Quälende Tobsuchtsanfälle seit der Kindheit
"Exorzisten-Syndrom": Cameron (18) bedroht seine Liebsten - und kann nichts dafür
Ganz plötzlich über Nacht bekommt Cameron als Kind Tobsuchtsanfälle, als wäre er besessen. Zuerst weiß keiner warum, doch dann finden Ärzte heraus, dass es sich um eine seltene Krankheit handelt: Das so genannte "Exorzisten-Syndrom". Was das genau ist und wie gefährlich seine Anfälle für Cameron und seine Familie sind, sehen Sie im Video, das wir bereits 2016 mit Cameron gedreht haben.
Heute geht es dem mittlerweile 18-Jährigen dank besonderer Medikamente bedeutend besser – es gibt sogar ganz ausgezeichnete Neuigkeiten von dem tapferen jungen Mann!
Mit 11 Jahren ist Cameron "wie vom Teufel besessen"

Cameron Lindsay aus Nordirland ist noch ein Kind, als er von jetzt auf gleich fürchterliche Wutausbrüche und Tobsuchtsanfälle bekommt. Die sind teilweise so schlimm, dass er halluzinierte und wie wahnsinnig aggressiv wird – gegen sich selbst, aber auch gegen seine Familie.
An besseren Tagen ist Cameron sehr aufgekratzt und entwickelt merkwürdige Ticks. Aber in besonders schlimmen Phasen bricht er seiner Mutter Natasha einen Finger, schlägt ihr ein blaues Auge oder greift sogar zum Küchenmesser. Natasha, heute 45, erzählt der britischen Zeitung „Metro“, wie furchtbar es damals war: „Es war wie ein Erdbeben in Camerons Gehirn, das ihn dazu gebracht hat, sich zu verhalten, als wäre er vom Teufel besessen.“
Familie weiß sich nicht mehr zu helfen

Die Wutausbrüche werden immer schlimmer, sodass Cameron sogar mit dem Notarzt ins Krankenhaus muss – dort stellen die Ärzte eine Streptokokken-Infektion fest. Aber können die gefährlichen Bakterien die Ursache für Camerons aggressives Verhalten sein? Die Mediziner sind ratlos.
Wieder zu Hause gehen die Tobsuchtsanfälle weiter. Seine Mutter Natasha, die damals wie heute neben Cameron mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter zusammenlebt, sagt der „Metro“: „Als das alles damals anfing, wusste ich einfach nicht, wie das Ganze ausgehen würde.“ Die Monate nach der Diagnose muss Cameron immer wieder ins Krankenhaus, um seine Symptome in den Griff zu bekommen. Damals wird vermutet, Camerons Verhalten sei die Folge einer Scharlach-Infektion, die er als 10-Jähriger hatte – doch der Grund ist ein anderer.
Endlich eine Diagnose – es ist das Exorzisten-Syndrom!

Nach zwei quälenden Jahren finden die Ärzte schließlich heraus, an was Cameron so sehr leidet: Es ist das PANDAS-Syndrom (englische Abkürzung für „Pediatric Autoimmune Neuropsychiatric Disorders Associated with Streptococcal Infections“). Dabei handelt es sich um ein neuropsychiatrisches Syndrom, bei dem in Kindheit und Jugend nach Infektionen mit bestimmten Streptokokken schlagartig neuropsychiatrische Symptome einsetzen, wie zum Beispiel Halluzinationen und Wutausbrüche. Cameron hat die schlimmste Form von PANDAS, die auch das Exorzisten-Syndrom genannt wird, weil die Erkrankten völlig außer sich sind und nicht mehr wissen, was sie tun.
Die rettende Behandlung mit Medikamenten

Dann endlich, 2015, kann Cameron effektiv behandelt werden. Er bekommt eine Plasma-Therapie, die einer Dialyse ähnlich ist, sodass sich seine Symptome sehr stark verringern und fast ganz verschwinden. Dazu muss er starke Beruhigungsmittel nehmen.
Seit 2018 hat sich sein Zustand noch mehr verbessert, denn seitdem nimmt er eine Kombination aus einem Antipsychotikum und einem Medikament, das auch bei ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) eingesetzt wird. Außerdem bekam Cameron umfangreiche psychologische Hilfe, sodass er wieder lernte, richtig zu sprechen und zu gehen. Seine Mutter sagt: „Für mich war es von Anfang an wichtig, sanft und fürsorglich mit ihm umzugehen, das ist entscheidend.“
Nicht alles wird gut, aber so viel besser: Camerons Leben heute

Heute ist Cameron mit seinen 18 Jahren ein erwachsener junger Mann. Er hat manchmal noch Symptome, aber die sind mild, und auch Ausbrüche sind selten geworden. Cameron muss nicht mehr ins Krankenhaus, es hat sich alles eingependelt. Allerdings hat er nach wie vor auch schlechte Tage, an denen seine Stimmung kippt. „Jetzt ist er 1,80 Meter groß und wenn er schlecht drauf ist, kann das etwas beängstigend wirken“, so Mutter Natasha. Aber Cameron geht es so viel besser – von dem Menschen, der sich verhielt, als sei er vom Teufel besessen, ist er Lichtjahre entfernt.
„Seit etwa zweieinhalb Jahren haben wir wieder so etwas wie ein normales Familienleben. Cameron hat einen geregelten Tagesablauf und hat durch Privatunterricht mit Lehrern sehr viel erreicht.“, erzählt Mama Natasha der Zeitung „Metro“. Inzwischen hat Cameron sogar das Pendant zur mittleren Reife geschafft und arbeitet nun in seinem ersten Job überhaupt als Verkäufer in einem Supermarkt.
Cameron hat kaum noch Erinnerungen an früher
Mutter Natasha könnte nicht stolzer sein auf ihren Sohn: „Er strengt sich so dermaßen an, sich ein gutes Leben aufzubauen und ein ganz normaler junger Mann zu sein – das hat er ganz sicher erreicht.“
Und Cameron? Der, so sagt seine Mutter, hat oft ein schlechtes Gewissen, was er seine Familie unbewusst angetan hat, obwohl er ja gar nichts dafür kann. Außerdem ist er ziemlich schüchtern und sagt der „Metro“ nur: „Einer der Gründe, warum ich meine Mutter über meine Krankheit sprechen lasse und es selbst nicht tue, ist, dass ich mich an kaum etwas von damals erinnern kann, als es mir so schlecht ging.“
Die Wutausbrüche, die Aggression, die Tobsuchtsanfälle – all das liegt zum Glück hinter dem starken jungen Mann. „Nachdem wir das alles durchgestanden haben“, so seine Mutter, „kann uns so schnell nichts umhauen.“ (gha)