Vergewaltigungsprozess in Avignon

Keine einzige Sekunde hätte Gisèle ihrem Mann solche Taten zugetraut

Gisèle Pélicot erscheint auch am siebten Prozesstag persönlich vor Gericht.
Gisèle Pélicot erscheint auch am heutigen Prozesstag (17. September) persönlich vor Gericht. Prozessbeobachter applaudieren, als sie den Saal betritt. Ihr angeklagter Ex-Mann und die weiteren Angeklagten werden vom Publikum ausgebuht.
Reuters
von Sabrina Suberg und Patricia Kiel

Er hat endlich gestanden...
Im Missbrauchsprozess um die massenhafte Vergewaltigung seiner Ehefrau Gisèle hat der Angeklagte Dominique Pélicot (72) die Vorwürfe eingeräumt. Am heutigen Prozesstag (17. September) wirkt Gisèle müde, sie verschließt immer wieder ihre Augen. Niemals hätte die 72-Jährige ihrem Mann solche Taten zugetraut. Dominique flüchtet sich in seine Kindheit.

Menschen in einem Gerichtsgebäude.
Prozessbeobachter applaudieren Gisèle im Gerichtsgebäude in Avignon.
RTL

Gisèle soll Dominique Pélicot „immer vertraut“ haben

Nachdem Dominique Pélicot einige Prozesstage krankheitsbedingt verpasst hatte, humpelt er heute an einem Gehstock in den Saal. Unterm Arm hält er eine Wasserflasche. Er wirkt weinerlich. Auch Gisèle wirkt geschwächt und müde. Immer wieder hält sie für kurze Zeit die Augen geschlossen. Für sie sei es sehr „schwierig, zu hören, was er sagt“.

Dominique Pélicot sagt vor Gericht in Avignon aus
Dominique Pélicot gesteht die Vergewaltigungen an seiner Ehefrau Gisèle.
REUTERS

„Ich war süchtig nach meiner Gattin. Besonders, wenn sie nicht da war, hatte ich diese schrecklichen Fantasien“, schildert Dominique in der Sitzung. Die heimlichen Aufnahmen seiner Frau hätte er gemacht, damit er sie anschauen konnte, wenn sie nicht da war. Eine mögliche Erklärung für seine ausufernden Taten sieht er in seiner Kindheit: „Ich suche keine Entschuldigung, aber wenn ich nicht als Kind missbraucht worden wäre, wäre ich immer noch dieser glückliche Junge“, versucht sich der Ehemann zu erklären und ergänzt: „Ich war abscheulich.“

Lese-Tipp: Dominique Pélicot gesteht schluchzend Vergewaltigungen seiner Frau

Ab 2011 etwa habe der normale Sex mit seiner Frau nicht mehr ausgereicht. „Ich begann sie zu betäuben, um die Praktiken zu machen, die sie eigentlich nicht wollte.“ Gisèle verfolgt seine Aussage aufmerksam. Dominique redet klar und deutlich und wirkt inzwischen nicht mehr weinerlich.

Im Video: Dominique P. (72) betäubte auch eigene Tochter

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Angeklagte vergewaltigten Gisèle ungeschützt

Im weiteren Verlauf wird wieder deutlich, dass Dominique sein sexuelles Verlangen über alles andere gestellt hat. So soll er während einer polizeilichen Befragung angegeben haben, dass ihn der Kontrast zwischen der hellen Haut seiner Frau und der dunkleren mancher Angeklagter angemacht habe. Details, die für seine Tochter Caroline nur schwer erträglich zu sein scheinen – sie verlässt kurzerhand den Saal. Erst nach einer Weile kommt sie zurück. Sie sitzt vorgebeugt auf ihrem Stuhl, das Gesicht in ihre Hände gelegt, als das nächste grausame Detail zur Sprache kommt.

Lese-Tipp: Wenn es den Prozess nicht geben würde, wären Gisèle und ich noch glücklich

Pélicot habe die Angeklagten angewiesen, einen HIV-Test zu machen oder Kondome zu verwenden. Doch einige der Männer sollen gesagt haben, sie würden bei der Verwendung von Kondomen „keinen hoch“ bekommen. Also sollen sie Gisèle ungeschützt vergewaltigt haben. Viele Angeklagte soll Dominique Pélicot heimlich mit seinem Handy gefilmt haben. Er zeigt wenig Reue, sagt lediglich: „Ich weiß, was ich gemacht habe. Ich arbeite daran.“ Er mache im Gefängnis eine Therapie und wisse, dass er noch einen weiten Weg vor sich habe. „Ich war der Patriarch und habe versagt“, sagt er über sich selbst.

Journalisten im Gerichtsgebäude in Avignon.
Das Medieninteresse am Vergewaltigungs-Prozess ist riesig.
IMAGO/PanoramiC

Landesweite Debatte über sexuelle Gewalt

Der aufsehenerregende Prozess hat in Frankreich eine landesweite Debatte über sexuelle Gewalt gegen Frauen ausgelöst. Am Wochenende gab es als Zeichen der Solidarität mit Gisèle in mehreren Städten Demonstrationen gegen sexuelle Gewalt. Die Angeklagten werden heute beim Betreten des Gerichtssaals ausgebuht. Dutzende Menschen stehen hingegen Spalier und applaudieren, als Gisèle das Gebäude betritt und verlässt.