Vergewaltigungsprozess in Avignon
Keine einzige Sekunde hätte Gisèle ihrem Mann solche Taten zugetraut

Er hat endlich gestanden...
Im Missbrauchsprozess um die massenhafte Vergewaltigung seiner Ehefrau Gisèle hat der Angeklagte Dominique Pélicot (72) die Vorwürfe eingeräumt. Am heutigen Prozesstag (17. September) wirkt Gisèle müde, sie verschließt immer wieder ihre Augen. Niemals hätte die 72-Jährige ihrem Mann solche Taten zugetraut. Dominique flüchtet sich in seine Kindheit.

Gisèle soll Dominique Pélicot „immer vertraut“ haben
Nachdem Dominique Pélicot einige Prozesstage krankheitsbedingt verpasst hatte, humpelt er heute an einem Gehstock in den Saal. Unterm Arm hält er eine Wasserflasche. Er wirkt weinerlich. Auch Gisèle wirkt geschwächt und müde. Immer wieder hält sie für kurze Zeit die Augen geschlossen. Für sie sei es sehr „schwierig, zu hören, was er sagt“.

„Ich war süchtig nach meiner Gattin. Besonders, wenn sie nicht da war, hatte ich diese schrecklichen Fantasien“, schildert Dominique in der Sitzung. Die heimlichen Aufnahmen seiner Frau hätte er gemacht, damit er sie anschauen konnte, wenn sie nicht da war. Eine mögliche Erklärung für seine ausufernden Taten sieht er in seiner Kindheit: „Ich suche keine Entschuldigung, aber wenn ich nicht als Kind missbraucht worden wäre, wäre ich immer noch dieser glückliche Junge“, versucht sich der Ehemann zu erklären und ergänzt: „Ich war abscheulich.“
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Ab 2011 etwa habe der normale Sex mit seiner Frau nicht mehr ausgereicht. „Ich begann sie zu betäuben, um die Praktiken zu machen, die sie eigentlich nicht wollte.“ Gisèle verfolgt seine Aussage aufmerksam. Dominique redet klar und deutlich und wirkt inzwischen nicht mehr weinerlich.
Im Video: Dominique P. (72) betäubte auch eigene Tochter
Angeklagte vergewaltigten Gisèle ungeschützt
Im weiteren Verlauf wird wieder deutlich, dass Dominique sein sexuelles Verlangen über alles andere gestellt hat. So soll er während einer polizeilichen Befragung angegeben haben, dass ihn der Kontrast zwischen der hellen Haut seiner Frau und der dunkleren mancher Angeklagter angemacht habe. Details, die für seine Tochter Caroline nur schwer erträglich zu sein scheinen – sie verlässt kurzerhand den Saal. Erst nach einer Weile kommt sie zurück. Sie sitzt vorgebeugt auf ihrem Stuhl, das Gesicht in ihre Hände gelegt, als das nächste grausame Detail zur Sprache kommt.
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Pélicot habe die Angeklagten angewiesen, einen HIV-Test zu machen oder Kondome zu verwenden. Doch einige der Männer sollen gesagt haben, sie würden bei der Verwendung von Kondomen „keinen hoch“ bekommen. Also sollen sie Gisèle ungeschützt vergewaltigt haben. Viele Angeklagte soll Dominique Pélicot heimlich mit seinem Handy gefilmt haben. Er zeigt wenig Reue, sagt lediglich: „Ich weiß, was ich gemacht habe. Ich arbeite daran.“ Er mache im Gefängnis eine Therapie und wisse, dass er noch einen weiten Weg vor sich habe. „Ich war der Patriarch und habe versagt“, sagt er über sich selbst.

Landesweite Debatte über sexuelle Gewalt
Der aufsehenerregende Prozess hat in Frankreich eine landesweite Debatte über sexuelle Gewalt gegen Frauen ausgelöst. Am Wochenende gab es als Zeichen der Solidarität mit Gisèle in mehreren Städten Demonstrationen gegen sexuelle Gewalt. Die Angeklagten werden heute beim Betreten des Gerichtssaals ausgebuht. Dutzende Menschen stehen hingegen Spalier und applaudieren, als Gisèle das Gebäude betritt und verlässt.