Lebensgefahr durch Kiefer- und EichenprozessionsspinnerBei diesen Symptomen solltet ihr mit eurem Hund sofort zum Tierarzt

Es geht um Leben und Tod!
Ihr Gift verbrennt die Haut und lässt die Atemwege anschwellen: Prozessionsspinner sind eine Gefahr, die man nicht unterschätzen sollte – vor allem als Hundehalter. Tierärztin Dr. Tanja Pollmüller erklärt, woran Halter eine Vergiftung erkennen und wie sie sich im Notfall richtig verhalten.
Wegen Kieferprozessionsspinner! Hündin Lika erstickt fast an ihrer Zunge
Wie genau Hündin Lika Kontakt zu einem Kieferprozessionsspinner hatte, wissen ihrer Halter Michael und Vanessa nicht. Doch kurz nach der Begegnung mit der Raupe, fängt das Tier an zu speicheln, seine Zunge schwillt an und es kollabiert. Lika überlebt nur, weil Vanessa und Michael ihr geistesgegenwärtig das Maul ausspülen und sofort zum Tierarzt fahren.

Auch Tierärztin Dr. Tanja Pollmüller, bekannt als Doc Polly, weiß von der Gefahr, die von Kiefer- und Eichenprozessionsspinnern ausgehen. „Die sind natürlich super gefährlich“, sagt sie im RTL-Gespräch, „vor allen Dingen, wenn es in dem Mundbereich oder in den Atemwegen zu Kontakt mit den Härchen kommt.“ Dann passiere, was mit Lika geschehen sei: Die Zunge schwillt an und dann bleiben nur noch Minuten, um das Tier zu retten.
Doch was sind diese Prozessionsspinner überhaupt? Und was macht sie so gefährlich?
Was sind Prozessionsspinner überhaupt?
„Eichen- und Kieferprozessionsspinner sind zwei eigenständige Insektenarten“, erklärt Julian Heiermann vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) im RTL-Interview. Im Namen erkenne man, an welchen Baumarten sich die Art im Raupenstadium entwickele. „Man findet beide Arten in eher wärmeren Regionen Europas – dort, wo vermehrt Kiefern bzw. Eichen zu finden sind“, so Heiermann, „beide Arten kommen aber auch in Deutschland vor.“
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Während die Kieferprozessionsspinner eher im Februar und März unterwegs sind, startet die Eichenprozessionsspinner-Saison gegen Mai und endet circa im September. Doch auch außerhalb dieser Zeiten muss man sich vor den Raupen in Acht nehmen – oder vielmehr vor ihren Haaren.
„Beide Raupen leben sehr gesellig und verfügen zur Abwehr von potenziellen Fressfeinden über Brennhaare, die auf der Haut und den Schleimhäuten zu Entzündungen führen können“, sagt Heiermann. Die abgestoßenen Brennhaare werden zusammen mit Spinnfäden zu Nestern gebaut, wo sich die Raupen zurückziehen können.

Das Problem: „Auch wenn die Raupen nicht mehr vor Ort sind, können sich aus den Nestern Brennhaare lösen und zu den gesundheitlichen Problemen führen. Daher sollte man auch verlassene Raupennester meiden.“ Der Wind kann die Brennhaare der Tiere hinfort tragen und ein Hund kann sie meilenweit entfernt vom Gras lecken oder schnuppern.
Eine Meldepflicht gibt es in Deutschland übrigens nicht. „Viele Gemeinden nehmen aber Beobachtungen entgegen und können auf öffentlichem Grund Bekämpfungsmaßnahmen einleiten oder Bereiche absperren“, sagt Heiermann.
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Kontakt mit Eichen- oder Kieferprozessionsspinner? Das sind die Symptome
Wenn der Hund mit dieser unsichtbaren Gefahr in der Luft in Berührung kommt, kann es laut Pollmüller zu folgenden Symptomen kommen:
Schwellungen
Juckreiz
auf der Haut bilden sich Quaddeln
Augen können gereizt werden
wenn die Schleimhäute, zum Beispiel im Maul- und Nasenbereich, betroffen sind, können die Atemwege blockieren
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„Manche haben auch einen allergischen Schock“, sagt Pollmüller. Im schlimmsten Fall stirbt das Tier. Übrigens sind die Haare beider Raupenarten nicht nur für Hunde gefährlich. Auch Katzen und Menschen reagieren auf die Härchen.
Vergiftung durch Prozessionsspinner – Erste-Hilfe-Tipps von der Tierärztin
Damit genau das nicht passiert, gibt die Tierärztin ein paar Erste-Hilfe-Tipps mit.
Sich Hilfe suchen! Mit mehreren Personen lässt sich die Situation besser kontrollieren. „Der eine kümmert sich um den Hund, der andere darum, wo der nächste Tierarzt ist“, empfiehlt Pollmüller.
Betroffene Stellen mit Wasser abwaschen, um die Brennhaare zu entfernen.
Sich selbst schützen und Handschuhe tragen, wenn man sich um das Tier kümmert.
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Dann heißt es: ab zum Tierarzt! „Wir sichern dann die Atemwege, geben Infusionen und abschwellende sowie schmerzstillende Medikamente“, sagt Pollmüller. Wenn die Atemwege so zugeschwollen sind, dass das Tier intubiert werden müsse, legen sie es in Narkose und beatmen es. „Das kann sich schon Tage hinziehen, bis es dem Tier wieder besser geht“, so die Tierärztin, „aber es kann sich davon vollständig erholen, wenn rechtzeitig gehandelt wird.“
Sie selbst habe bisher noch keinen lebensbedrohlichen Notfall gehabt, aber das hänge von der Gegend ab. Wer in der Nähe von Eichenwäldern wohne und da viel spazieren gehe, habe ein höheres Risiko als jemand, der mitten in der Stadt lebe.
Vergiftung durch Eichenprozessionsspinner darf nicht unterschätzt werden
Das Wichtigste ist laut Pollmüller, die Situation nicht zu unterschätzen, selbst wenn man nicht sicher sei, ob es ein Prozessionsspinner gewesen sei. Ähnlich wie bei Bienenstichen reagiere jeder Hund anders auf das Gift. „Das kann relativ schnell schlechter werden, je nachdem, wie viel von dem Gift auf einmal aufgenommen wird.“ Wenn einem irgendetwas auffalle beim Tier, sollen Halter beim Tierarzt anrufen oder in eine Videosprechstunde gehen.
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Und sie hat noch einen Tipp parat: einen Tierarzt-Wochenplan erstellen. „Wann erreicht man wie welchen Tierarzt wo?“, fragt Pollmüller. Tierhalter sollten 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche wissen, welcher Tierarzt oder welche Klinik erreichbar sei. „Wenn dann erst der Zeitpunkt gekommen ist, wo der Notfall eingetreten ist, dann ist Panik und Unruhe und man hat keine Zeit mehr dafür.“
Hündin Lika geht es mittlerweile wieder gut. Sie reist mit ihren Haltern und zwei weiteren Hunden in einem Minicamper mit Dachzelt durch Europa und ist bereits auf der Suche nach einem neuen Abenteuer – diesmal hoffentlich ohne Prozessionsspinner.