Mütter bitten RTL um Hilfe

Kita-Missbrauch ohne Konsequenzen – was sind die Aussagen von Kindern wert?

Wenn den einzigen Zeugen nicht geglaubt wird...
Vier Mütter bitten RTL um Hilfe: Die Ermittlungen gegen einen Kita-Erzieher, der ihre Kinder missbraucht haben soll, wurden eingestellt. Dabei stimmen die Schilderungen von sechs offenbar betroffenen Kita-Kindern überein! Wie kann das sein? Das Video gibt Einblicke in das deutsche Justizsystem und zeigt, wie mit Kindern als Zeugen umgegangen wird. Mit ernüchterndem Ergebnis.

Mütter: „Unsere Kinder wurden sexuell misbraucht”

Es ist ein Hilfeschrei von vier Müttern, der sie viel Überwindung kostet. Sie wollen unerkannt bleiben, zum Schutz ihrer Kinder. Wir treffen zwei von ihnen zum Interview und nennen sie Miriam und Mia. Unabhängig voneinander bemerken sie bei ihren Kindern plötzlich auffälliges und sexualisiertes Verhalten. Immer wieder sollen die Kinder den Namen des mutmaßlichen Täters genannt haben – den eines Erziehers.

Miriam erzählt: „Er war auf einmal nicht mehr trocken. Mein Kind hat angefangen, sich Dinge in den Po einzuführen. Das war ganz extrem, wo ich mein Kind immer wieder davon abgehalten habe und er immer wieder gesagt hat: ‘Aber Mama, das ist halt eben so, das muss man so machen’.” Mia schildert, dass ihr Sohn plötzlich nicht mehr in die Kita wollte: „Es war jeden Tag Theater, er wollte nicht in die Kita, wollte lieber mit zur Arbeit und 7 Stunden im Auto sitzen. Ich war völlig überfordert mit der Sache – total. Aber ich habe nie daran gezweifelt, dass das, was mein Kind gesagt hat, nicht stimmen könnte.”

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Das sieht das Amtsgericht anscheinend anders. Nach viereinhalb Monaten werden die Kinder vor Gericht als Zeugen befragt. Aber nicht etwa in einem kindlich gestalteten Raum. Sondern in einem kleinen und sterilen Raum mit fremden Erwachsenen und einer Kamera. Die Eltern schildern, dass ihre Kinder bei der Befragung eingeschüchtert wirkten. Eine konkrete Tat oder den mutmaßlichen Täter benennen die Kinder hier nicht.

Das deutsche Justzizsystem ist nicht auf Kinder ausgelegt

Wir sprechen mit der Psychologin Dr. Anke Elisabeth Ballmann über den Fall. Sie selbst ist ehemalige Kita-Leiterin. Sie sagt, dass Kinder zwar eine blühende Fantasie haben, aber da gehe es um Drachen unter dem Bett und um Dinge, die in einer Kinderwelt stattfinden, aber nicht um sexuellen Missbrauch. Weiter kritisiert sie den Raum, in dem die Befragung der Kinder stattfand: „Je jünger die Kinder sind, umso wichtiger ist es, dass der Raum, in dem sie befragt werden, dass der kindgerecht gestaltet ist. Man braucht wirklich eine Wohlfühlatmosphäre, um die Kinder zu befragen.”

Im aktuellen Fall werden die Kinder nur ein einziges Mal befragt. Kita-Fachkräfte, denen sich die Kinder nach eigenen Worten ebenfalls anvertraut haben, gar nicht. Dabei wären die Erzieherinnen wichtige Zeugen gewesen. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück stellt daraufhin das Verfahren ein: „Das Ermittlungsverfahren ist hier mangels Tatverdacht eingestellt worden, weil aussagetüchtige Zeugen nicht zur Verfügung standen…”

Für die Mütter ein Schlag in die Magengrube. Weil die Ermittlungen eingestellt wurden, haben die Familien auch keinen Anspruch auf therapeutische Hilfe. Dr. Anke Elisabeth Ballmann möchte deshalb mit ihrer Stiftung „gewaltfreie Kindheit“ die Familien unterstützen und psychologisch begleiten. (ude)