Prozess um Polizistenmord bei Kusel
Angeklagter Andreas S. behauptet: Komplize Florian V. hat auch geschossen
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von Sebastian Stöckmann, Larissa Hofmann und Jakob Paßlick
Der Mord an den Polizisten Yasmin B. (24) und Alexander K. (29) bei Kusel im Januar sorgte deutschlandweit für Entsetzen. Der mutmaßliche Täter Andreas S. soll mit den kaltblütigen Morden versucht haben, seine Jagdwilderei zu verdecken. Am Dienstag begann vor dem Landgericht Kaiserslautern der Prozess gegen den 39-Jährigen sowie seinen mutmaßlichen Komplizen Florian V. (33) – mit einer überraschenden Einlassung: Andreas S. beschuldigte den 33-Jährigen, ebenfalls auf die Polizisten geschossen zu haben. Er selbst will aus Notwehr gehandelt haben.
Psychospielchen bei Prozess um Polizistenmord bei Kusel
Schon bevor es losgeht, kommt es im Verhandlungssaal zu einem Scharmützel um die Sitzplätze: Florian V. beanstandet die Tische– seiner sei kleiner als die anderen. "Außerdem wollte sein Anwalt Christian Kessler, dass die Angeklagten nicht zu nah beieinandersitzen. Offenbar ein Psychospielchen – er möchte seinen Mandanten ganz klar von der Tat abgrenzen", berichten die RTL-Reporter Larissa Hofmann und Jakob Paßlick aus Kaiserslautern.
Angeklagter Andreas S. will aus Notwehr geschossen haben
Deutlich mehr Sprengstoff bietet das, was Kessler und sein Mandant anschließend zu hören bekommen. Denn Andreas S. behauptet in einer Erklärung, die sein Anwalt verliest, in Wirklichkeit habe Florian V. auf die Polizisten geschossen. Als die Beamten am Heck des Autos der beiden Angeklagten standen, will der 39-Jährige Schüsse gehört haben. Dann habe er – selbst noch im Wagen sitzend – Florian V. neben dem Auto mit einer Schrotflinte in der Hand gesehen.
Er sei perplex gewesen und habe dann aus Angst auch geschossen, heißt es in Andreas S.' Erklärung. In der Dunkelheit habe er nichts gesehen und die Polizisten nicht treffen wollen – es sei Notwehr gewesen.
Florian V. und sein Anwalt reagieren auf die Einlassung mit wiederholtem Kopfschütteln. "Beruhige dich", sagt Christian Kessler zu seinem Mandanten. Und weist die Darstellung des 39-Jährigen als unzutreffend zurück: Sie sei "vorhersehbar".
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Andreas S. ist des Mordes angeklagt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er in der Tatnacht mit seinem Komplizen Florian V. zur Jagdwilderei in der Westpfalz unterwegs war. Die beiden Polizisten, die in einem Zivilfahrzeug Streife fuhren, machte der geparkte Kastenwagen am Rand einer Kreisstraße stutzig. Sie stiegen zur Kontrolle aus.
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Polizist setzte bei Polizeikontrolle Notruf ab: „Die schießen!“
Überraschend, so die Anklagebehörde, habe der 39-Jährige dann einen Schuss aus der Flinte „aus kurzer Entfernung auf den Kopf“ der Polizeianwärterin abgegeben. Die Frau stürzte schwer verletzt und bewusstlos auf die Straße. Danach soll der Angeklagte zunächst mit der Flinte, dann mit einem Jagdgewehr auf den Polizeikommissar geschossen haben. Der 29-Jährige schoss zurück, ohne den Angreifer zu treffen. Er setzte einen Notruf ab und rief „Die schießen!“
Schließlich habe der Angeklagte den Polizisten mit mehreren Schüssen schwer verletzt und am Ende tödlich am Kopf getroffen. Als Andreas S. gemerkt habe, dass die junge Polizistin noch lebt, habe er mit der Flinte einen weiteren Schuss auf den Kopf der jungen Frau abgegeben, hieß es. Die beiden Verdächtigen flohen demnach und wurden am nächsten Tag im nahen Saarland festgenommen.
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Dem 39-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft unter anderem zwei Morde vor, „aus Habgier und um eine Straftat zu verdecken“. Florian V. wirft sie unter anderem versuchte Strafvereitelung vor. Er habe beim Verwischen der Spuren geholfen. Zudem werden beide der gemeinschaftlichen nächtlichen Jagdwilderei beschuldigt. Psychiatrische Gutachten ergaben keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit.
In den Fokus der Ermittlungen geriet schon früh die Vergangenheit des 39-Jährigen. Er war den Behörden unter anderem wegen des Verdachts der Jagdwilderei aufgefallen. Seit April 2020 durfte er Waffen weder besitzen noch kaufen oder leihen, hatten die Behörden mitgeteilt. Auch einen Jagdschein habe Andreas S. nur bis Ende März 2020 besessen.
Den Ermittlungen zufolge könnte die Ehefrau dem Angeklagten geholfen haben. Sie habe die Flinte 2021 gekauft sowie das Gewehr in einem Waffengeschäft im Saarland erworben und die Waffen legal besessen. „Die näheren Umstände, wie der 39-Jährige in den Besitz der Tatwaffen kam, sind Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern gegen die Ehefrau wegen fahrlässiger Tötung und Verstoßes gegen das Waffengesetz“, hieß es. Die mutmaßlichen Tatwaffen waren im Saarland sichergestellt worden.
Der Prozess soll am Montag fortgesetzt werden. Bis zum 9. September sind 14 Termine angesetzt. (dpa, bst, jda)