„Ich habe im Februar gedacht, ich bin im April schon nicht mehr da"Doppelte Krebsdiagnose - trotzdem ist Sahand (37) glücklicher als je zuvor

Wunderschöne, lange, dunkle Haare umrahmten früher ihr Gesicht. Beim RTL-Interview trägt Sahand Pashazadeh eine blonde Perücke.
Denn: Die 37-Jährige hat einen langen Kampf gegen den Krebs hinter sich. Alles beginnt, als sie eine „Murmel“ in ihrer Brust entdeckt. Es folgen Ärzte, die sie nicht ernst nehmen, etliche Operationen und Chemotherapien. Heute weiß sie, was wirklich wichtig ist im Leben.
RTL.de ist jetzt auch bei WhatsApp - HIER direkt ausprobieren!
Ist es Krebs? Vor zwei Jahren beginnen Sahand Pashazadehs (37) Symptome
Die Krankheits-Odyssee beginnt vor zwei Jahren: „Mir ging es körperlich nicht gut. Ich habe mich überfahren gefühlt, ich hatte null Kraft für nichts, auch nach neun Stunden Schlaf kam ich nicht aus dem Quark. Ich habe mich tonnenschwer gefühlt und es war schwer, den Alltag zu bewältigen. Es war eine Qual“, erzählt die Mutter einer Tochter, als wir sie zum im RTL-Interview treffen.
Das Problem: Genau zu der Zeit befinden wir uns in der Hochphase der Corona-Pandemie. Andere Eltern dürften es noch zu gut kennen: Home-Office und Kind lassen sich teils nur schwer miteinander vereinbaren, auch die Ungewissheit über das Virus nimmt viele mit. „Die Ärzte haben meine Symptome auf Müdigkeit, Erschöpfung oder Überforderung geschoben. Es war ja auch eine anstrengende Zeit. Aber ich wusste, dass ich anders bin als sonst und dass irgendetwas nicht stimmt“, erklärt Pashazadeh.
Ihre Blutwerte sehen top aus, bei allen körperlichen Untersuchungen entdecken die Ärzte nichts Auffälliges. Also muss es – laut den Medizinern – die Psyche sein. Vermutung: Burn-Out. Das wird der 37-Jährigen mit auf den Weg gegeben.
„Bis ich mich letzten Dezember zufällig im Brustbereich gejuckt habe. Ich habe meinen Arm hochgehoben und etwas wie eine Murmel unter der Haut gespürt. Da war mir eigentlich schon klar: Ich habe Brustkrebs. Das hat einfach zu den ganzen Symptomen gepasst und Sinn gemacht“, so die Kölnerin.
Im Video: Sohn rasiert sich mit krebskranker Mama Haare ab
Neben Brustkrebs auch noch Lymphdrüsenkrebs - und eine Sache macht besonders große Probleme

Bei ihrer Frauenärztin muss Sahand darauf drängen, dass ihre Brust via Ultraschall untersucht wird. Im Brustzentrum erhält sie dann im Januar dieses Jahres die Bestätigung: Sie liegt richtig. Es ist tatsächlich Brustkrebs. Sahand erklärt: „Ich hatte einen nicht-hormonellen, hochaggressiven Brustkrebs. Also die schlechteste Prognose überhaupt.“
Als wäre das nicht schon schlimm genug, entdecken die Ärzte, als Pashazadeh im Februar 2023 einmal komplett durchleuchtet wird, Metastasen oberhalb der Brust: „Beim Spezialisten wurde mir eine Probe entnommen. Es war schnell klar, dass diese etwa sieben Zentimeter großen Wucherungen nichts mit dem Brustkrebs zu tun haben“, erklärt sie. Als würde eine Krebs-Diagnose nicht reichen, hat sie jetzt auch noch Lymphdrüsenkrebs. Und zwar im vierten, sprich so gut wie im Endstadium. Es muss dringend gehandelt werden.
„Der Lymphdrüsenkrebs wurde zwar später entdeckt, hatte aber eine höhere Priorität. Ich brauchte sofort eine Chemotherapie, denn auch wenn der Tumor in der Brust gefährlich ist, muss das Lymphom zuerst weg. Denn wenn das einmal ins lymphatische System gerät, kann es sich zu schnell ausbreiten und im schlimmsten Fall alle Organe übernehmen“, erklärt Pashazadeh. „Dieser Krebs war es auch, der mich so erschöpft hat.“
Ende April 2023 wird ihr Brust-Tumor inklusive aller Brustdrüsen entfernt. Im Mai 2023 geht Sahands erste Chemotherapie los: „Mir wurde ein Port eingesetzt, über denen die Infusionen liefen.“
Auch hier gibt es Komplikationen: „Ich wäre fast an dem Port gestorben – und nicht an einer der zwei Krebserkrankungen. Das muss man sich mal überlegen. Es war so, dass der 18 Zentimeter lange Schlauch vom Port, der festgenäht werden muss, abgegangen und in Richtung Herz gerutscht ist. Dort wickelte er sich fest und ich habe Herz-Rhythmusstörungen bekommen. Ich schwebte sieben Wochen unwissentlich in Lebensgefahr, weil das unerkannt blieb. Es grenzt an ein Wunder, dass nichts passiert ist.“
Pashazadehs große Kritik: „Ich musste auch hier wieder dafür kämpfen, dass die Ärzte sich das mal genauer ansehen. Ich habe ja gespürt, dass sich mein Herz gegen etwas wehrt. Aber ich habe mich nicht ernst genommen gefühlt.“
Lese-Tipp: Influencerin Corinna (35) hat Krebs: „Es ist der größte Scheiß, der mir je passiert ist"
„Ich lebe viel mehr im Hier und Jetzt": Heute ist Sahand Pashazadeh glücklicher als je zuvor
Trotz aller Rückschläge versucht Sahand Pashazadeh positiv zu bleiben: „Krebs ist ein so mächtiges Wort. Aber ich ihm nie diese Macht gegeben. Es war einfach eine zufällige Mutation meiner Zellen. Das war meine Stärke, die mich durch die ganzen letzten Monate getragen hat“, sagt sie.
Ihre Operationen gegen die Krebserkrankungen sind mittlerweile abgeschlossen. Der Lymphdrüsenkrebs ist nach vier Zyklen nicht mehr sichtbar und auch in der Brust sieht alles soweit in Ordnung aus.
Lese-Tipp: Wartezeiten für Mammographie-Termine explodieren! Wie Sie schneller an einen drankommen
„Ich habe jetzt auch einfach keine Lust und keine Kraft mehr, hoch dosierte Medikamente einzunehmen. Meine letzte Chemo ist sechs Wochen her und mir geht es wieder gut: Ich habe endlich keine Schmerzen mehr und auch der Nebel im Kopf ist weg.“ Anfang Dezember muss die Kölnerin nochmal ins CT. Sie ist aber guter Dinge: „Ich fühle ja, wie fit ich bin.“
Ihre größte Hoffnung? Alt werden. „Vor einem Jahr dachte ich noch: ‘Oh Gott, bald bin ich 40 Jahre alt.’ Jetzt merke ich, dass mir das egal ist. Ich lebe viel mehr im Hier und Jetzt und habe mich von jeglichem Druck befreit. Meinen Eltern habe ich gesagt: ‘Es tut mir leid, dass ihr meinetwegen so traurig seid. Aber ich kann euch sagen, ich bin glücklicher als je zuvor. Ich habe aufgehört, in der Vergangenheit zu wühlen und zu viel an die Zukunft zu denken.“
Die 37-Jährige freut sich über jeden Tag, den sie erlebt und ist dankbar für das, was sie hat: „Ich habe im Februar gedacht, ich bin im April schon nicht mehr da. Jetzt sehe ich alles anders: Viele Dinge werden belanglos und vermeintlich belanglose Dinge bekommen einen ganz anderen Stellenwert. Es ist wie eine zweite Chance aufs Leben.“
„Ich möchte helfen und werde keine belanglosen Jobs mehr machen"
Auf Instagram möchte die Mutter einer sechsjährigen Tochter anderen betroffenen Frauen die Angst nehmen und erzählt: „Klar, ist das alles schlimm, wenn es keinen Ausweg mehr gibt und die Ärzte einem sagen ‘Du bist austherapiert, wir können nichts mehr für dich tun’. Aber bis dahin kann man mit einer positiven Einstellung einiges schaffen. Jedem, der eine solch schlimme Diagnose erhält, rate ich: erst einmal durchatmen, weinen, alles rauslassen – aber dann mit einem klaren Kopf an die Sache gehen und kämpfen. Es ist wichtig, sich immer wieder vor Augen zu führen: ‘Ich kriege das hin. Ich werde das schaffen!’ Rückgängig machen kann man es sowieso nicht, also: Augen zu und durch!“
Ihr Tipp außerdem: Brust abtasten, auch unter der Achsel, und regelmäßig einen Brustunterschall als Zusatzleistung buchen.
In Zukunft möchte Sahand Pashazadeh am liebsten ein Herzensprojekt ins Leben rufen, eine Art Selbsthilfefrauen für Betroffene: „Ich habe noch keine klare Vision. Aber ich möchte helfen und werde keine belanglosen Jobs mehr machen, die niemandem nützen.“
































