Nach Kritik im Kreml-TV
Russischer Militärexperte rudert zurück - Chance auf Ukraine-Sieg doch "sehr große Übertreibung"

Er überraschte im russischen Staatsfernsehen mit einem propagandafeindlichen Statement: der Militärexperte Michail Chodarenok. Er sagte, dass knapp drei Monate nach Kriegsbeginn die ukrainische Armee weit von einem Zerfall entfernt sein könnte. Nun rudert er zurück.
Generalstabsoffizier spricht von Überraschung
Zu glauben, dass die Ukrainer einen Gegenangriff starten könnten, sei „eine große Übertreibung“, sagte der 68-Jährige am Mittwochabend in der russischen Sendung „60 Minuten“. Die Polit-Talkshow, die dieses Mal unter dem Titel „Erfolge der russischen Luft- und Weltraumstreitkräfte“ stand, war die gleiche, in der Chodarenok erst am Montag eben jene überraschende Aussage getätigt habe, die Ukraine stünde nicht vor dem Zerfall.
Weiterhin erklärte der ehemalige russische Generalstabsoffizier jetzt mit Blick auf die weiteren Ziele der russischen Armee: „Die Grundlage dafür ist da, dass die Realisierung dieser Vorhaben die ukrainische Seite in nächster Zeit unangenehm überraschen wird.“ Moderatorin Olga Skabejewa, die Chodarenok in der letzten Sendung immer wieder sichtlich unzufrieden ins Wort gefallen war, ließ ihn dieses Mal mehrere Minuten lang ohne Unterbrechung ausreden.
Gesetz gegen "Falschnachrichten"
Hatte Chodarenok zuletzt noch den starken Kampfeswillen der ukrainischen Soldaten und ihre Aufrüstung durch den Westen hervorgehoben, so betonte er nun, dass Russlands Streitkräfte ausländische Waffen gezielt aufspürten und zerstörten. „Bald wird von den amerikanischen Haubitzen nur noch die Erinnerung übrig sein“, sagte er. Diese Worte blendete die Redaktion später in der Sendung noch einmal als große Zitattafel ein.
Die Sendungen des russischen Staatsfernsehens gelten als Sprachrohr des Kreml. Kritische Meinungen sind öffentlich weitgehend ausgeschaltet. Ein recht neues Gesetz sieht zudem für angebliche „Falschnachrichten“ über Russlands Streitkräfte bis zu 15 Jahre Haft vor.
Im Video: Experte sprach von "Info-Beruhigungstabletten"
Umso erstaunter waren viele Zuschauer Anfang der Woche, als sie Chodarenok im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg über „Info-Beruhigungstabletten“ in russischen Medien sprechen hörten und darüber, „dass die ganze Welt gegen uns ist“. Woher der plötzliche Sinneswandel des Militärexperten kommt, bleibt reine Spekulation. (dpa, eon)