Morddrohungen und Hasskommentare auf TikTok und Instagram

Lena Jensen kämpft gegen Kindesmissbrauch: Ex-Vize Miss Germany war selbst jahrelang Opfer

Die Vize-Miss-Germany Lena Jensen hält auch Vorträge zum Thema Kindesmissbrauch.
Die Vize-Miss-Germany Lena Jensen hält auch Vorträge zum Thema Kindesmissbrauch
Magnus Arrevad, World Childhood Foundation
von Nicole Ide

Sie war selbst Opfer von jahrelangem Missbrauch in ihrem näheren Umfeld: Lena Jensen, ehemalige Vize-Miss Germany. Jetzt rüttelt die 30-Jährige auf ihren Social Media-Kanälen über sexuellen Missbrauch von Kindern wach. Viele Betroffene kommentieren ihre Posts, aber sie bekommt auch Hasskommentare und Morddrohungen.

„Geh sterben!“

„Bist du gekommen?“, „Ich bring dich um, wenn du weiter machst.“, „Hast du wenigstens Kohle bekommen?“ oder „Geh sterben!“ – all das sind Kommentare, mit denen Lena Jensen auf ihren Social Media-Kanälen zu kämpfen hat. „Bei TikTok ist es am extremsten“, sagt die Hamburgerin beim Interview mit RTL: „Das fand ich so krass“.

Ihre Botschaft auf Instagram lautet beispielsweise: "Wir brauchen mehr Sichtbarkeit und Aufklärung für das Thema Kindesmi*s*rauch! Nicht die Kinder sollen nachts im Bett liegen und Angst haben, sondern die Täter*innen!"

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Als Kind im nahen Umfeld missbraucht

Vor zwei Jahren ging die 30-jährige Finanzberaterin mit ihrer ganz persönlichen Geschichte an die Öffentlichkeit, während sie sich um den Titel zur Miss Germany bewarb. Sie berichtete, dass sie als Kind jahrelang sexuell missbraucht und dabei gefilmt wurde. Sie erlitt ein schweres Trauma und musste jahrelang um Gerechtigkeit kämpfen. Nie zuvor hatte sie mit Freunden darüber gesprochen. Aber der Schritt in die Öffentlichkeit war für Lena Jensen ein Befreiungsschlag: „Ich habe mich das erste Mal ganz und frei gefühlt.“

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Lena Jensen: Kindesmissbrauch für möglich halten

Seitdem klärt sie auf. Ihre Motivation: „Ich wünsche mir, dass die Leute die Scheuklappen ablegen und Kindesmissbrauch für möglich halten.“ Auf Instagram, TikTok und Facebook bekommt sie viel Zuspruch, aber eben auch Hass. „Am Anfang habe ich echt an mir gezweifelt und habe nachgedacht, wie kann ich mich verändern“, sagt Lena Jensen. „Irgendwann ist mir dann bewusst geworden, dass ich lernen muss, mich davon abzugrenzen.“

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HateAid hilft bei Hass im Netz

Josephine Ballon arbeitet seit 2019 für HateAid. Die Organisation bietet Betroffenen von digitaler Gewalt eine Anlaufstelle.
Josephine Ballon arbeitet seit 2019 für HateAid. Die Organisation bietet Betroffenen von digitaler Gewalt eine Anlaufstelle.
HateAid

Lena Jensen beschließt, diese Hassbotschaften nicht zu löschen. „Viele Kommentare sind noch da. Einige haben ihre Kommentare selbst gelöscht, als ich diese in meinen Accounts zum Thema gemacht habe“, erklärt sie.

Die Organisation HateAid hat Lena geholfen, mit Hass-Kommentaren besser umzugehen. HateAid wird vom Bundesfamilienministerium gefördert. „Am Anfang steht erstmal das persönliche Gespräch. Wir nehmen die Leute ernst“, sagt Josephine Ballon, Leiterin Recht bei HateAid auf Anfrage von RTL. „Das ist eine Gewalterfahrung, die die Betroffen gemacht haben. Das wird von der Gesellschaft oft nicht so anerkannt.“ Digitale Gewalt sei oft auch strafrechtlich relevant. „Wir unterstützen bei Löschanfragen oder bei der Beweissicherung“, erklärt Ballon.

Hasskommentare sollten angezeigt werden

Jetzt weiß Lena Jensen was ihre Rechte sind. „Ich weiß auch, wie man einen rechtssicheren Screenshot macht“, sagt sie. Allerdings habe sie bisher noch nichts bei der Polizei angezeigt, „weil ich sehr unsicher war, ob das Bestand hat“. Josephine Ballon rät aber dringend dazu, sich bei der Polizei zu melden. „Wenn man anzeigt, hat man wenigstens eine Chance, den Täter zu finden, sonst nicht.“ Denn nur so würden auch die Behörden auf dieses Thema sensibilisiert.

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Gegen Hate Speech positionieren

Auch die Polizei rät in jedem Fall Strafanzeige zu erstatten. „Notieren Sie die Internetadresse (URL) des Inhalts und vom Profil der Urheberin oder des Urhebers sowie den Zeitpunkt der Einstellung des Hasspostings. Sichern Sie Beweise durch Screenshots und speichern Sie Chatverläufe“, erklärt Florian Appenseth von der Hamburger Polizei auf Anfrage von RTL. Und er hat eine Bitte: „Unterstützen Sie Betroffene, indem Sie sich im Internet eindeutig gegen Hate Speech positionieren. Diese Haltung signalisiert Betroffenen: ,Du bist nicht allein!’ und könnte auch andere Personen ermutigen, Hate Speech offen zu verurteilen.“

Hate Speech: Psychische Gewalt

Über vier Jahre wurde Lena Jensen mehrfach sexuell misshandelt.
Über vier Jahre wurde Lena Jensen mehrfach sexuell misshandelt.
RTL Nord

Das war auch für Lena Jensen eine große Stütze. „Ganz viele haben sich auf meine Seite gestellt und mich verteidigt. Das gibt mir Kraft“, sagt sie. Und die 30-Jährige lässt sich durch diese psychische Gewalt, die ihr im Netz entgegenschlägt, nicht stoppen. Sie postet weiter gegen Kindesmissbrauch, war im vergangenen November beim RTL-Spendenmarathon zu Gunsten der RTL-Stiftung „Wir helfen Kindern“.

Die ehemalige Vize-Miss-Germany hält Vorträge, damit das Thema Kindesmissbrauch Raum bekommt und diskutiert wird. Ihr Motto: „Da wo die Angst ist, ist der Weg.“ Denn Lena Jensen will sich von der Angst befreien und sich nicht von der Angst unterkriegen lassen.