Ein Kommentar zu den Neu-Regelungen

Tierärzte zocken ab? Warum ich die hohen Kosten gerechtfertigt finde

Eine Katze der Rasse Britisch-Kurzhaar verlaesst am 06.07.2022 in einer Tierarztpraxis in Kleinmachnow (Brandenburg) ihre Transportbox. Foto: Karo Kraemer
Mit dem Haustier zum Arzt - ein Gang, der mit Kosten verbunden ist. Sind die zu hoch? Unsere Autorin vertritt dazu eine klare Meinung
DPA
von Eva Johanna Onkels

Uff, der Besuch beim Tierarzt ist ganz schön teuer geworden.

Die Allgemeinuntersuchung meiner Katze kostete mich vor November 2022 rund 15 Euro, jetzt stehen 23 Euro auf der Rechnung – eine Steigerung von gut 52 Prozent im Vergleich zum Frühherbst 2021. Eine Frechheit? Nein! Denn die Anpassung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) war dringend notwendig und bedeutet keineswegs eine miese Abzocke von Tierhaltern, wie gerne behauptet wird. Ein Kommentar.

Nur zwei „Gehaltserhöhungen“ in knapp 23 Jahren

Eine Sache sei vorab klar gestellt: Die GOT ist für alle Tierärzte verbindlich. Sie enthält eine Auflistung über abrechenbare Behandlungen und die sogenannten Sätze – die unterschiedlichen Preise, die ein Tierarzt je nach Aufwand und wirtschaftlicher Lage der Praxis aufrufen darf. So kann die Allgemeinuntersuchung eines Pferdes heute netto zwischen 30,78 Euro (einfacher Satz) und 92,34 Euro (dreifacher Satz) kosten.

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Natürlich tut es vielen Tierbesitzern weh, dass die Tierarztkosten auf einen Schlag so dramatisch gestiegen sind, bei Pferden können die Differenzen dreistellig werden! Auf der anderen Seite bewegten sich Tierhalter in Deutschland bislang – was die Arztkosten angeht – eher auf der Sonnenseite. Bezahlt wurde lange, gemessen z.B. an der Inflationsrate, eher zu wenig als zuviel. Denn trotz Krisen hat es für Tierärzte seit 1999 nie eine Neuauflage der GOT gegeben. Lediglich im Juli 2008 und im Juli 2017 wurden die Gebühren wegen der wirtschaftliche Lage des Landes um jeweils zwölf Prozent erhöht.

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Jetzt mag man sagen: Das ist dennoch zu viel! Aber: Zwei „Gehaltserhöhungen“ um zwölf Prozent innerhalb von 20 Jahren sind nicht gerade üppig. Umgerechnet auf die 23 Jahre seit Bestehen der GOT sind das also knapp mehr als ein Prozent pro Jahr. Das frisst die Inflation locker wieder weg. Außerdem: Für den durchschnittlichen Arbeitnehmer stiegen die Löhne von brutto etwa 25.800 Euro auf 40.200 Euro. Ein Plus von 14.400 Euro – gute 55 Prozent.

Tierarzt - ein Traumberuf mit niedrigem Gehalt und hoher Belastung

Das Einstiegsgehalt eines Tierarztes ist für einen akademischen Beruf verhältnismäßig gering. Laut Sparkasse hat ein angestellter Tierarzt bei Berufseinstieg ein Bruttogehalt von zwischen 2.200 bis 3.000 Euro. Zum Vergleich: Das Einstiegsgehalt eines Informatikers liegt laut der Karriere-Website Indeed bei etwa 4.511 Euro und das eines Humanmediziners laut Springer-Medizin bei 4.600 bis 4.900 Euro.

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Zudem tragen Tierärzte in hohem Maße Verantwortung. Nicht nur für ihre Patienten, sondern auch für deren Besitzer. Das geht von psychischen Belastungen bei einer plötzlichen Einschläferung des geliebten Hausgenossen bis hin zu gravierenden Fehldiagnosen in Tierbeständen. Eine Studie des „Journal of the American Veterinary Medical Association“ kam zu dem Ergebnis: Tierärzte haben die höchste Suizidrate aller Berufsgruppen.

Dem Kater unserer Autorin mussten die Zähne saniert werden - ein teures Unterfangen.
Dem Kater unserer Autorin mussten die Zähne saniert werden - ein teures Unterfangen.
Eva Johanna Onkels

Doch nicht nur die neuen Sätze spielen eine wichtige Rolle in der neuen GOT. Fast noch wichtiger ist, dass Tierärzte (endlich) neuartige Behandlungen geltend machen können, die sie vorher nicht abrechnen konnten. Denn in 23 Jahren hat sich auch auf dem Feld der Tiermedizin vieles verändert. So konnte zum Beispiel bis 2022 eine Tumordiagnostik im Labor nicht nach GOT abgerechnet werden, Tierärzte schusterten sich vielmehr passende Abrechnungen aus anderen Teilen der Ordnung zusammen. Das war nicht immer fair – weder für Besitzer, noch für Tierärzte. Denn oft versuchten die Veterinär-Mediziner, sich gegenseitig preislich zu unterbieten. Viele Praxen arbeiteten dadurch hart an der Kante zur Wirtschaftlichkeit.

Female veterinarian stroking horse while standing in stable || Modellfreigabe vorhanden
Wenn ein Pferd krank wird, wird es schnell richtig teuer.
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Appell an uns Tierhalter: Kosten mit einkalkulieren!

Und was bedeutet das jetzt für uns Tierbesitzer? Ja, es ist schweineteuer geworden, für manche Menschen zu teuer. Und für die müssen Lösungen her. Tierversicherungen können hier eine Möglichkeit sein, allerdings sollten sich die entsprechenden Versicherer dafür etwas bewegen und z.B. auch alte Tiere versichern. Es sollte wieder mehr Versicherungen für Nagetiere geben. Außerdem müssen bessere gesetzliche Regelungen her, die unterbinden, dass eine Versicherung einem Tierhalter nach 15 Jahren Einzahlen kündigt, weil der Hund jetzt dauerhaft Behandlung benötigt.

Eine weitere Option: Ratenzahlungen. Es gibt zwar Praxen und Tierkliniken, die solche Zahlungsmethoden haben – aber nicht flächendeckend. Für einige Menschen ist es jedoch leichter, zwölf Monate 50 Euro pro Monat zu zahlen, als 600 Euro auf einen Schlag. Besonders für Bestandskunden sollten solche Modelle doch möglich sein.

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Doch wir sollten auch uns Tierbesitzer nicht vergessen: Wer sich ein Tier anschafft, MUSS sich mit den Kosten für die Ärzte auseinandersetzen. Hier spreche ich aus eigener Erfahrung mit meinen Katern. Eine umfangreiche Zahn-OP kann teuer werden, hohe drei- bis niedrige vierstellige Beträge sind da locker drin. Impfungen, Kastration, jährliche Check-Ups, im höheren Alter Blutuntersuchungen – die sind wichtig, damit unsere Tiere gesund und fit bleiben. Gut ausgebildete, erfahrene Tierärzte, die keine finanziellen Sorgen haben müssen, sind das Beste, was einem kranke Tier passieren kann. Und wenn man das Geld nicht in eine Versicherung stecken möchte, dann sollte man frühzeitig anfangen, etwas für den Notfall zurückzulegen.

Tierärzte wollen uns nicht abzocken. Die meisten hängen mit ihren Herzen am Job, auch wenn er stressig ist, traurig sein kann, psychisch und physisch belastend. Wir sollten sie als Tierbesitzer nicht beschimpfen, nicht als hinterlistig und geldgeil darstellen. Wir sollten sie als das betrachten, was sie sind: Jene Menschen, die im Zweifel unserem geliebten Haustier das Leben retten. Und das ist eine Leistung, die eine vernünftige Bezahlung einfach wert ist.