Kind darf kaum etwas essen, sonst riecht es
Sie hielten ihn für schmuddelig! Bennet (6) hat das Fischgeruch-Syndrom
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von Vera Dünnwald
Kein Ei, kein Fisch, kein Weizen und noch viel mehr – all das darf der sechsjährige Bennet B. nicht essen. Der Grund: Das Kind hat das sogenannte Fischgeruch-Syndrom. Isst der Junge Lebensmittel, die er nicht verträgt, fängt er an, unangenehm zu riechen. Seine Mutter möchte auf die seltene Krankheit aufmerksam machen. Wie Bennet selbst mit der Krankheit umgeht, das sehen Sie im Video.
Stoffwechselerkrankung Trimethylaminurie wird für immer ein Teil von Bennets Leben sein
Der 28. Februar ist der „Tag der Seltenen Erkrankungen“ (Rare Disease Day). Ziel des Aktionstages ist es, auf seltene Krankheiten aufmerksam zu machen und den Leidensweg der Betroffenen näher zu beleuchten.
Dieses Ziel verfolgt auch Marlies B. aus der Nähe von Bielefeld, Mutter von zwei Kindern. Ihre Tochter ist acht Jahre alt und kerngesund. Ihr sechsjähriger Sohn Bennet hingegen hat die Stoffwechselerkrankung Trimethylaminurie. Sie wird auch Fischgeruch-Syndrom genannt, denn: Wie der Name schon sagt, riechen Betroffene unangenehm, meist nach Fisch. Schuld sind bestimmte Stoffwechselprozesse im Körper, die nicht richtig funktionieren. Heißt: „Mein Sohn darf viele Lebensmittel nicht essen – sonst riecht er. Schuld ist ein Chromosom-Fehler, weswegen sich das Ganze auch in Zukunft nicht verwachsen wird“, erzählt B. im RTL-Interview. Das Fischgeruch-Syndrom ist bei Bennet also erblich bedingt, beide Elternteile tragen den Gendeffekt in sich – auch wenn er bei Marlies und Patrick B. nie ausgebrochen ist.
Zusammenhang zwischen Körpergeruch und Nahrung nur zufällig erkannt
Dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt, habe Marlies B. früh bemerkt: „Als wir mit der Beikost begonnen haben, als Bennet etwa vier bis sechs Monate alt war, haben wir festgestellt: ‘Irgendwie riecht er immer so komisch.’ Selbst wenn wir ihn frisch gebadet haben, roch er nach 15 Minuten wieder. Es hat Ewigkeiten gedauert, bis wir eine Diagnose erhalten haben.“ Für die Familie ist es eine echte Odyssee. Wie soll man darauf kommen, dass der unangenehme Fischgeruch mit dem Essen zusammenhängt, das der kleine Bennet zu sich nimmt?
„Meine Schwester ist Krankenschwester und hat damals für das Thema Stoffwechselstörungen gelernt. Nur durch sie sind wir dann auf Trimethylaminurie gestoßen. Das war alles ein Heidenkampf – auch mit der Krankenkasse“, erinnert sich die 36-Jährige. Erst als ihr Sohn anderthalb Jahre alt ist, herrscht endlich Gewissheit: Das Kind hat das Fischgeruch-Syndrom, sein ausgeschiedener Körpergeruch wird nie normal sein. „Die Geruchskrankheit führt dazu, dass Bennet rund 90 Prozent der Lebensmittel nicht essen darf. Sonst spielt der Stoffwechsel verrückt und er riecht unangenehm. Spontan mal im Urlaub ins Restaurant gehen? Das geht so gut wie gar nicht.“
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Was Bennet essen darf - und was nicht
Auf Bennets Speiseplan stehen stattdessen meist folgende Lebensmittel: Reis, Kartoffeln, Dinkelnudeln, selbst gebackenes Brot, Hähnchen und Pute sowie selbst gemachte Tomatensoße und bestimmte Gemüsesorten. Seine Mutter sagt: „Hülsenfrüchte, Kohl, Avocados oder rotes Fleisch landen nicht auf seinem Teller.“ Auch Fisch und Eier sind verboten, weil die Leber die Eiweiße nicht abbauen und spalten kann.
Doch: „Im Alltag hat er eigentlich keine Probleme damit, auch wenn er natürlich stark eingeschränkt ist. Ich bin vollkommen zufrieden damit, ihm sein spezielles Essen zuzubereiten. Aber mittlerweile merken wir, dass er sonntags schon vermehrt Interesse an unserem Frühstücks-Ei zeigt. Er bettelt dann regelrecht und möchte auch etwas abhaben. Doch das geht leider nicht.“ Auch ein leckeres Brötchen vom Bäcker darf der Sechsjährige aufgrund des darin enthaltenen Weizens nicht essen.
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"Es ist bereits vorgekommen, dass er nicht zum Kindergeburtstag eingeladen wurde"
Blöd wird es vor allem dann, wenn Bennet – der selbstverständlich nichts für seine Krankheit und die geruchsintensiven Folgen kann – Ausgrenzung erfährt. „Es ist bereits vorgekommen, dass er nicht zum Kindergeburtstag eingeladen wurde. Entweder weil er riecht oder weil es den anderen Eltern schlichtweg zu aufwändig und zu anstrengend war, Extra-Mahlzeiten für Bennet zuzubereiten.“ Seine Mutter, Marlies B., bereite die besondere Kost für ihren Sohn gerne zu: „Ich gebe ihm jetzt einfach selbstgekochtes oder gebackenes Essen mit, wenn ein Geburtstag ansteht, das ist kein Problem. Es ist ja klar, dass Bennet genauso teilnehmen dürfen soll wie alle anderen Kinder auch.“
Zum Glück seien aber nicht alle so, sagt die 36-Jährige weiter: „Es gibt auch viele Eltern, die wiederum sehr bedacht sind und sich und uns fragen: ‘Was können wir ihm Gutes tun, worauf müssen wir achten?’. Das freut uns immer ganz besonders.“ Auch im Kindergarten nehme man große Rücksicht auf Bennet, das Essen sei immer auf ihn abgestimmt. „Das ist wirklich ganz toll, da muss man an dieser Stelle auch mal ein großes Lob aussprechen.“
Auch als Bennets Vater, Patrick B., im November 2020 mit seinem Sohn in die Reha muss, sind alle Mitarbeiter sehr zuvorkommend, erklärt die fürsorgliche Mutter: „Die beiden haben eine Ernährungsberatung mitgemacht und sogar ein eigenes Kochbuch – extra für Bennet angefertigt – geschenkt bekommen. Alle waren total engagiert und haben sich intensiv gekümmert.“
Auch wenn es Bennet gut geht: Für die Zukunft ist einiges ungewiss
Dennoch stellt sich vor allem die Frage, was passiert, wenn das Kind in einigen Jahren die Pubertät erreicht: Wird sich sein Körpergeruch weiter verschlimmern? Wie werden die Mitschüler auf ihn und den etwaigen unangenehmen Geruch reagieren? Wird Bennet im schlimmsten Fall zur Zielscheibe für Mobbing-Angriffe und Hänseleien?
Die gesundheitliche Zukunft ist ungewiss: „Die Langzeitschäden sind noch nicht erforscht.“, sagt B. „Das einzige andere Kind, von dem wir wissen, dass es mit derselben Krankheit lebt, ist 16 Jahre alt und in Behandlung. Zu ihm haben wir jedoch keinen Kontakt. Wir wissen nicht, was noch passieren wird. Kommt es irgendwann zu Schäden an der Leber?“
Fischgeruch-Syndrom hat hohen Schamfaktor
Laut Bennets Mutter sei die ganze Krankheit natürlich sehr schambesetzt. „Bisher habe ich deswegen leider auch noch keine Gleichgesinnten gefunden, so etwas wie Selbsthilfegruppen gibt es nicht. Ich bin mir aber sicher, dass es eine hohe Dunkelziffer von Betroffenen gibt.“
Genau aus diesem Grund möchte Marlies B. der seltenen Erkrankung mehr Aufmerksamkeit schenken. „Ich arbeite selbst als Heilerziehungspflegerin in einem Klinikum, allerdings in einer Psychiatrie. Aber dennoch: Niemand kennt das Syndrom, an dem mein Sohn leidet! Ich würde mir einfach wünschen, dass sich andere Betroffene melden, damit man sich austauschen kann. Man ist nie allein.“ (iku)
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