Fünf Jahre nach Corona-Patient 1 in HamburgWas haben wir aus der Pandemie gelernt?

Lockdown, Maskenpflicht, Abstandsregeln.
Von einem Tag auf den anderen pausiert das Leben, wie wir es bis dahin kennen. Aber was bleibt, fünf Jahre nach dem ersten Fall? RTL hat mit drei Experten gesprochen, die während der Pandemie den Norden geprägt haben.
Plötzlich ist die Katastrophe da

Während Ende 2019 im chinesischen Wuhan die ersten schweren Corona-Infektionen bekannt werden, ahnt im Norden noch keiner, dass eine Pandemie bevorsteht. „Wir hatten eigentlich schon lang damit gerechnet, dass die nächste Pandemie kommen wird”, erinnert sich Dirk Fickenscher, Leiter Institut für Infektionsmedizin am UKSH, im Interview mit RTL. „Deswegen wurden Virologen auch schon lange Zeit belächelt, weil sie immer von einer Bedrohung reden, von einer Katastrophe reden, die immer nicht kommt.“
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Nach den ersten Todesfällen schließen am 16. März in Hamburg und Schleswig-Holstein Schulen und Kitas. In Clubs und Bars sind die Lichter aus. Einkaufen, nur noch im Supermarkt. FFP2-Masken, zu dem Zeitpunkt noch Mangelware. Der Virologe ist sich heute sicher: „Hätte man das Verfahren oder die Ausbreitung einfach so vor sich hin laufen lassen, hätten wir eine sehr, sehr große Menge von schwerst erkrankten und verstorbenen Personen riskiert.“
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„Wer entscheidet, trifft auch falsche Entscheidungen“

Zum ersten Mal in Hamburg wird Covid-19 am 28. Februar 2020 festgestellt. Ein Mitarbeiter am Kinder-UKE aus Henstedt-Ulzburg, wird nach einem Italien-Urlaub positiv getestet. Heiner Garg ist zu diesem Zeitpunkt Gesundheitsminister in Schleswig-Holstein. Innerhalb kürzester Zeit müssen Entscheidungen getroffen werden, um die Bevölkerung zu schützen. „Es war überhaupt keine Option, weil Menschen gestorben sind. Natürlich muss man entscheiden“, sagt Garg im Interview mit RTL und gesteht, „wer entscheidet, trifft auch falsche Entscheidungen.“
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Die Pandemie zeigt Probleme im deutschen Gesundheitswesen auf, über die lange hinweg gesehen wurde: Personalmangel, Missachtung von Hygienekonzepten und fehlende Ausstattung. „Corona war ein Brennglas für alles, was bei uns nicht funktioniert”, sagt der ehemalige Gesundheitsminister. Viel Vertrauen in die Politik sei dadurch kaputtgegangen. Es brauche daher eine Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen im Rahmen einer Enquete-Kommission im Bundestag. Das unterschreibt auch Dr. Dirk Heinrich.
Nie dagewesene Impfkampagne - die spaltet

Im Dezember 2020 wird der erste Corona-Impfstoff von Biontech in der EU zugelassen. Ein Meilenstein. Ende Dezember starten mobile Impfteams in Hamburger Pflegeheimen. Das zentrale Impfzentrum soll ab Januar die Erstimpfungen koordinieren. Dr. Dirk Heinrich ist als Leiter des Hamburg Impfzentrums plötzlich das Gesicht der Impfkampagne in Hamburg. „Ich werde den Tag nie vergessen, als der Impfstoff dann kam”, erzählt der HNO-Arzt im RTL-Interview. Zunächst ranken viele Sorgen um den komplizieren Impfstoff. Die Befürchtung die Lieferung könnte gestohlen oder sogar mit Waffengewalt entwendet werden, ist groß.
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Zeitweise ist die Medizin der Auffassung, dass eine Impfung vor einer Ansteckung schützt. Dies bewahrheitet sich nicht. Doch die Sterberaten in den Pflegeheimen gehen schlagartig runter. Das Impfzentrum in den Hamburger Messehallen impft in acht Monaten allein 600.000 Menschen. Rückblickend enttäuscht den Mediziner vor allem eins: „dass die sehr erfolgreichen Impfungen, nicht dazu geführt haben, dass die Impfmoral insgesamt in Deutschland gestiegen ist.“ Erschütternd, findet Heinrich, denn objektiv hätten die Impfungen unheimlich viel gebracht.
Solidarität im Norden
In Hamburg sterben 4.261 Menschen an oder mit Corona. In Schleswig-Holstein waren es 4.024 Menschen. Heute ist Händeschütteln wieder Alltag geworden, eine Maske tragen die Wenigsten. Gleichzeitig leiden Menschen an den Symptomen einer Long-Covid-Erkrankung. Das Virus scheint für viele Geschichte zu sein. Corona gibt es aber immer noch. Vor allem für Vorerkrankte und ältere ungeimpfte Menschen stellt das Virus ein großes Risiko dar, so Virologe Helmut Fickenscher. Auf Corona testen lassen, müsse sich heute aber niemand mehr. Dass nicht mehr Menschen gestorben sind, verdankt der Norden vor allen den Bürgerinnen und Bürgern, die sich solidarisch gezeigt haben.