"Ich konnte seinen Anblick nicht ertragen"

Knoblauchdip mit tödlichem Rattengift - Star-Geiger soll Mutter und Orchesterkollegen vergiftet haben

Marcus H.  äußert sich vor Gericht. Seine Einlassung dauert mehr als eine Stunde.
Marcus H. äußert sich vor Gericht. Seine Einlassung dauert mehr als eine Stunde.
RTL
von Marian Rösner und Jessica Sander

„Ich habe Mordgedanken gehabt und mich über Gift informiert!“
Marcus H. soll seiner Mutter und zwei Orchesterkollegen Rattengift verabreicht und so ihren Tod in Kauf genommen haben. Dafür steht der Geiger des Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters vor Gericht. Heute hat sich der Angeklagte zum ersten Mal geäußert und spricht von Hass.

Die Probleme beginnen schon in der Jugend

Er wirkt ruhig und gefasst, als er seine Einlassung vorliest. Mehr als eine Stunde beschreibt er sein Leben und seine Schwierigkeiten, stellt sich immer wieder als Opfer da. In der Jugend habe er mit sexuellen Problemen zu kämpfen gehabt, die sich zu Psychischen entwickelt haben, so der 62-Jährige. Er habe immer wieder Suizidgedanken gehegt und es auch mal probiert. Doch der Versuch scheitert, so der Musiker. Er führt sein Leben weiter, lernt Geige und Klavier und studiert sogar Musik. Er spielt, wie er selbst sagt, bis 2015 erfolgreich im Orchester, arbeitet als 1. Konzertmeister. Dann soll sich die Situation dramatisch verschlechtert haben, erzählt Marcus H.

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Angeklagter hatte das erste Mal Mordgedanken

2015 wechselt der Chef, ein neuer Generalmusikdirektor kommt zum Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchester. Ab dem Zeitpunkt habe er wenig Freizeit gehabt und viel investieren müssen, so der 62-Jährige. Es folgen Stress und Schlafprobleme. Der Wunsch nach Arbeitsreduzierung sei ihm mehrfach abgelehnt wurden. Es kommt zu Auseinandersetzungen mit seinem Chef und einem anderen Musiker. Er habe sich gemobbt gefühlt, spricht sogar von einer Verschwörung. Die Suizidgedanken kommen zurück, dazu Panikattacken bei Konzerten.

Aus Verzweiflung habe er seine Stelle als 1. Konzertmeister 2019 aufgeben, so Marcus H. „Alles, was ich mir aufgebaut habe, wurde mir genommen. Ich habe das mit mir machen lassen, ich war zu schwach“, erzählt er weiter. Ein anderer nimmt seinen Platz ein. „Ich konnte den Anblick des russischen Kollegen nicht ertragen.“ Zum ersten Mal, so der 62-Jährige, habe er Mordgedanken gehabt.

Angeklagter hat Gift bestellt, bestreitet aber Mordversuche

Marcus H. wagt nach dem Sommerurlaub einen Neustart in dem Orchester. Doch der Hass auf den Kollegen sei geblieben, erzählt er. „Ich wollte ihn außer Gefecht setzen“, erinnert er sich. Er habe sich im Internet über Gift informiert, auch solches, das tödlich sein kann, so der 62-Jährige. Er lässt sich das Gift sogar schicken. Doch dann, so der Angeklagt, habe sein Gewissen eingesetzt. Er habe die Probe, ohne sie zu öffnen, entsorgt und nie wieder etwas damit zu tun gehabt.

Die Nachricht über die Vergiftung seiner Mutter und der anderen Musiker habe er mit voller Bestürzung aufgenommen, erzählt der 62-Jährige. „Ich hatte nichts mit den Anschlägen zu tun“, sagt er. Denn gerade zu seiner Mutter habe er immer ein liebevolles Verhältnis gehabt, mit tiefem Vertrauen. „Ich versichere, niemals meiner geliebten Mutter oder den beiden Freunden Gift gegeben zu haben, um sie töten zu wollen“, erzählt der Angeklagte weiter und schließ damit seine Einlassung ab.

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Star-Geiger vor Gericht: Was wird ihm vorgeworfen?

Marcus H. soll im September 2022 seiner 93-jährige Mutter Rattengift ins Essen gemischt haben. Kurze Zeit später soll er dann auf einer Konzertreise zwei Orchesterkollegen einen Knoblauchdip gegeben haben, der auch mit Rattengift vermengt war. Alle Drei erleiden eine Blutgerinnungsstörung, die zum Tod hätte führen können.

Dem 62-Jährigen wird versuchter Mord vorgeworfen. Die Anklage sieht das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt. Jetzt muss das Gericht entscheiden, ob Marcus H. seinen Mordgedanken vielleicht doch hat Taten folgen lassen.

Hier finden Sie Hilfe in schwierigen Situationen:

Sollten Sie selbst von Suizidgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend
Hilfe. Versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen! Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch die Möglichkeit, anonym mit anderen Menschen über Ihre Gedanken zu sprechen. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.
Wenn Sie schnell Hilfe brauchen, dann finden Sie unter der kostenlosen Telefon-Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 Menschen, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.