Heimlich eingeführte Spiralen bei Teenies in Grönland „Als würden Messer in mich hineingeschoben”

Geburtenkontrolle
Grönländischen Teenagerinnen wurden zwangsweise Spiralen eingesetzt (Symbolbild)
picture alliance / Zoonar | Maria Kraynova

Dem Staat Dänemark waren die Kinder zu teuer...
Im März 2024 verklagen 143 grönländische Frauen den Staat Dänemark wegen Verletzung ihrer Menschenrechte. In den 1960er- und 1970er Jahren wurden ihnen als Teenagerinnen unfreiwillig Spiralen eingesetzt. Ohne Wissen ihrer Eltern.

Ministerpräsidentin: „Wir können nicht ändern, was geschehen ist”

Naja Lyberth war 14 Jahre alt, als ihr ein dänischer Arzt in der grönländischen Stadt Maniitsoq eine Spirale in die Gebärmutter einsetzte. „Es fühlte sich an, als würden Messer in mich hineingeschoben werden”, sagt Lyberth im Podcast „Spiralkampagnen” („Die Spiralen-Kampagne”) des dänischen Senders DR.

Alle Mädchen in Lyberths Klasse waren damals, im Jahr 1976, ins Krankenhaus geschickt worden, wo ihnen zur Schwangerschaftsverhütung eine Spirale eingesetzt wurde. Ihre Eltern waren nicht darüber informiert worden. Genau wie Lyberth und ihren Klassenkameradinnen wurden Tausenden Grönländerinnen vor allem in den 1960er- und 1970er Jahren Spiralen eingelegt.

Zu der Zeit war Dänemark für die Gesundheitsversorgung in Grönland verantwortlich. Viele der Frauen erzählen heute, dass der Eingriff ohne ihr Einverständnis geschah. Dafür entschuldigte sich am Mittwoch (27. August) die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen im Namen Dänemarks bei den betroffenen Grönländerinnen. „Wir können nicht ändern, was geschehen ist. Aber wir können Verantwortung übernehmen”, sagte Frederiksen laut einer Mitteilung.

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Ein Facebook-Post bringt den Spiralen-Skandal ans Licht

Es war ein Facebook-Post von Naja Lyberth aus dem Jahr 2017, der die Berichterstattung über die grönländischen Frauen und die Spiralen ins Rollen brachte. Darin beschrieb Lyberth ihr Erlebnis in dem Krankenhaus in Maniitsoq im Jahr 1976. Seitdem erzählten immer mehr Grönländerinnen von ähnlichen Erlebnissen.

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Grönländische Kinder sind teuer für den dänischen Staat

Um zu verstehen, wie es zu dem Skandal kam, muss man ins Jahr 1953 zurückgehen. Damals wird Grönland Teil des Königreichs Dänemark. Die Regierung in Kopenhagen beschließt, die Insel zu modernisieren. Unter anderem werden dänische Ärzte nach Grönland geschickt, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern.

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Die bessere medizinische Versorgung in Grönland führt auch zu besseren Überlebenschancen für Neugeborene. Die vielen grönländischen Kinder wiederum sind teuer für den dänischen Staat – es müssen Kindergärten gebaut und noch mehr dänische Ärzte nach Grönland geschickt werden.

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„Der dänische Staat hat mir die Unschuld genommen”

Die Spiralen, die damals in Grönland benutzt wurden, waren viel größer als die Kupfer- und Hormonspiralen, die heute verwendet werden. Sie bestanden aus Kunststoff, waren schwierig einzuführen und nicht geeignet für Frauen, die noch nie ein Kind geboren haben.

„Es war die Hölle. Ich hatte mehrere Jahre lang einen Fremdkörper in mir”, erinnert sich Naja Lyberth, die, als ihr im Alter von 14 Jahren die Kunststoffspirale eingesetzt wurde, noch nicht sexuell aktiv war. „Der dänische Staat hat mir meine Unschuld genommen”, sagt sie zu DR. Der Sender berichtet, dass einige der Mädchen und Frauen nicht einmal wussten, dass ihnen das Verhütungsmittel – beispielsweise während einer gynäkologischen Untersuchung – eingesetzt wurde.

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143 Grönländerinnen verklagen den dänischen Staat

Naja Lyberth hat zusammen mit 142 weiteren Grönländerinnen den dänischen Staat wegen der Verletzung ihrer Menschenrechte verklagt. Die Frauen fordern je eine Entschädigung in Höhe von 300.000 dänischen Kronen (etwa 40.000 Euro). (dpa/ajo)