Video-Aufzeichnungen halten alles fest

Er gestand, seinen Vater ermordet zu haben - jetzt bekommt er dafür 900.000 Dollar

Thomas Perez sucht seinen Vater, doch dann macht die Polizei ihn zum Hauptverdächtigen.
Thomas Perez (59) sucht seinen Vater, doch dann macht die Polizei ihn zum Hauptverdächtigen.
CNN

„Sie haben mich an den Dingen angegriffen, die ich am meisten liebe.“
Fast eine Million Dollar mag viel klingen, doch was ist das bisschen Geld im Vergleich zu dem, was dieser Mann erleiden musste? Skrupellose Polizisten setzen Thomas Perez unter Druck, erpressen ein falsches Geständnis und drohen damit, seinen geliebten Hund umzubringen. Dafür bekommt er jetzt etwa 810.000 Euro (900.000 US-Dollar) Entschädigung.

Vermisstenmeldung kommt der Polizei komisch vor

Der Fall liegt einige Jahre zurück, berichtet der US-Sender CNN. Thomas Perez Jr. lebt mit seinem Vater (71), der ebenfalls Thomas Perez heißt, in Fontana im Bundesstaat Kalifornien. Am 7. August 2018 verlässt der Vater mit Hund Margo das Haus, um nach der Post zu sehen. Kurze Zeit später kommt nur der Border-Collie-Husky zurück, der Vater ist verschwunden.

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Den Sohn habe das nicht weiter überrascht, wie Perez im CNN-Interview sagt. Sein Vater sei ein sehr eigenständiger Mensch, der viele Freunde und Bekannte habe, warum solle er nicht weggegangen sein, um jemand zu besuchen? Erst als sein Vater am kommenden Tag noch nicht zurück ist, erkundigt Perez sich bei der Polizei. „Ich möchte nur wissen, ob ein älterer Mann in der Nachbarschaft unterwegs ist und den Eindruck macht, dass er die Orientierung verloren habe“, erinnert er sich an den Anruf. Er bittet: „Sagen Sie mir Bescheid, vielleicht ist es mein Vater.“ Es ist dieser Anruf, der den Beamten der 210.000-Einwohner-Stadt in Kalifornien komisch vorkommt, heißt es von den Behörden. Denn Perez erscheint ihnen zu sorglos!

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Beschimpft, bedoht, drangsaliert – Verhör eskaliert

Zwei Polizistinnen suchen das Haus der Perez‘ auf. Dort sei es unordentlich gewesen, Gegenstände hätten herumgelegen. Sie finden vermeintliche Blutflecken, das Telefon des Vaters und erfahren vom Tom Perez, dass es einen Streit gegeben habe. Perez begleitet die Polizistinnen freiwillig zur Wache, nichts ahnend, was ihm bevorstehen sollte. Einem anfangs ordnungsgemäßen Verhör folgen polizeiliche Maßnahmen, die sicherlich in keinem Lehrbuch stehen. Dank Aufzeichnungen und Videoaufnahmen hat CNN rekonstruiert, was die Polizei Tom Perez angetan hat.

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Die Ermittler glauben, dass er seinen Vater umgebracht hat. Zwei Polizisten fahren mit Perez durch die Gegend, führen ihn an Plätze, wo eine Leiche versteckt sein könnte. Immer wieder reden sie auf den Mann ein, setzen ihn unter Druck. Es fallen Sätze wie „Du hast ihn getötet“, „Du weißt, dass du ihn getötet hast“, „Du bist nicht ehrlich zu dir selbst“ und ähnliche Unterstellungen. Als Tom Perez sagt, er brauche medizinische Hilfe, antwortet ein Polizist, „Nein, brauchst du nicht.“

Perez: „Ich befand mich in ihrer kleinen Kiste des Grauens”

Der 59-Jährige hat keinen Anwalt, bittet einen Freund, ihm beizustehen, berichtet CNN. Der kommt zur Polizei, um mit Perez zu sprechen. Bevor er das tut, wird er von der Polizei beeinflusst. Die suggeriert dem Mann, sie habe überwältigende Indizienbeweise dafür, dass Tom Perez seinen Vater umgebracht hat. Das sagt er später dem Verdächtigen. Was er nicht weiß: Die Beweislast ist alles andere als erdrückend.

Entkräftet und übermüdet - nach dem 17-stündigen Verhör ist Perez völlig am Ende. Doch die Polizisten sind noch nicht fertig mit ihm.
Entkräftet und übermüdet – nach dem 17-stündigen Verhör ist Perez völlig am Ende. Doch die Polizisten sind noch nicht fertig mit ihm.
CNN

Für Tom Perez gehen die Strapazen weiter, berichtet CNN unter Verweis auf die Sichtung von stundenlangem Videoaufzeichnungen. Margo, Perez‘ heißgeliebter Hund in den Verhörraum gebracht. „Wie kannst du dasitzen und sagen, dass du nicht weißt, was passiert ist - und dein Hund sitzt da und sieht dich an und weiß, dass du deinen Vater getötet hast?“, sagt einer der Polizisten. Dann behaupten sie, dass sie die Leiche seines Vaters gefunden hätten – was gelogen ist, denn der Senior lebt.

Sohn bricht nach Geständnis zusammen

Die Polizisten reden dem nach stundenlangem Verhör völlig entkräfteten und desorientiert wirkenden Mann ein, wie die Tat abgelaufen sei. Dann behaupten sie, dass Hündin Margo jetzt herrenlos sei und eingeschläfert werden müsse. Ist das der Moment, in dem Perez‘ das Geständnis über eine Tat ablegt, die es nie gegeben hat? Der verwirrte Mann, der sich im Verhörraum übergibt und verzweifelt sein Hemd aufreißt, gesteht, seinen Vater mit einer Schere erstochen und seine Leiche weggebracht zu haben.

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Mit Perez geliebtem Hund Margo üben die Beamten Druck auf den 59-Jährigen aus. Sie drohen, das Tier einschläfern zu lassen.
Mit Perez geliebtem Hund Margo üben die Beamten Druck auf den 59-Jährigen aus. Sie drohen, das Tier einschläfern zu lassen.
CNN

Fast zwei Tage ist Perez ununterbrochen in Polizeigewahrsam, ohne Schlaf, ohne Anwalt. Er bricht körperlich und geistig zusammen, wird in die Psychiatrie gebracht, weil er versucht haben soll, sich umzubringen. Bei der Gerichtsverhandlung sagt ein Richter, die Taktik der Ermittler habe „ohne Zweifel zu Perez‘ subjektiver Verwirrung und Desorientierung geführt, bis zu dem Punkt, dass er fälschlicherweise den Mord an seinem Vater gestand und versuchte, sich das Leben zu nehmen.“

Nach fünf Tagen in der Hölle: Sein Vater lebt!

Unterdessen wird Thomas Perez Senior gefunden. Nachdem er bei einem Freund übernachtet hatte, ließ er sich zum Flughafen nach Los Angeles bringen, um von dort zu seiner Tochter zu fliegen. Die Polizei nimmt den Vater mit, verhört ihn. Den Sohn lässt sie im Glauben, seinen Vater umgebracht zu haben. Sein Telefon in der Psychiatrie ist gesperrt, laut seiner Krankenakte habe er keine Anrufe seiner Familie empfangen dürfen, sagt er bei CNN.

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Eine Krankenschwester beendet den Albtraum, sie stellt eine Verbindung zwischen Perez Jr. und Senior her. „Sie gab mir das Telefon und ich fiel weinend zu Boden“, sagte Perez dem Sender, mühsam um Fassung ringend. „Er sagte, er hätte versucht anzurufen, aber sie hätten seine Anrufe abgelehnt.“

Nach fünf Tagen sind Vater und Sohn endlich wiedervereint. Doch das Trauma des Erlebten begleitet sie noch über Jahre.
Nach fünf Tagen sind Vater und Sohn endlich wiedervereint. Doch das Trauma des Erlebten begleitet sie noch über Jahre.
CNN

Ein paar Tage später können sich Vater und Sohn endlich wiedersehen. „Als er mich sah, starrte er mich einfach an und sagte: ‚Papa, bist du das wirklich?‘“, berichtet der Vater. „Und ich sagte: ‚Ja, ich bin es‘, und er sagte: ‚Sie haben mir gesagt, du wärst tot.‘ Und ich sagte: ‚Nein, nein, ich bin hier‘“, erinnert er sich. Dann sei sein Sohn langsam auf ihn zugekommen. „Und dann umarmten wir uns und hatten Tränen in den Augen.“

Keine Summe könne sein Leid aufwiegen

Vater und Sohn sind endlich wiedervereint, ihr Trauma jedoch geht weiter. „Sie haben mich genau an den Dingen angegriffen, die ich am meisten liebe. Mein Fellbaby, mein Vater“, sagt Perez über diese schmerzhafte Zeit. Er habe Jahre gebraucht, um das Erlebte zu verarbeiten. Der 59-Jährige reicht Klage ein, will die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Anders als in Deutschland sind Polizisten in den USA darauf trainiert, im Verhör zu täuschen, um ein Geständnis zu erzielen. Die Grenze dieser Taktik sei laut Experten aber überschritten, wenn die Täuschung einen Unschuldigen dazu bringt, ein Verbrechen zu gestehen, dass er nicht begangen hat. Vor Gericht verteidigen die Ermittler ihr Vorgehen.

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Die meisten Beamten in Perez Fall sind in den letzten Jahren befördert worden. Interne Ermittlungen soll es nicht gegeben haben, so CNN.
Die meisten Beamten in Perez Fall sind in den letzten Jahren befördert worden. Interne Ermittlungen soll es nicht gegeben haben, so CNN.
CNN

Laut Recherchen von CNN gebe es keinen Hinweis darauf, dass es eine interne Überprüfung des Falls gegeben habe. Keiner der beteiligten Beamten wurde diszipliniert, im Gegenteil. Die meisten Ermittler in Perez Fall sollen seit 2018 in höhere Positionen befördert worden sein.

Anfang 2024 einigte sich Perez mit der Stadt auf 900.000 US-Dollar, umgerechnet etwa 810.000 Euro. Die hohe Summe sei für Perez nur ein kleiner Trost, sagt der Sohn. „Keine noch so große Entschädigung wird mich jemals für das entschädigen, was ich durchgemacht habe“, erklärt er CNN, „jemals.“