Hollie Dance im InterviewMutter des hirntoten Archie Battersbee (12): "Ich habe eine Menge Angst hier in meiner Brust"
Es ist und bleibt „eine emotionale Achterbahnfahrt“ der Gefühle: Hinter Hollie Dance liegen ein paar „sehr harte Monate“, und auch jetzt gehe der Stresspegel durch die Decke, wie die Mutter von Archie Battersbee (12) im „ENEX“-Interview erzählt. Ihr Sohn liegt seit April im Koma, wurde von den Ärzten für hirntot erklärt. Der Kampf vor Gericht, den sie gemeinsam mit ihrem Ex-Mann Paul Battersbee, Archies Vater, führt, geht heute, am 2. August, in eine letzte Runde. Heute entscheidet sich, ob Archie leben darf oder sterben muss.
Gestern fand eine letzte Last-Minute-Gerichtsanhörung in London statt. Eines ist schon jetzt klar: Man mag sich nicht vorstellen, was Hollie Dance als Mutter durchmacht. Ihre Reaktion sehen Sie im Video.
"Ich habe eine Menge Angst hier in meiner Brust"

Für die Ärzte des Royal London Hospitals, die Archie Battersbee behandeln, steht schon seit Wochen fest: Der Zwölfjährige, der seit Monaten im Koma liegt, ist hirntot, weitere lebenserhaltende Behandlungen seien nicht in seinem Interesse. Die Maschinen, die den Jungen künstlich am Leben halten, sollten eigentlich bereits gestern, am 1. August, abgestellt werden. Eine Last-Minute-Gerichtsanhörung, die online stattfand, verhinderte dies jedoch.
Während der Anhörung erzählte Hollie Dance gegenüber „ENEX“, was aktuell in ihr vorgeht: „Ich habe eine Menge Angst hier in meiner Brust. Es ist einfach so schrecklich.“ Sie fühle sich, als werden sie als Familie mit ihren eigenen Gefühlen alleine gelassen. Zudem ist sie sich sicher: „Wir wurden ungerecht behandelt“, sie hätte sich während der letzten Monate mehr Unterstützung gewünscht.
Hollie Dance kümmert sich rührend um ihren hirntoten Sohn Archie (12)
Die Mutter des hirntoten Archie erzählt, dass sie eine Routine entwickelt hat, die sie Tag für Tag mit ihrem Sohn durchgeht: „Er bekommt so viele Nachrichten und Videos. Viele professionelle Boxer senden ihm Sprachnotizen. Sie wissen, wir gehen das jeden Tag durch.“ Außerdem sorge sie dafür, dass sie dem Zwölfjährigen Kopfhörer aufsetzt, damit er Musik hören kann.
Und: Für sie sei es enorm wichtig, einfach für ihren Jungen da zu sein: „Ich war überrascht, wie schnell die Zeit vergeht, ohne wirklich viel zu tun und einfach nur mit ihm zu reden. Ich weiß nicht, einfach nur alltäglicher Smalltalk im Allgemeinen.“ Sie statte ihm Bericht, was sein Bruder und seine Schwester so machen, „es sind einfach normale Konversationen, die auch stattfinden würde, wäre Archie wach.“
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Last-Minute-Anhörung vom 1. August: "Archie stirbt langsam, aber sicher"

Das Berufungsgericht hat am Montagnachmittag gegen 17 Uhr deutscher Zeit die Entscheidung gefällt, dass die Maschinen am Dienstag (2. August 2022) um 12 Uhr britischer Zeit, also um 13 Uhr deutscher Zeit, abgestellt werden sollen. So sagte der Vorsitzende Richter: „Jeder Tag, an dem Archie weiter behandelt wird, geht gegen das, was für ihn am besten ist.“
Der Richter hat sich auch nochmal über weitere Möglichkeiten geäußert, in Berufung zu gehen. Wenn die Eltern sich noch mal an das höchste Gericht, den Supreme Court wenden wollen, dann könnten sie das tun. Der Anwalt hat den Antrag beim Berufungsgericht gestellt, das Gericht hat den Antrag jedoch abgelehnt. Der Anwalt der Eltern muss sich heute, am 2. August, direkt an den Supreme Court wenden und dort um Erlaubnis bitten.
Im Gerichtssaal äußerte sich der Anwalt von Archies Eltern kurz vor der Urteilsverkündung und sagte, dass Archie stabil sei, die Ärzte entgegnen jedoch, dass er das nicht sei – und seine Situation sich täglich verändern würde. Seine Organe würden aus ärztlicher Sicht nach und nach nicht mehr mitmachen. Deswegen erläutern die Ärzte, dass es nicht das Beste für ihn sei, ihn am Leben zu halten, denn sie gehen davon aus, dass er sehr langsam, aber sicher sterben wird.
Was ist mit Archie Battersbee passiert?
Warum genau Archie Battersbee überhaupt ins Koma gefallen ist, weiß niemand genau. Am 7. April fand ihn seine Mutter mit einer Binde um den Hals vor. Sie vermutet, dass der Junge an einer trendenden Online-Challenge teilgenommen und sich – vielleicht unbewusst – selbst verletzt habe.
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Seine Eltern kämpfen seitdem vor Gericht für ihn: Nach einem Gerichtsurteil des britischen High Court Mitte Juli sollten die Maschinen, die ihn am Leben erhalten, abgestellt werden. Hollie Dance und Paul Battersbee gingen jedoch vor das Londoner Berufungsgericht, um Einspruch einzulegen – doch ohne Erfolg. Erst Ende Juli hatten drei Berufungsrichter ihr finales Urteil abgegeben und entschieden, dass die Ärzte die lebenserhaltenden Maßnahmen des hirntoten Jungen rechtmäßig beenden dürfen. (swi/vdü)