Wenn die Justiz Kinder zwingt, Kinder zu bekommen13-Jährige muss nach Vergewaltigung Baby gebären - weil sie nicht abtreiben darf

Joel Martinez
"Mein Körper - meine Entscheidung" steht auf einem Plakat einer Demosntrantin in dden USA. In ihrem Land gilt das nicht uneingeschränkt
deutsche presse agentur

Ob diejenigen, die anderen das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper per Gesetz verweigern, jemals darüber nachdenken, wieviel Leid andere Menschen deswegen erfahren?
Im US-Bundesstaat Mississippi ist ein 13-jähriges Mädchen gegen seinen Willen Mutter geworden. Zuvor war das Kind schon gegen seinen Willen schwanger geworden - ein Fremder hatte es vergewaltigt. Eine Abtreibung in seinem Bundesstaat Mississippi ist verboten. Einen Schwangerschaftsabbruch in einem anderen US-Staat konnte sich die Familie nicht leisten, berichten US-Medien.

Familie kann sich Abtreibung in anderem Bundesstaat nicht leisten

Jose Luis Magana
Im Juni 2022 kippte der oberste US-Gerichtshof in einem Grundsatzurtei zu Abtreibungen das bestehende Recht von 1973
deutsche presse agentur

Die Geschichte der kleinen Ashley, so nennt sie das Magazine Time, ist nicht die erste ihrer Art und wird nicht die letzte bleiben, solange sich die Gesetzeslage in den Vereinigten Staaten nicht ändert. Seit das Oberste Gericht des Landes jahrzehntelang geltende Regeln gekippt hat, ist das Land ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in Sachen Schwangerschaftsabbruch.

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Wenn eine Familie wie die von Ashley in Mississippi lebt, ist der nächste Ort, an dem legal abgetrieben werden darf, womöglich tausende Kilometer entfernt. In Ashleys Fall hätte es eine Reise nach Chicago im Bundesstaat Illinois bedeutet. Eine neunstündige Autofahrt. Zu viel für ihre Mutter, die dafür kein Geld hat, von den Kosten der Tour und dem Verdienstausfall bei ihrer Arbeit ganz zu schweigen, schreibt das Time-Magazin.

13-Jährige wird ungewollt Mutter: "Kaum jemand weiß, dass Peanut existiert"

Überaus eindringlich beschreibt der Bericht, wie das 13-jährige Mädchen, das soeben Mutter geworden ist, bei Verwandten auf der Couch sitzt. „Ashley ist von ihrer Familie umgeben, aber niemand lächelt“, heißt es über einen Moment, der zu den schönsten im Leben einer Familie gehören könnte. Wenn die Umstände anders wären.

„Ashley wurde erst vor wenigen Stunden aus dem Krankenhaus entlassen, aber es gibt keine Babygeschenke oder Spielsachen im Zimmer, keine sichtbaren Windeln, Salben oder Fläschchen. Kaum jemand weiß, dass Peanut (so nennt die Familie laut dem Magazin das Baby) existiert, denn fast niemand wusste, dass Ashley schwanger war. Sie ist 13 Jahre alt. Bald kommt sie in die siebte Klasse.“

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Ashleys Mutter erfährt von der Schwangerschaft: „Ich bin zusammengebrochen“

Ihre Mutter Regina (wie alle Namen geändert) kommt in dem Time-Bericht ausführlich zu Wort. Sie berichtet, wie ihre Tochter im Herbst vergangenen Jahres im Hof vor ihrem Haus von einem Fremden vergewaltigt wird und niemandem davon erzählt. Sie beschreibt, wie ihre Tochter sich verändert, immer stiller wird, viel weint.

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Eines Tages im Januar muss sich Ashley so heftig übergeben, dass sie ins Krankenhaus kommt. Erst dort erfährt Regina, dass ihre Tochter schwanger ist. Sie ist entsetzt. „Ich bin zusammengebrochen“, sagt sie dem Magazin. Ärzte und Schwestern des Krankenhauses bestätigen dem Bericht zufolge, dass das Kind überhaupt nicht begreift, was mit ihm passiert, was eine Schwangerschaft bedeutet.

In vielen US-Staaten ist ein Schwangerschaftsabbruch nahezu unmöglich

Regina erkundigt sich, ob Ashleys Schwangerschaft abgebrochen worden könne. Antwort: ja, aber nicht hier, nicht im Bundesstaat Mississippi. Hätte sich das folgenschwere Verbrechen an ihrer Tochter einige Monate früher ereignet, wäre das beispielsweise in einer Abtreibungsklinik in Jackson (Mississippi) noch möglich gewesen, so der Time-Bericht. Auch hätte ein Abbruch im lediglich zwei Autostunden entfernten Memphis (Tennessee) durchgeführt werden können.

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Nun aber nicht mehr. Fast 50 Jahre lang galt in den USA das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung. Am 24. Juni 2022 kippt das Oberste Gericht des Landes mit seiner rechten Mehrheit dieses Recht. Seither liegt die Hoheit über die Gesetzgebung wieder bei den einzelnen Bundesstaaten. Inzwischen ist ein Abbruch in 14 Staaten nahezu unmöglich - in vielen anderen Staaten gibt es weitreichende Einschränkungen.

An Ashleys Schule soll niemand wissen, dass sie Mutter ist

Das führt dazu, dass Ashley jetzt mit gerade 13 Jahren Mutter ist. Ihre Mutter sagt dem Time-Magazin, dass sie für eine Abtreibung nach Chicago gemusst hätten. Regina hätte sich freinehmen müssen, Kosten für Benzin, Essen und eine Unterkunft für ein paar Nächte wären nicht zu stemmen gewesen. Ganz zu schweigen von den Kosten für den Eingriff selbst. „Für all das fehlt mir das Geld“, sagt sie dem Bericht zufolge.

Regina ist jetzt Großmutter, muss ihre Familie durchbringen. Mit einem Enkelkind, für das dessen Mutter noch nicht sorgen kann. Denn diese Mutter geht erst in die siebte Klasse. Nicht in einer Schule, denn sie möchte nicht, dass Klassenkameraden erfahren, dass sie ein Kind hat. Regina will mit der Schule regeln, dass ihre Tochter zuhause lernen kann.

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Auch wenn die Zukunft völlig ungewiss ist, gibt es zumindest eine Perspektive, so der Bericht. Ashley habe beschlossen, dass sie nach der Schule Krankenschwester werden möchte. „Um Menschen zu helfen.“ Ihr blieb die Hilfe, die sie vielleicht am dringendsten benötigt hätte, durch eine fragwürdige Gesetzgebung verwehrt.