„Können nicht glauben, was passiert ist“

Kleinkind (1) stirbt an Pneumokokken-Meningitis! Mutter kämpft für neue Impfung

Familie Schneider
Familie Schneider hat im August 2022 ihre Tochter (1) verloren.
Privat

Das Schlimmste, was Eltern passieren kann, musste Familie Schneider aus Bonn im Juli 2022 erleben: Ihre Tochter Linda ist gerade einmal 19 Monate alt, als sie plötzlich an einer Pneumokokken-Meningitis erkrankt. Innerhalb von zwei Tagen verschlechtert sich ihr Zustand dramatisch, am 7. August 2022 stirbt das Mädchen in der Bonner Uniklinik an einer Sepsis.
Besonders tragisch: Linda war gegen Pneumokokken geimpft, doch der Bakterienstamm, mit dem sie sich infiziert hatte, ist in den aktuell verfügbaren Impfungen nicht enthalten. Mama Irina Schneider lässt nicht locker, steht mit Behörden in Kontakt und hat sich auch bei RTL gemeldet, um darauf aufmerksam zu machen, dass ein weiterer wichtiger Kinder-Impfstoff auf dem Markt immer noch fehlt.
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Kind (1) infiziert sich mit Pneumokokken und bekommt Meningitis

Die Bilder zu den Schicksalstagen ihrer Tochter hat Irina Schneider (41) noch im Kopf, sie werden sie wohl nie wieder loslassen. Was sich im Juli letzten Jahres zugetragen hat, ist für sie immer noch unbegreiflich. „In dieser Zeit zahnte meine Tochter gerade, deswegen habe ich mich zuerst nicht gewundert, als es ihr plötzlich nicht gut ging“, erinnert sich Irina Schneider im RTL-Interview an jene Tage im vergangene Sommer.

Als Linda dann Fieber bekommt und es ihr nach zwei Tagen schlechter geht, fährt die Familie zur Sicherheit ins Krankenhaus. „Die Ärzte wussten schnell, dass es wahrscheinlich die Pneumokokken waren. Meine Tochter hatte die klassische Nackensteife und wurde sofort mit Antibiotika behandelt“, schildert die Mutter.

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Pneumokokken sind Bakterien, die schwere Infektionen verursachen können. Säuglingen, Kleinkindern und älteren Menschen können sie besonders gefährlich werden. Die Bakterien können sich nach einer Tröpfcheninfektion im Nasen- oder Rachenraum, oder in der Lunge ansiedeln. Sie können auch in die Ohren gelangen und eine Mittelohrentzündung auslösen. In der Folge kann es zu einer Hirnhautentzündung kommen, genau das ist bei Linda passiert.

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Linda Schneider
Linda (1) ist im Sommer 2022 schwer erkrankt und schließlich verstorben.
Privat

Linda (1) liegt mit Pneumokokken-Meningitis in Klinik – dann wird sie für hirntot erklärt

Mama Irina Schneider bleibt die ganze Zeit bei ihrem Kind. Am 31. Juli 2022 gegen 3 Uhr verschlechtert sich der Zustand von Linda rapide. Am frühen Morgen stellen die Ärzte eine Sepsis, also eine Blutvergiftung bei Linda fest, müssen das Kind intubieren. Gegen 7 Uhr morgens muss Linda wiederbelebt werden. Bei einer Sepsis nimmt das Krankheitsgefühl rasch zu und der Zustand kann sich innerhalb weniger Stunden sehr schnell verschlechtern.

„Meine Tochter wurde dann in die Uniklinik Bonn überwiesen, wo die Ärzte sieben Tage versucht haben, noch etwas zu retten. Doch sie wurde schließlich für hirntot erklärt. Wir können bis heute nicht glauben, was passiert ist“, schildert die Mutter die dramatischen Ereignisse.

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Doc Esser: „Das große Problem ist, dass Pneumokokken extrem viele Bakterien-Unterarten haben“

„Wir haben danach mit vielen Ärzten gesprochen und alle sind ratlos. Doch sie haben uns auch gesagt, dass solche Fälle häufiger vorkommen und sich meine Tochter mit einem Bakterien-Stamm der Pneumokokken infiziert hat, vor dem sie ihre Impfung nicht schützen konnte“, so Schneider. Laut des Arztberichts der Bonner Uniklinik steckte sich Linda mit dem „selten vorkommenden Serotyp 15 C an.“

Das lässt Irina Schneider hellhörig werden. Die Mutter schreibt Gesundheitsämter und andere Behörden an, fragte nach, warum es noch keinen Impfstoff dagegen gibt. Bislang ohne Erfolg. Kinder in den ersten beiden Lebensjahren sind besonders gefährdet, schwer an einer Pneumokokken-Infektion zu erkranken. Daher gilt für diese Altersgruppe die allgemeine Empfehlung zur Impfung. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Pneumokokken-Impfung für alle Säuglinge ab dem Alter von zwei Monaten.

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Doch warum ist die Bakterien-Unterart, mit der sich Linda infizierte, noch nicht in einer der Kinder-Impfungen gegen die Pneumokokken enthalten?

„Das große Problem ist, dass es bei den Pneumokokken extrem viele Bakterien-Unterarten gibt und bisher 26 in den verfügbaren Impfstoffen abgebildet sind. Damit werden aktuell zwar 96 Prozent aller schweren Verläufe verhindert, aber vier Prozent haben dennoch einen schrecklichen Krankheitsverlauf“,erklärt Lungenfacharzt Dr. Heinz-Wilhelm Esser, auch als „Doc Esser“ bekannt.

Pneumokokken-Meningitis: 2021 sind elf Kinder und Jugendliche gestorben

ILLUSTRATION - Ein Hausarzt fuellt am 06.11.2022 in Flensburg in einem Sprechzimmer seiner Praxis einen Impfausweis aus (gestellte Szene). Foto: Benjamin Nolte
Die Pneumokokken-Impfung wird von der STIKO im Säuglingsalter empfohlen.
dpa-tmn

Auf RTL-Anfrage äußert sich auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. zum Fall. Es werde fortlaufend an weiteren Impfstoffen gearbeitet. Aber: „Ob dies tatsächlich jegliche Sepsis vermeiden kann, die entweder durch die inkludierten oder aber auch durch ganz andere Bakterien-Untergruppen ausgelöst wird, muss man jedoch bezweifeln. Es wird immer wieder tragische Einzelfälle geben. (..)“, erklärt Pressesprecher Jakob Maske.

Laut den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts sind 2021 insgesamt 13 Personen an einer Pneumokokken-Meningitis verstorben – davon elf Kinder und Jugendliche. Vier Jugendliche waren noch unter 15 Jahre alt, vier Todesopfer waren unter fünf Jahre alt, und drei sogar noch Säuglinge. Fakt ist also: Diese tragischen Fälle kommen vor. Wird es also neue Pneumokokken-Impfungen für Kinder geben?

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Pneumokokken-Impfung: Pharmariese Pfizer testet neuen Kinder-Impfstoff

Das Paul-Ehrlich-Institut antwortet auf RTL-Anfrage, dass zum Beispiel der Pharmariese Pfizer kürzlich den Impfstoff „Apexxnar“ gegen die seltenere Pneumokokken-Art auf den Markt gebracht hat – allerdings für Erwachsene ab 18 Jahren.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) erklärt dazu, dass Pfizer das Vakzin auch für Kinder ab 15 Monaten entwickelt hat, jedoch aktuell noch Patienten-Studien durchgeführt werden. Der Impfstoff wird gerade in Phase III getestet. „Wenn die Ergebnisse gut sind, kann Pfizer eine entsprechende Zulassungserweiterung beantragen“, erklärt VfA-Sprecher Rolf Hömke dazu.

Ein kalifornisches Unternehmen namens Vaxcyte testet gerade Impfstoffe gegen mehrere der Pneumokokken-Unterarten und ebenso die US-Pharma-Firma MSD. „Bislang gibt es aber keine Studien mit Minderjährigen, auch keine Ankündigung dafür“, erklärt der Sprecher weiter. Lindas Mutter hofft also vor allem auf gute Studienergebnisse von Pfizer, damit der Impfstoff zugelassen werden kann. Bis dahin will sie weiterhin Eltern dafür sensibilisieren, ihre Kinder mit einem der vorhandenen Pneumokokken-Impfstoffe impfen zu lassen.