Betrunken ins Büro?

Alkohol-Exzess statt Feierabendbier: Immer mehr Berufstätige trinken regelmäßig

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Laut Zahlen der Kaufmännischen Krankenkasse ist das "Feierabendbierchen" bei vielen Arbeitnehmern zur Gewohnheit geworden.
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Hin und wieder mal ein Feierabendbierchen, dagegen ist doch nichts einzuwenden – oder? Laut einer aktuellen Studie der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) steigt der Alkoholkonsum bei Berufstätigen allerdings deutlich, und zwar bis zum Exzess. Rauschtrinken, Abhängigkeit und sogar Verhaltensstörungen aufgrund von Alkohol nehmen demnach zu.

Trinken als Stressabbau

Fast ein Drittel aller Angestellten trinken laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) mehrmals pro Woche Alkohol, fast zehn Prozent sogar täglich. Seit Beginn der Coronapandemie hat diese Gewohnheit nochmal deutlich zugelegt. Jeder neunte Angestellte sagt, dass er seitdem deutlich mehr Bier, Wein und auch hochprozentigen Alkohol trinkt.

Aber warum trinken gerade Berufstätige immer mehr Alkohol? Die meisten sagen laut der Umfrage sie wollen am Abend einfach besser vom Alltag abschalten können oder Stress abbauen. Für einige ist ein regelmäßiges alkoholisches Getränk inzwischen zur Gewohnheit geworden.

Laut Suchtexperten eine gefährliche Tendenz, denn aus Gewohnheit kann sich auch eine Sucht entwickeln. „Besonders in Krisenzeiten sind Rauschmittel eine Art Bewältigungsmechanismus, da sie entspannen, beruhigen und vermeintlich Ängste und Sorgen vertreiben. Besonders gefährdet sind Menschen, die bereits unter einer Alkoholsucht leiden oder dazu neigen“, sagt Michael Falkenstein von der KKH.

Wie oft in der Woche trinken Sie Alkohol?

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Immer mehr Berufstätige trinken exzessiv

Auch die Zahl der Alkoholkranken hat unter Berufstätigen laut einer Studie der KKH in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Die Zahl der Berufstätigen, die exzessiv Alkohol konsumieren, sei unter Versicherten um zwei Drittel gestiegen. Dazu zählen neben dem Rauschtrinken auch Abhängigkeit, Entzugserscheinungen und psychische Verhaltensstörungen aufgrund von Alkohol. Besonders gefährdet seien Menschen zwischen 35 und 39 Jahren. Bei ihnen stieg der exzessive Alkoholkonsum sogar um gut 88 Prozent an.

Insgesamt diagnostizierten Ärzte unter den 700.000 berufstätigen KKH-Versicherten im vergangenen Jahr demnach rund 8200 Patienten mit einer Alkoholsucht. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) sind fünf Prozent der Arbeitnehmer und bis zu zehn Prozent der Führungskräfte alkoholabhängig.

Krankschreibungen wegen übermäßigen Alkoholkonsum

Und auch für Arbeitgeber sind das keine guten Nachrichten. Denn mit steigendem Alkoholkonsum steigen auch die alkoholbedingten Krankschreibungen. Rund 38 Tage schrieben sich alkoholabhängige Angestellte im Jahr 2021 krank. Drei Jahre zuvor waren es nur rund 30 Tage. Nach Beginn der Coronapandemie war die Zahl der Krankheitstage durch Alkohol zunächst auf 41 Tage hochgeschnellt.

Suchtkranke Menschen entwickeln laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) häufig weitere Krankheiten und fallen daher öfter aus und seien im Schnitt weniger leistungsfähig als gesunde Kolleginnen und Kollegen. Übermäßiger Alkoholkonsum könne außerdem zu Konflikten am Arbeitsplatz führen.

Gefahr von Alkohol wird unterschätzt

„Die Gefahren durch Alkohol werden oft unterschätzt und erst dann als Problem wahrgenommen, wenn die Grenze zu Missbrauch und Abhängigkeit bereits überschritten ist“, warnt Suchtexperte Michael Falkenstein. „Wir unterscheiden häufig zwischen Weiß und Schwarz, nämlich den gelegentlichen Genusstrinker:innen und denjenigen, die bereits morgens Wodka in den Kaffee kippen. Es gibt aber noch einen riesigen Graubereich dazwischen.“

Viele Betroffene suchen sich laut Experten zu spät Hilfe. Scham und Realitätsverzerrung sind häufige Gründe. Führungskräfte und Kolleginnen und Kollegen können hier versuchen, behutsam erste Impulse zu geben, rät Falkenstein: „Keinesfalls sollte problematischer Konsum gedeckt und die Auswirkungen durch andere ausgeglichen werden.“ (jbr)

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Hier finden Sie Hilfe

Sollten Sie, eine Kollegin oder ein Kollege oder jemand, der Ihnen nahe steht, selbst betroffen sein, finden Sie an vielen Stellen Hilfe. Dazu gehören etwa Suchtberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen. Wir haben für Sie eine Liste von Anlaufstellen zusammengestellt.

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