RTL-Krisenreporterin vor Ort im ersten Bezirk
Antonia Rados erlebte Wiener Terror hautnah: "Denen sah man an, was für eine Angst sie hatten"
Die langjährige RTL-Korrespondentin Antonia Rados hat den Anschlag mit vier Toten und mindestens 17 Verletzten in der Wiener Innenstadt hautnah miterlebt. Hier schildert die 67-Jährige ihre Eindrücke.
Straßen schon seit Wochen leer

„Es gab plötzlich über die Sozialen Medien, über WhatsApp Panik“, beschreibt sie die Situation. „Innerhalb von kürzester Zeit ist das eine Welle geworden, jeder hat jeden informiert. Ich bin dann hinaus gegangen, ich sah Gruppen von Menschen weglaufen. Einer der Schauplätze ist nicht sehr weit von hier entfernt.“ Menschen harrten in den Caféhäusern aus, die Hotels wurden zugesperrt. „Niemand wusste eigentlich, was passiert. Das ging so zwei, drei Stunden lang, dann beruhigte sich das etwas. Aber da die angeblichen Täter immer noch auf der Flucht waren, war eine Art Ausnahmezustand hier im ersten Bezirk.“
Wien beschreibt Rados als eine „Stadt der Seeligen“, als ein „Paradies in Europa“ mit einem großen Frieden und vielen touristischen Sehenswürdigkeiten. Wien habe nie im Fokus des Terrors gestanden, mit einem islamistisch motivierten Angriff habe man daher nicht gerechnet. „Vor vierzig Jahren gab es hier einen Terroranschlag, das war der letzte.“ Wie sehr der Terror die Stadt erschüttert hat, zeigt auch folgende eindringliche Szene, die Rados beschreibt. „Ich wurde von einer Gruppe Anti-Terroreinheiten kontrolliert. Denen sah man regelrecht an, was für eine Angst sie hatten.“ Rados habe sofort die Hände gehoben, sich als Reporterin zu erkennen gegeben, „Ich weiß, solche Situationen können außer Kontrolle geraten“, berichtet die 67-Jährige. „Sie wollten meinen Presseausweis sehen. Das war eine Minute lang angespannt. Sie trauten mir nicht, ich traute ihnen nicht.“
"Das ganze Land befindet sich in einem Schockzustand"
Der Anschlag hatte sich einen Tag vor dem von Kanzler Sebastian Kurz verordneten Corona-Lockdown ereignet. Ein Kalkül der Täter? „Schon seit Wochen beobachte ich, dass die Straßen leer sind.“ Am Abend zuvor, so mutmaßt Rados, hätten sicherlich einige Menschen die Chance genutzt, um vor dem Lockdown noch einmal auszugehen. Wien als Touristenmetropole stecke in zweierlei Hinsicht in einer tiefen Krise: „Die eine ist eine Gesundheitskrise, die andere ist eine Sicherheitskrise“, so die Reporterin. „Ich würde sagen, das ganze Land befindet sich in einem Schockzustand und ich glaube, dass Wien eine Stadt ist, die sehr lange brauchen wird, um wieder zurückzukehren zu einer Zeit vor diesem Terroranschlag und vor Covid.“
In der vergangene Nacht habe man das Coronavirus „zum ersten Mal seit Monaten vergessen“, sagt Rados. „Die Leute sind hier ohne Maske herumgegangen, ich sah Menschen in Caféhäusern festsitzen und ich glaube, niemand von denen hat an das Virus gedacht. Alle haben nur an den Terror gedacht.“
Antonia Rados war als Korrespondentin an vielen Brennpunkten der Welt im Einsatz. „Es ist schon interessant, wenn man als Krisenreporterin plötzlich den Kriegsschauplatz Wien hat“, erzählt sie. „Das ist sehr verunsichernd.“ Sie sei Montagabend in ihrer Funktion als Journalistin in den Straßen unterwegs gewesen, habe trotz ihrer einschlägigen Erfahrungen aus Krisengebieten ein sehr unangenehmes Gefühl gehabt. „Trotzdem glaube ich, für mich war es immer wichtig, mit den eigenen Augen zu sehen, was abläuft.“
"So etwas organisiert man nicht in fünf Minuten"
Laut Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sympathisierte der getötete Attentäter mit dem Islamischen Staat. Er hatte nordmazedonische Wurzeln und war einschlägig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischer Vereinigung vorbestraft. Dass er offenbar einer Gruppe von Tätern angehört habe, die laut Innenministerium sehr gut organisiert waren, „überrascht jeden“, erzählt die gebürtige Österreicherin. „Wir hatten ja in den vergangenen Jahren immer ein Muster von Einzeltätern beobachtet. Was vergangene Nacht hier in Wien geschehen ist, war offenbar doch eine recht gut vorbereitete und gut organisierte Aktion. Das Innenministerium wird sich sicher Fragen gefallen lassen müssen, wie es möglich war, das so etwas langfristig vorbereitet wurde.“ Zumal in Wien, einer Stadt, die sicherheitsmäßig sehr gut aufgestellt sei und die Terrorszene im Blick habe.
„Für uns alle ist Folgendes überraschend: Warum jetzt nach allen Jahren? Wie kommt es, dass der Islamische Staat wieder aktiv ist? Das wirft viele Fragen auf. Was läuft da im Hintergrund?“, so die RTL-Korrespondentin. „Ich glaube, das Zweite, was ihnen jeder Terror-Experte sofort sagen wird: So etwas organisiert man nicht in fünf Minuten – wie kann man in Österreich diese Waffen besorgen? Was ist da eigentlich vor sich gegangen im Hintergrund, ohne, dass die Behörden etwas davon gewusst haben.“
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Video: Augenzeuge schildert Terror von Wien
Nach dem Anschlag im Herzen von Wien stehen die Menschen unter Schock. So auch Florian Matthies, der das Attentat live miterlebte und im RTL-Interview erzählt, wie er die Situation wahrgenommen hat.
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