861.000 Menschen betroffenPflegegrad 1 könnte wegfallen: Die Angst vor Kürzungen wächst

Das Saarland investiert gut 12 Millionen Euro in die Krankenhauslandschaft. (Symbolbild)
Wie steht es um die Pflegeversicherung in Deutschland? (Symbolbild)
Daniel Reinhardt/dpa

Könnten 861.000 Menschen in Deutschland bald ohne wichtige Pflegeleistungen dastehen?
In der Großen Koalition unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) gibt es laut übereinstimmenden Medienberichten entsprechende Überlegungen. Spekulationen um eine mögliche Abschaffung des Pflegegrads 1 erhitzen die Gemüter. RTL.de erklärt, was der Stand der Dinge ist.

Heftiger Streit um Pflegegrad 1: Politiker und Verbände schlagen Alarm

Die Diskussion um eine mögliche Abschaffung des Pflegegrads 1 löst heftige Reaktionen aus. Die SPD lehnt Überlegungen zur Streichung klar ab. Christos Pantazis, der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, sagt: „Als SPD-Fraktion verwahren wir uns entschieden gegen Leistungskürzungen in der Pflegeversicherung.“ Auch Patientenschützer, Sozialverbände und die Grünen warnen vor solchen Plänen. Die Zeitung „Bild“ berichtete über entsprechende Überlegungen in der Politik.

Laut Pantazis ist die Diskussion nicht neu. Schon früher gab es solche Vorschläge, die die SPD klar zurückwies. Pantazis mahnt: „Als Verantwortungskoalition haben wir die Pflicht, Orientierung zu geben, statt mit immer neuen Kürzungsdebatten Verunsicherung zu schüren. Denn Verunsicherung ist das Einfallstor für Populisten.“ Hintergrund der Gedankenspiele sind offenbar finanzielle Engpässe in der Pflegeversicherung. Wie konkret die Pläne sind, bleibt aber unklar. Nach der deutlichen Absage der SPD erscheinen sie unwahrscheinlich.

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Gesundheitsministerin Warken in Braunschweig – die Finanzlage der Kassen bleibt ein politisches Dauerthema.
Gesundheitsministerin Nina Warken schaltet sich in die Debatte ein (Archivbild)
Julian Stratenschulte/dpa

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) reagiert vorsichtig auf die Debatte. Sie sagt im Gespräch mit RTL: „Wir werden den Menschen nicht über Nacht etwas wegnehmen.“ Eine Abschaffung des Pflegegrads 1 schließt sie jedoch nicht aus. Warken betont: „Aber wir müssen jetzt notwendige Änderungen vornehmen, um auch in Zukunft den Menschen noch in gewohntem Umfang helfen zu können und das System generationengerecht zu machen.“ Eine Arbeitsgruppe erarbeitet derzeit Vorschläge für die Finanzierung der Pflegeversicherung. Erste Ergebnisse gibt es im Oktober.

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Das bedeutet der Pflegegrad 1 für Hunderttausende

Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz warnt: „Wenn die Bundesregierung diesen Pflegegrad abschaffen will, wäre das ein schwerer Schlag für die Betroffenen.“ Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband kritisiert: Eine Abschaffung wäre ein fatales Signal. Es trifft Menschen mit leichten Einschränkungen und deren pflegende Angehörige. Der Sozialverband Deutschland sieht Millionen Pflegebedürftige durch solche Vorschläge verunsichert.

Mit dem Pflegegrad (Stufen 1 bis 5) wird der jeweilige Unterstützungsbedarf pflegebedürftiger Menschen festgelegt, unter anderem abhängig davon, wie selbstständig jemand im Alltag etwa beim Anziehen, Toilettengang oder der Verpflegung noch ist. Pflegegrad 1 steht für geringe Beeinträchtigungen, Pflegegrad 5 für einen sehr hohen Unterstützungsbedarf. Laut Bundesgesundheitsministerium hatten Ende 2024 rund 4,8 Millionen Menschen einen Pflegegrad, davon 861.000 Pflegegrad 1.
Bei Pflegegrad 1 bekommen pflegende Angehörige kostenfreie Pflegekurse. Es gibt finanzielle Zuschüsse zum Beispiel zum Einbau einer barrierefreien Dusche und für Pflegehilfsmittel wie Betteinlagen. Außerdem werden pro Monat bis zu 131 Euro (sogenannter Entlastungsbetrag) erstattet, etwa wenn ein Pflegedienst beim Duschen, Einkaufen oder Wäsche waschen hilft.
Der Pflegegrad 1 war 2017 eingeführt worden. Aus vorher drei Pflegestufen wurden fünf Pflegegrade, die eine genauere Einschätzung der Bedürftigkeit ermöglichen sollten. Auch Beeinträchtigungen von Wahrnehmung und Erinnerung etwa bei Demenz und Probleme in der Alltagsbewältigung werden seitdem besser berücksichtigt. (rsa)

Verwendete Quellen: Eigene RTL-Recherche, Deutsche Presse-Agentur