Platte Nasen, unnatürliche Fellfarben, übergroße Augen Missbildungen als Rassemerkmal! Warum viele Haustiere völlig überzüchtet sind
„Das, was wir als typische Rassemerkmale kennen, sind in den meisten Fällen Missbildungen, die unsere Hunde und Katzen krank machen!“
Mit diesen drastischen Worten bringt Prof. Dr. Achim Gruber, Deutschlands bekanntester Tierpathologe, eine dramatische Entwicklung auf den Punkt.
Platte Nasen, unnatürliche Fellfarben, übergroße Augen – die Tragweite der weit verbreiteten Überzüchtung war mir nicht bewusst. Ich darf Prof. Gruber am Obduktionstisch über die Schulter schauen und mache mir selbst ein Bild von den oftmals tödlichen Folgen der Überzüchtung unserer Haustiere.
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Tödliche Überzüchtung - Tendenz steigend

Ich bin mit Hunden aufgewachsen – und das in einer Zeit, in der ein Hund noch Hund sein durfte und vor allem eines war: ein treues Familienmitglied. Klar, Rassezucht gab es schon immer, aber bestimmt nicht in dem Ausmaß wie sie heute praktiziert wird.
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Als ich das Gelände der Tierpathologie der Freien Universiät Berlin betrete, ist mir etwas mulmig zumute. Im großen Sektionssaal treffe ich Prof. Dr. Achim Gruber. Auf dem riesigen Stahltisch vor uns hat der Pathologe eine Reihe verschiedener Hundeschädel aufgereiht: vom „Ur-Hund“ bis hin zum „Hund ohne Nase“ und mit Glubschaugen. Anhand der Schädelknochen wird schnell deutlich, was die optischen Rassemerkmale bedeuten können: Atemnot, Ohnmachtsanfälle, und im schlimmsten Fall einen viel zu frühen Tod. Rassen wie der Mops oder wie die Französische bzw. Englische Bulldogge seien besonders betroffen. Und sogar Fellfarben könnten zu ernsthaften gesundheitlichen Problem führen, erklärt der Experte. Das gelte übrigens nicht nur für Hunde, sondern auch für viele Rassekatzen.
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Die Trendfarbe Silber beim Labrador etwa, so der Tiermedizinier, sei eine Genmutation und nichts anderes als ein Zeichen dafür, dass im Körper etwas kaputt gegangen sei. Liebhaber der Rasse wollen das aber offensichtlich nicht wahrhaben: So lange die Nachfrage da sei, werde eben auch gezüchtet.
„Kindchen-Schema" wirkt wie eine Droge

Ob in den Sozialen Netzwerken oder auf Rasseausstellungen – Hunde und Katzen werden regelrecht inszeniert. Da gibt es zum Beispiel die sogenannten „Tea Cup Dogs“, die so klein sind, dass sie in eine Teetasse passen. Oder jene Hunde, die für eine Rassehundeausstellung herausgeputzt werden, um die nächste Auszeichnung zu gewinnen. „Das Ziel in der Zucht ist, dem Rassestandard so nah wie möglich zu kommen“, erzählt mir die Besitzerin eines Königspudels auf der Messe „Tierisch gut“ in Karlsruhe.
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Ich kann verstehen, dass hier jeder stolz auf seinen Liebling ist. Dennoch: Der ein oder andere Gesichtsausdruck der Hunde wirkt durchaus gequält, vor allem dann, wenn es zu den Richtern und Richterinnen geht, die den Hund begutachten. Immerhin erzählt mir Ulrich Reidenbach, Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg für Hundewesen e.V. (kurz VDH), dass man bei der Beurteilung der Tiere den Fokus schon viel mehr in Richtung Gesundheit lege, als das noch vor zehn Jahren der Fall gewesen sei. Leider gebe es aber immer noch Ausnahmen, so etwa bei Jagdhunden.
Vor allem junge Frauen seien empfänglich für extreme und verniedlichte Hunderassen, weiß Tierpathologe Achim Gruber. Das belege auch eine psychologische Studie, nach der die chemische Reaktion auf die Optik der Hunde im Hirn ähnlich sei wie beim Drogenkonsum.
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Der Schädel, den mir Tierpathoholge Achim Gruber zeigt, macht auf traurige Weise klar, wohin der Zucht- und Rassewahn führen kann. Die Nase des Hundes wurde komplett zurückgezüchtet, permanente Atemnot war die Folge. Letztendlich habe das Tier – wie viele andere seiner Rasse – bei Temperaturen über 30 Grad einen Hitzschlag bekommen. Warum? Weil es wegen seiner zurückgezüchteten Nase nicht mehr in der Lage gewesen sei, durch Hecheln einen Temperaturausgleich zu schaffen. „Die Leute denken eher, ihr Hund sei vom Nachbarn vergiftet worden, als dass sie auf die Idee kommen, dass es an der Rasse liegt“, weiß Professor Gruber zu berichten.
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Heute würden Hunde und Katzen ausgesucht wie ein Auto oder ein neues Handy. Farben, Form und Extras gebe es ja genug – nur leider auf Kosten der Gesundheit der Tiere.
Der Mediziner will dabei nicht pauschal Rassehunde verurteilen, vielmehr geht es ihm darum, die reinrassige Zucht aufzubrechen. Das würden zum Glück schon einige Züchter in Deutschland machen: Durch das Einkreuzen anderer Hunderassen oder von Mischlingen könne man die Gesundheit der Hunde wieder herstellen. Bei einigen Moderassen sei dieser Punkt aber leider bereits überschritten.
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Seine Forderung: Eine konsequentere Umsetzung des Tierschutzgesetzes gegen Qualzuchten sei genauso umumgänglich wie ein Kriterienkatalog für Züchtende, in dem klar definiert werde, was bei der Zucht erlaubt ist und was nicht.
Mehr zum Thema erfahrt ihr oben im Video.