Turbulenzen, Kontrollverlust
Flugangst? Pilot und Flugangst-Coach verrät Tipps, die wirklich helfen!

„Man ist nicht allein.“
Rund ein Drittel aller Fluggäste steigt bereits mit einem unguten Gefühl ins Flugzeug. Das zeigt: Flugangst ist bei weitem kein seltenes Phänomen. Dennoch verspüren Betroffene häufig Scham wegen ihrer Angst. Die Folge: Sie kommunizieren sie nicht. Dass allerdings genau das Gegenteil ein effektives Hilfsmittel sein kann und welche weiteren Tipps bei Flugangst helfen können, verrät ein Pilot und Flugangst-Coach im RTL-Interview.
Flugangst: Was ist am Fliegen eigentlich so angsteinflößend?

Um zu wissen, welche Tipps gegen die eigene Flugangst (Aviophobie) helfen könnten, sollte man wissen, was diese Angst überhaupt auslöst. Denn: Flugangst ist nicht gleich Flugangst. „Die Bandbreite an Angst ist groß. Die Gründe sind unterschiedlich“, weiß Suk-Jae Kim. Er ist nicht nur seit 19 Jahren Pilot des Großraumflugzeugs Boeing 747 – auch bekannt als „der Jumbo“. Suk-Jae ist außerdem Flugangst-Coach und gibt auf Instagram als Cockpitbuddy hilfreiche Tipps gegen Flugangst. Er weiß also bestens, was Menschen am Fliegen so angsteinflößend finden und was gegen die Angst helfen kann.
Während die einen Angst vor Turbulenzen und einem Absturz haben, fürchten andere das Gefühl des Kontrollverlusts. Für beides gebe es Erste-Hilfe-Tipps, mit denen man den Ängsten entgegenwirken könne.
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Angst vor Absturz im Flugzeug: Wie gefährlich sind Turbulenzen?
Es wackelt, es rappelt, das Flugzeug „fällt“ in ein Loch – Turbulenzen. Vielen wird es dann angst und bange. Doch: „Turbulenzen sind nicht gefährlich“, betont Suk-Jae. Die Menschen würden aber hochsensibel auf die Bewegungen des Flugzeugs reagieren. Für Personen mit Flugangst ist „im Endeffekt jeder Wackler der gefühlte Tod. Sie warten darauf, dass sie abstürzen“, so der Pilot.
Was helfen könne zu verstehen, dass Turbulenzen nichts Schlimmes sind, sei der sogenannte Kaffeebecher-Trick. Ihr stellt einen mit Flüssigkeit befüllten Becher vor euch und beobachtet, was passiert. Trotz Turbulenzen schwappt das Getränk nur in seltenen Fällen über, geschweige denn, dass es umkippt. Zum einen lenke dieser Trick, sich auf den Becher zu konzentrieren, von den Angstgedanken ab, zum anderen hole er Passagiere ein Stück weit in die Realität zurück. „Das hilft den meisten Leuten.“
Aus seiner eigenen Erfahrung sagt Suk-Jae Kim: „In 19 Jahren habe ich noch nie schwere Turbulenzen gehabt. Bei mir ist auch mal etwas Kaffee übergeschwappt, vielleicht auch mal umgekippt, aber dass er an der Decke klebt, hat es bei mir noch nie gegeben.“
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Angst im Flugzeug: Probleme mit Kontrollverlust?
Andere Menschen haben hingegen ein großes Problem damit, den Piloten die volle Kontrolle zu überlassen. Menschen, die man noch nie gesehen hat. Doch: „Sobald man eine Person live gesehen hat, kann man sie besser einschätzen“, weiß der Coach.
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Daher rät er Betroffenen: „Rechtzeitig einsteigen.“ Der Grund: Man könnte dann nach Möglichkeit noch einen Blick ins Cockpit werfen und die Piloten kennenlernen. Je näher es allerdings an den Abflug geht, desto eingespannter seien sie und desto unwahrscheinlicher werde der Kennenlernbesuch.
Tipps gegen Flugangst: So könnt ihr eure Angstgedanken beruhigen
Ob Angst vor Turbulenzen, einem Absturz oder dem Kontrollverlust – eines haben all diese Ängste gemein: „Die Hauptursache ist eigentlich: Die Personen können mit den Angstgedanken nicht richtig umgehen.“ Es sei so: Die Angstgedanken übernehmen die Kontrolle im Kopf, entwickeln Szenarien und Vorstellungen, die mit der Realität nichts zu tun haben. „Die Angst ist zwar real, aber die Gefahr, die dahinter steckt, nicht.“ Wie kann man diese irreführenden Gedanken also beruhigen?
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Kommuniziert eure Angst: Sagt den Flugbegleitern Bescheid, dass ihr euch im Flugzeug unwohl fühlt. „Die können zwar kein Wundermittel verabreichen“, aber wenn der Service und das Fluggeschehen es zulässt, kümmern sie sich gerne um Betroffene.
Eignet euch Wissen an: „Oft haben die Leute viel Unwissen oder gefährliches Halbwissen“, sagt Suk-Jae. „Ich empfehle den Leuten daher, Wissen zu tanken.“ Zum Beispiel in Form von Podcasts. Dadurch würde das abstrakte Thema „Fliegen“ etwas nachvollziehbarer.
Baut vor dem Flug Stress ab: Dafür kann es hilfreich sein, Sport zu machen. Es reicht aber auch schon, sich am Terminal zu bewegen – „ein paar Mal zügig hin und her gehen“, das könne schon helfen, Stresshormone abzubauen.
Nutzt Noise-Cancelling-Kopfhörer: „Viele stören die Geräusche, weil sie sie nicht kennen“, weiß der Flugangst-Coach. Daher würden viele Menschen sensibel reagieren, malen sich Worst-Case-Szenarios aus.
Meditation oder 4x4-Atemtechnik: Die Beruhigungstechnik funktioniert so: Schaut auf den Tisch oder den Monitor vor euch. Umrandet ihn mit eurem Blick und atmet bei jeder Ecke vier Sekunden ein, haltet die Luft für vier Sekunden an und atmet vier Sekunden aus. „Wenn man 12- bis 16-mal tief ein- und ausgeatmet hat, dann beruhigt man sich automatisch. Weil der Geist dem Körper folgt.“
Medikamente und Mittel gegen Flugangst? Diese No-Gos solltet ihr vermeiden
Während es ein paar Dinge gibt, die ihr unbedingt machen solltet, um eure Flugangst zu bändigen, gibt es auch No-Gos, die ihr tunlichst vermeiden solltet. Der Grund: Sie könnten eure Flugangst nur noch verstärken. Dazu gehört:
Nicht googeln! Bei Flugangst gilt das Gleiche wie bei Krankheitssymptomen. Wer googelt, verschlimmert seinen Zustand nur. Daher gilt: „Nichts googeln. Nicht über die Airline, nicht über das Wetter, nicht über Flugzeugunfälle.“
Medikamente, Drogen, Alkohol, Koffein sind tabu! Dafür gebe es drei Gründe: „Erstens verstärkt das die Gefühle, die Angst.“ Außerdem mache man sich im Geiste abhängig und zu guter Letzt könne man im Ernstfall – zum Beispiel bei einer Evakuierung – zu einer Gefahr für alle anderen werden.