Urteil am Landgericht Würzburg

Shawn Alex (28) vor Disco erstochen - Freispruch für den Angeklagten

Freispruch!
Im Prozess um einen tödlichen Messerangriff vor einer Diskothek in Würzburg im Herbst 2023 wurde der 22-jährige Angeklagte freigesprochen. Richter Thomas Schuster nannte Francesco S. „einen Verlierer dieser Nacht“, in der ein anderer Mensch sein Leben verlor.

Nach Urteil: „Lassen sie mich raus, sonst muss ich kotzen“

„Im Zweifel für den Angeklagten.“ Eine andere Wahl habe das Gericht nicht gehabt, erklärt Schuster sein Urteil. „Es ist uns nicht gelungen, an den entscheidenden Stellen aufzuklären, was passiert ist.”

Der getötete Shawn Alex war eine lokale Größe in der Clubszene der fränkischen Stadt, beliebt. „Ling-Ling“ wurde er genannt. Sein Tod hatte Bestürzung und Anteilnahme hervorgerufen. Für seine Freunde und Bekannten ist klar: Er hatte Zivilcourage bewiesen, sich schützend vor Mädchen gestellt und dafür mit seinem Leben bezahlt.

Prozessbeobachter mit T-Shirts, auf denen der Getötete abgebildet ist
Prozessbeobachter mit T-Shirts, auf denen der Getötete abgebildet ist
RTL

Für das Urteil zeigen sie kein Verständnis. „Lassen Sie mich raus, sonst muss ich kotzen“, macht jemand seinem Unmut Luft. Zwei Männer verlassen den Saal, viele Mädchen weinen, andere gehen ebenfalls hinaus. Für Shawns Vater Chris R. ist das Urteil nicht fassbar. Er kämpft mit den Tränen. Er hatte so gehofft, dass der Täter ins Gefängnis kommt. Nach dem Urteil wollte er endlich Zeit für die Trauer um seinen Sohn finden.

Im Video: Shawns Vater „stand noch nie vor so einer schweren Aufgabe“

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Richter verweist auf schwierige Wahrheitsfindung

Der Richter hob hervor, wie schwierig die Wahrheitsfindung gewesen sei.” Es bleibt ein weißer Fleck zwischen 5:11:16 Uhr und 5:11:59 Uhr” am frühen Morgen des 17. September 2023. In diesen Sekunden ist nicht klar, was genau passiert ist. Einige Zeugenaussagen seien weit voneinander abgewichen. Insbesondere habe nicht ausgeschlossen werden können, dass S. in Notwehr gehandelt habe. An dem Streit zwischen ihm und mehreren Menschen, darunter auch dem Getöteten, bestehe kein Zweifel, ebenso wenig am Gebrauch des Messers. Fest stehe aber auch, dass mehrere Menschen den Angeklagten attackiert hätten.

Allerdings sei nicht sicher, was nach dem Eingreifen von Shawn Alex passiert sei. Während einige Zeugen, insbesondere seine Bekannten, ihn als friedlich wahrnahmen, hätten andere sein Verhalten als aggressiv empfunden. Ein Zeuge habe ausgesagt, Shawn Alex sei „wie ein Boxer“ auf S. zugetänzelt. Der Getötete sei schnell aufgewühlt gewesen, habe zu emotionalen Ausbrüchen geneigt, auch wenn er Sekunden zuvor noch völlig entspannt gewirkt habe, so der Richter. Hinzu komme seine psychische Erkrankung, das Borderline-Syndrom.

„Die Geschichte ist möglich, sie ist nicht widerlegt“

S. war zum Zeitpunkt des Geschehens volltrunken (über zwei Promille), gab Erinnerungslücken zu. Nachdem es zum handfesten Streit mit mehreren Beteiligten gekommen sei, habe er möglicherweise Todesangst gehabt, so Richter Schuster: „Er hatte Angst, gelyncht zu werden.“ Zu den von ihm geschilderten Versionen der folgenschweren Vorkommnisse sagte Schuster: „Die Geschichte ist möglich, sie ist nicht widerlegt.“

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Die Staatsanwaltschaft hatte S. Totschlag, versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er soll am 17. September vergangenen Jahres vor einer Diskothek in der Würzburger Altstadt mit einer Gruppe weiterer Besucher der Diskothek in Streit geraten sein. Dabei soll er ein Messer gezogen und mehrfach auf den 28-jährigen Shawn Alex eingestochen haben. Er starb wenig später an seinen Verletzungen.

Zwei weitere Männer soll S. mit dem Messer ebenfalls erheblich verletzt haben. Sie sollen versucht haben, den 22-Jährigen zurückzuhalten. Der junge Mann wurde noch am selben Tag festgenommen, kam in Untersuchungshaft. Er wurde aber schon während des Prozesses aus der Untersuchungshaft entlassen. Über seinen Verteidiger habe der Beschuldigte erklärt, sein Verhalten sei gerechtfertigt gewesen, da er angegriffen worden sei.

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