Pascal wurde über drei Jahre sexuell missbraucht

„Hat mich gebrochen”

von Claire Luna Auselt und Florian Duken

Endlich Prozessbeginn gegen Erzieher Thomas Z.!
Pascal ist elf Jahre alt, als Erzieher und Jugendarbeiter Thomas Z. angefangen haben soll, ihn sexuell zu missbrauchen. Aus Angst schweigt der Junge. Doch nach Jahren stellt sich heraus: Es gab wohl noch mehr Opfer. Endlich traut sich Pascal, von seinen Erlebnissen zu erzählen. Zum Prozessauftakt erinnert sich der heute 21-Jährige im Gespräch mit RTL zurück und möchte auf Kindesmissbrauch aufmerksam machen.

Anklage in 30 Fällen wegen schweren sexuellen Missbrauchs!

Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen wirft dem Erzieher Thomas Z. (heute 39) vor, sich an Minderjährigen in einem Kinderheim, in dem er arbeitete, vergangen zu haben. Laut Staatsanwaltschaft sollen sich die Übergriffe in den Jahren zwischen 2016 und 2024 ereignet haben. Die Behörde wirft ihm unter anderem 27 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und 30 Fälle schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern vor. Pascal (21) soll sein allererstes Opfer gewesen sein, danach folgten wohl leider noch viele weitere.

Thomas Z. beim Prozessauftakt. Was man nicht sieht: Nur ein paar Meter entfernt im Gerichtssaal sitzt Pascal.
Thomas Z. beim Prozessauftakt. Was man nicht sieht: Nur ein paar Meter entfernt im Gerichtssaal sitzt Pascal.
RTL

„An sich gab es genug Auffälligkeiten”

„Kennengelernt habe ich ihn tatsächlich im Stadtjugendring. Das war quasi wie so ein Ferienangebot”, so Pascal. Er habe eine schwierige Beziehung zu seinem Vater gehabt. Deshalb und weil seine Familie neu zugezogen war, sei er anfällig für die Manipulation des Erziehers gewesen. „Ich habe nie eigene Freunde gehabt, die meisten anderen Kinder habe ich über ihn kennengelernt”, so Pascal im Interview. Thomas Z. habe den Jungen viel in der Freizeit getroffen und, unglaublich, ihn sogar mit zu seinen Eltern genommen. Als Pascal den Mann selbst als Freund ins Herz geschlossen habe, soll der körperliche Missbrauch losgegangen sein. Anfängliche Umarmungen sollen bis über Küssen und schlimmere Missbrauchshandlungen gegangen und dann schlussendlich in der Vergewaltigung geendet sein. Das habe der Junge dann drei lange Jahre ertragen: „Es hat mich gebrochen.” Es sei so oft passiert, dass Pascal keine Zahl nennen könne: „Also wie oft, das kann ich nicht sagen. Das war zu viel. Also es war zu oft und auch zu krass.”

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Mit der Zeit sei er immer mehr in sich gekehrt gewesen, habe in Gesprächen mit anderen Augenkontakt gemieden und seine Lebenslust verloren. Er sei in seinen Gedanken verloren gewesen. Dass die Veränderungen niemandem aufgefallen sein sollen, glaubt er nicht. Auch viele der anderen missbrauchten Kinder hätten Anzeichen gegeben, wie er im Nachhinein erfahren hat: „An sich gab es genug Auffälligkeiten. Wesensveränderungen, es sind Kinder abgerutscht.” Heute wisse er von ungefähr 30 weiteren Fällen. Einige der mutmaßlichen Opfer haben sich mittlerweile über soziale Medien gefunden und ausgetauscht.

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Das Problem: Alle mochten Erzieher Thomas Z. (39)

Doch Pascal habe damals nichts gesagt. Thomas Z. sei im Ort gut vernetzt und geschätzt gewesen. Pascal habe zu große Angst gehabt, dass sein Umfeld ihn verurteilen und fallen lassen könnte. Obwohl am Anfang Gespräche unter Erwachsenen stattgefunden hätten und die Nähe des Erziehers zu den Kindern einigen Menschen komisch vorgekommen sein soll, wurde dem offenbar viele Jahre nicht nachgegangen. „Er war sehr schlagfertig und hat sich gut erklären können”, sagt Pascal.

In diesem Kinderheim in Mühlhausen soll Erzieher Thomas Z. mehrere Kinder missbraucht haben.
In diesem Kinderheim in Mühlhausen soll Erzieher Thomas Z. mehrere Kinder missbraucht haben.
RTL

Als Pascal dann seine erste Freundin hatte, soll der Missbrauch endlich aufgehört haben. Doch der seelische Schaden saß tief. „Umarmungen und körperlicher Kontakt, das ging am Anfang gar nicht”, so der 21-Jährige. Bis heute denkt er an die schlimme Zeit zurück, spricht aber jetzt offen mit seinem Umfeld und seiner Freundin. Auch professionelle Hilfe habe ihn gut dabei unterstützt, neue Hobbys zu finden und sein Selbstwertgefühl zu verbessern.

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Neben seinem eigenen Trauma denkt Pascal auch an die anderen Kinder, die Opfer geworden sein sollen. „Wir sind alle Überlebende.” Weiter sagt er: „Ich möchte auch nicht, dass noch mehr Kinder darunter leiden. Egal welcher Fall, egal welche Person. Und ich möchte auch, dass die Person, die mir und auch anderen das angetan hat, die gerechte Strafe kriegt.” Während dem Prozess, der am 1. April gestartet ist, wird Pascal auch aussagen. Und dann seinem Peiniger gegenübertreten. Trotz allem, was passiert ist, möchte er andere ermutigen und nicht aufgeben: „Ich bin stolz, was ich erreichen konnte, was andere Opfer erreichen konnten. Trotz dieser schwierigen Situation, trotz den schlimmen Ereignissen. Ich bin stolz auf die anderen Kinder! Und ich bin auch stolz auf mich selber.” (cau)

Wenn es in eurem Umfeld sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen gibt oder ihr selbst betroffen seid, findet ihr unter der Nummer 0800 – 22 55 530 oder unter www.hilfe-portal-missbrauch.de Menschen, mit denen ihr darüber sprechen könnt.