion 2.0!"

Seit 2014 habe sich in der Ukraine viel geändert, „aber wir haben immer noch denselben Putin.“ Der russische Präsident betrachte sich nicht nur als Staatsoberhaupt, sondern als „etwas zwischen Herrscher und Gott“. Putin träume von einer zweiten Sowjetunion oder einem russischen Reich. Die Ukraine sei auf der Karte das wichtigste Puzzleteil in diesem Plan. „Deshalb will er die ganze Ukraine haben, und wir haben diese Träume im Jahr 2014 ruiniert“, so Poroschenko.

„Der erste Schritt der Transformation dieser verrückten Idee ist, keine NATO im Osten Europas zu haben. Keine NATO in den baltischen Staaten, keine NATO in Bulgarien, keine NATO in Rumänien.“

An Putin gewandt sagte Poroschenko: „Meine Güte, wir sind nicht mehr in den Sowjet-Zeiten. Und Du bist nicht der Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Und wir gehören nicht zu Russland.“

Waffenlieferungen seien "Instrument für den Frieden"

Angesprochen auf die Diskussion um Waffenlieferungen sagt Poroschenko, Waffenlieferungen an die Ukraine seien „nur ein Instrument für den Frieden. Denn mit dem Verständnis, dass die Ukraine eine solche moderne Form von Waffen hat, wird Putin es sich zwei oder dreimal überlegen, uns anzugreifen.“

„Wenn wir über Artillerieaufklärungsradare sprechen, dann ist das nur eine Antwort auf russischen Artillerieangriffe. Wenn wir über Anti-Panzer-Systeme sprechen, ist dies die Antwort auf offensive russische Panzer“, so Poroschenko.

Man brauche aber keine NATO-Soldaten in der Ukraine: „Wir haben eine sehr erfahrene, sehr gut ausgebildete Armee und wir können die Zahl von 250.000 auf 600.000 Soldaten in sehr kurzer Zeit erhöhen.“

Die Ukraine sei schon seit Jahren im Krieg mit Russland, vor allem auf der Krim und im Donbas. In dem Konflikt sind Schätzungen zufolge bereits mehr als 13.000 Menschen gestorben. „In ein paar Tagen werden es acht Jahre Krieg sein. Mein Gott, acht Jahre. Und das ist kein eingefrorener Konflikt, Sie wissen das. Das ist ein heißer Krieg.“

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