Mit ihm kam die erste Welle ins RollenCorona-Patient eins packt aus

Corona-Isolierstation
Corona-Patient Nummer eins war symptomfrei, musste sich aber 19 Tage auf einer Isolierstation aufhalten. (Symbolbild)
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„Körperlich habe ich keine Spätfolgen“, sagt Corona-Patient eins heute!
Doch was hat er als erster Infizierter Deutschlands alles erlebt? Am 27. Januar 2020 änderte sich das Leben von Christoph Nitsche aus Kaufering (Bayern) schlagartig. Zu diesem Zeitpunkt war er 33 Jahre alt. Jetzt spricht er zum ersten Mal über alles, was er damals erlebt hat. Auch, um falsche Gerüchte endlich aus dem Weg zu räumen.

Corona-Patient eins: Sein Fall löste eine beispiellose Krise aus

Fünf Jahre später ist es so weit: Christoph Nitsche scheut sich nicht mehr, seinen Namen in der Zeitung zu lesen. Die Tage rund um seine Coronainfektion bezeichnet der Vater von zwei Töchtern als „surreal“. Sein Fall, der in Deutschland eine bis dahin beispiellose Krise auslösen sollte, begann für den Infizierten selbst überraschend harmlos, wie Nitsche in seinem ersten Interview mit der Augsburger Allgemeinen und auch gegenüber der SZ schildert. Angesteckt habe sich der Produktionsmanager bei einer Kollegin aus China. Nur wenige Tage nach dem Treffen mit der Frau bekam er Fieber und Schüttelfrost: „Am Samstag nahm ich ein Paracetamol – und sonntags ging es schon besser. Am Montag war ich wieder in der Arbeit.“

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„Die deutsche Politik war damals überfordert“

Doch als er hörte, dass die Kollegin positiv auf Corona getestet worden war, habe er sofort das Schlimmste befürchtet. Als das positive Testergebnis vorlag, musste Nitsche für 19 Tage auf eine Isolierstation. „Das war schon kritisch. Die deutsche Politik war damals überfordert mit den paar Infizierten in der Klinik“, so Nitsche. Täglich seien sie getestet worden, doch obwohl die Viruslast stetig abnahm, seien die Infizierten nicht entlassen worden. Nitsche: „Damit wir zumindest mal an die frische Luft kamen, hat uns ein Arzt abends mal in den Innenhof der Klinik gelassen.“

Die nach den ersten bestätigten Corona-Infektionen in Deutschland Ende Januar vorübergehend geschlossene Zentrale des Autozulieferers Webasto in Gauting. (Foto-Archiv)
Ende Januar 2020: Die Firma Webasto in Stockdorf bei München, dem Arbeitgeber von Christoph Nitsche.
Lino Mirgeler/dpa

Rückblickend sagt Corona-Patient eins: „Ich hatte als deutsches Versuchskaninchen eine besondere Rolle, aber betroffen waren alle Menschen. Die Gesellschaft musste sich auf etwas vorbereiten, dessen Ausmaß unbekannt war.“

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Christoph Nitsches Familie steckte sich damals nicht an

Psychisch sei es für ihn damals keine einfache Zeit gewesen. „Aber es hat mich nicht so sehr belastet, dass ich in Behandlung musste.“ Nitsche ließ sich später zweimal gegen Corona impfen. Mit den Gerüchten, dass er an Long Covid leide, will er jetzt auch mithilfe der medialen Berichterstattung gründlich aufräumen: „Ich weiß nicht, wo das herkommt. Es stimmt jedenfalls nicht.“ Er verspüre keine körperlichen Spätfolgen und habe sich auch über die ganze Zeit hinweg kein zweites Mal angesteckt.

Trotzdem treiben den 38-Jährigen noch viele Fragen zur Pandemie um, die bis heute ungeklärt sind. Er frage sich auch heute noch, wieso er damals seine Frau und seine Tochter nicht angesteckt habe. Nitsches Frau habe sich erst 2023 mit dem Coronavirus infiziert. „Viel stärker als ich. Sie war eine Woche lang wirklich krank.“

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Wie bewertet Nitsche die Corona-Maßnahmen heute?

Als Patient Nummer eins nahm Nitsche an einer Studie teil und wurde regelmäßig untersucht. Doch weder ein Lungenspezialist noch ein Kardiologe entdeckten anhand seiner Blutwerte etwas Auffälliges. Und wie bewertet Nitsche die Corona-Maßnahmen heute? „Abstand halten, Masken tragen, Hände waschen – das war richtig und wichtig. Aber warum sollte jemand, der allein im Wald unterwegs war, eine Maske tragen?“ Noch viel schlimmer sei allerdings gewesen, „dass man seine Liebsten im Pflegeheim nicht besuchen oder auf dem Sterbebett begleiten durfte.“

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Video-Tipp: Aufarbeitung der Corona-Pandemie

„Da sollte jetzt was in der Schublade liegen“

Nitsche selbst habe mit Blick auf die Maßnahmen aber zum Teil sogar noch Glück gehabt. „Ich durfte damals auch bei der Geburt meiner zweiten Tochter im Kreißsaal dabei sein, wenige Wochen später war das Vätern mancherorts nicht mehr möglich.“

Nitsche hofft, dass die Aufarbeitung der Pandemie jetzt weiter fortgeführt wird. „Ich hoffe, dass die Verantwortlichen aus der Pandemie gelernt haben und, dass es Maßnahmenpläne für vergleichbare Vorfälle in der Zukunft gibt. Da sollte jetzt was in der Schublade liegen.“ (mjä)