Rattengift im Knoblauchdip

Er soll drei Menschen vergiftet haben: Angeklagter sitzt wie schmollendes Kind vor Gericht

Er steht zum zweiten Mal vor Gericht, die erste Hauptverhandlung wurde wegen der Erkrankung einer Richterin ausgesetzt und musste neu beginnen.
Er steht zum zweiten Mal vor Gericht, die erste Hauptverhandlung wurde wegen der Erkrankung einer Richterin ausgesetzt und musste neu beginnen.
RTL Nord
von Johanna Kroke und Merle Upmann-Schiller

Immer wieder schaut Marcus H. nach unten auf seine Hände.
Während die Plädoyers verlesen werden, zieht der Stargeiger die Mundwinkel nach unten. Was in dem Mann vorgeht, ist nur schwer zu deuten. Er soll versucht haben, seine 93-jährige Mutter und zwei Musiker-Kollegen mit Rattengift zu töten. Vor dem Landgericht Hannover fordert die Verteidigung am Freitag dennoch seinen Freispruch.

Gutachter sieht Wiederholungsgefahr bei Angeklagtem

Seine Wirkung nach außen sei Marcus H. sehr wichtig, erklärt Chefarzt Christian Wiedemann in seinem medizinischen Gutachten. Bevor am Landgericht Hannover die Plädoyers verlesen werden, ordnet der Mediziner den ansonsten verschlossenen Musiker ein. Der 62-Jährige achte sehr darauf, unauffällig zu sein. Ihm gegenüber habe sich der Musiker als leistungsorientiert beschrieben, erklärt Wiedemann. „Man kann sich über Allgemeinheiten austauschen, aber kommt man zum Kern, dann baut er große Mauern auf.“

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Das medizinische Gutachten hält kein schweres psychisches Krankheitsbild fest. Dennoch bestehe ein Risiko, dass Marcus H. erneut handle. „Auch wenn er sich ungefährlich gibt, es ist ungewöhnlich, dass er drei Menschen umbringen wollte“, meint Dr. Christian Wiedemann. „Wenn ich nicht weiß, warum Herr H. seine Mutter umbringen will, dann kann ich nicht wissen, wie gefährlich er ist.“

Im Video: Zu viel auf einmal - Mutter stirbt an Wasservergiftung

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Star-Geiger vor Gericht: Was wird ihm vorgeworfen?

Marcus H. soll im September 2022 seiner 93-jährige Mutter Rattengift ins Essen gemischt haben. Kurze Zeit später soll er dann auf einer Konzertreise zwei Orchesterkollegen einen Knoblauchdip gegeben haben, der auch mit Rattengift vermengt war. Alle drei erleiden eine Blutgerinnungsstörung, die zum Tod hätte führen können. Dem 62-Jährigen wird versuchter Mord vorgeworfen. Die Anklage sieht das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt.

Der 62-Jährige bestreitet die Vorwürfe. Er gab allerdings zu, das Rattengift besorgt zu haben, um seine Kollegen für bestimmte Zeit außer Gefecht zu setzen – nicht aber, um sie zu töten. Die Pläne habe der Mann aber aufgegeben, das Gift ungeöffnet entsorgt.

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Verteidigung sieht kein Motiv und keine Beweise

Marcus H. spricht vor der Verhandlung mit seinen Verteidigern.
Marcus H. spricht vor der Verhandlung mit seinen Verteidigern.
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Staatsanwaltschaft: „Tod billigend in Kauf genommen"

Doch das sieht die Staatsanwaltschaft Hannover anders. „Er hat danach gegoogelt“, plädiert die Anklage, „er wusste um die Wirkung.“ Der 62-Jährige habe das Rattengift bestellt und im Besitzt gehabt. Aufwendig, denn das Gift wird in Deutschland nicht frei verkauft. Nach der Tat soll er es im Müll entsorgt haben – die Beweise seien erdrücken. Während des Plädoyers hat Marcus H. seinen Blick nach unten gerichtet. Wie ein schmollendes Kind schaut er auf seine Hände. Nur ab und an sieht er zum Staatsanwalt auf.

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Im Laufe des Prozesses sei es nicht möglich gewesen, ein Motiv zu ermitteln, heißt es von den Verteidigern des Geigers. Alle Motive seien reine Spekulation, deshalb fordern sie für ihren Mandanten einen Freispruch und die Entlassung aus der Haft. Die Staatsanwaltschaft fordert für versuchten Mord in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren sowie das Veranlassen einer Sicherheitsverwahrung. Der Prozess wird am 23. Oktober fortgesetzt, dann könnte das Urteil gegen den 62-Jährigen fallen.