Nach Drohung mit NuklearwaffenKann Putin auf eigene Faust einen Atomkrieg beginnen?

Europa ist seit einigen Tagen maximal beunruhigt. Denn Kreml-Chef Wladimir Putin hat sein Atomwaffen-Arsenal in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen lassen. Aber kann er wirklich ganz allein einen Atomkrieg vom Zaun brechen? Experten halten das zumindest für unwahrscheinlich.
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Wie wird ein Atomschlag ausgelöst?

Natürlich braucht es für das Lostreten eines Atomkriegs vor allem eins: Atomsprengköpfe. Die lassen sich auf Raketen oder Bomber montieren und somit auch über längere Distanzen einsetzen. Russland verfügt aktuell über 6.255 Atomsprengköpfe, die teilweise an festen Orten stationiert sind und teilweise mobil – also an wechselnden Orten – untergebracht sind.

Aber auch wenn Putin über das größte Atomwaffenarsenal der Welt verfügt, kann er sie nicht so einfach im Alleingang zünden. Denn in Russland – wie auch in anderen Atommächten – gibt es eine dreistufige Befehlskette, die ein solcher Befehl durchlaufen muss.

  1. Der Präsident gibt per Code den Befehl zum Atomschlag

  2. Der Verteidigungsminister muss den Befehl mit einem dazu passenden Code bestätigen

  3. Der befehlshabende Offizier der Atomstreitkräfte muss den Befehl ebenfalls mit einem dazu passenden Code bestätigen

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In this video grab provided by RU-RTR Russian television via AP television on Thursday, March 1, 2018, Russia's new Sarmat intercontinental missile is shown at an undisclosed location in Russia. President Vladimir Putin declared Thursday that Russia has developed a range of new nuclear weapons, claiming they can't be intercepted by enemy. (RU-RTR Russian Television via AP)
Von einem solchen Militärfahrzeug kann eine Rakete mit Atomsprengkopf abgeschossen werden.
deutsche presse agentur

Die zusätzliche Sicherheitsstufe

Aber es gibt noch eine Hürde, wie Militärexperte Ralph Thiele, Oberst a.D. im RTL-Interview erklärt. Nach den obersten drei Instanzen gehen die Freigaben an die entsprechenden Abschusssysteme. Und auch die müssen noch einmal durch einen Prüfvorgang gehen, bevor eine Atomrakete wirklich abgefeuert wird „Es ist dann immer auch ein Daumen und ein Zeigefinger, der auch physisch etwas drücken muss.“

Das heißt: Auch diese zusätzliche Station, dieser zusätzliche Offizier, muss den Befehl erst ausführen und kann diesen natürlich auch verweigern – auch wenn es unter Umständen drastische persönliche Konsequenzen haben würde.

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Wo könnte Putin Atomwaffen einsetzen?

Bei dieser Frage sind sich quasi alle westlichen Experten einig. Putin will mit seinen Atomwaffen in erster Linie drohen. „Von einem Atomkrieg hätte Putin ja auch keinen Gewinn“, sagte beispielsweise der ehemalige Nato-General Hans-Lothar Domröse in der Talkshow „hart aber fair“. Auch Militärexperte Ralph Thiele bezweifelt im RTL-Interview, dass Putin in der Ukraine Atomwaffen einsetzen würde. „Die russische Armee ist so haushoch überlegen. Das macht keinen Sinn.“

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Atomwaffen-Expertin Marina Henke geht davon aus, dass Putin maximal so genannte „Taktische Atomwaffen“ einsetzen würde. Diese haben im Gegensatz zu „Strategischen Atomwaffen“ nicht das Ziel ganze Landstriche zu verwüsten, sondern maximal kleinere Ziele zu treffen oder bei einer Explosion in großer Höhe sämtliche elektronischen Geräte lahmzulegen. „In russischen Militärkreisen zirkuliert gerade eine Doktrin, die sagt ‘Um einen Krieg zu beenden, könnten wir diese taktischen Waffen einsetzen.’ Um zu sagen: ‘Wenn ihr so weitermacht, machen wir auf der nuklearen Ebene weiter’.“

"Einsatz sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich"

So beunruhigend das alles aber klingt, Atomwaffen-Expertin Henke räumt auch ein, dass ein Einsatz sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich sei. Bisher seien Atomwaffen immer nur genutzt worden, um Verhandlungen für sich zu entscheiden. „Allein die Idee, wir gehen jetzt in erhöhte Alarmbereitschaft oder (...) wir mobilisieren, wir machen sie scharf (alles Vorbereitungsstufen eines Atomwaffeneinsatzes, Anmerkung der Redaktion). All diese Signale wurden immer und immer wieder für Verhandlungen genutzt“, so Henke – beispielsweise in der Kuba-Krise oder bei der Berlin-Blockade. „Gezündet wurden sie bisher nie“, erklärt Henke.

Denn so verheerend ein atomarer Erstschlag auch wäre, Putin müsste mit einer vernichtenden Reaktion rechnen. Deshalb sagt auch die Atomwaffen-Expertin: „Ich bin fast zu 100 Prozent überzeugt, dass Putin sie nicht benutzen wird.“ (sst)

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