Prozessauftakt gegen Berliner Palliativarzt

Er wirkt wie der nette Arzt von nebenan – doch Johannes M. soll mindestens 15 Patienten getötet haben

von Samina Faizi und Fabian Klein

Wie viele Leben hat Johannes M. auf dem Gewissen?
Wegen Morden in 15 Fällen steht der Berliner Palliativmediziner vor Gericht, es könnten zahlreiche weitere dazukommen. Mindestens 35 Verhandlungstermine sollen nun Klarheit bringen und auch Details zu einem möglichen Motiv liefern.

Johannes M. soll mindestens 15 Menschen getötet haben

Zunächst ging es um vier Patienten. Inzwischen steht der Berliner Palliativarzt im Verdacht, mindestens 15 Menschen getötet zu haben – und die Staatsanwaltschaft Berlin prüft noch 72 weitere Fälle. Am Montag (14. Juli) beginnt der Prozess gegen den bereits inhaftierten 40-jährigen Arzt unter großem Medien- und Publikumsandrang. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord aus Heimtücke und sonstigen niedrigen Beweggründen vor.

Vor Gericht hinterlässt Johannes M. einen aufgeräumten, ordentlichen Eindruck – wirkt auf RTL weder gruselig noch bedrohlich, viel mehr wie ein netter Arzt von nebenan. Er beantwortet die Fragen der Richterin bezüglich seiner Personalien höflich und mit klarer, relativ heller Stimme.

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Johannes M. soll mindestens 15 Menschen getötet haben.

Als bislang erstes und jüngstes Opfer nennt die 255-seitige Anklage eine 25-Jährige, als ältestes eine 87 Jahre alte Frau. Ohne „medizinische Indikation und ohne deren Wissen und Zustimmung“ soll Johannes M. zwölf Frauen und drei Männern in der Zeit von September 2021 bis Juli 2024 jeweils „ein tödliches Gemisch verschiedener Medikamente“ verabreicht haben.

Das Landgericht Berlin hat für den Prozess zunächst 35 Verhandlungstermine bis zum 28. Januar 2026 geplant. Es ist jedoch gut möglich, dass das nicht ausreicht. In dem Verfahren sind nach Gerichtsangaben bislang 13 Angehörige von Gestorbenen als Nebenkläger vertreten. Zu jedem Fall gibt es mehrere Zeugen, darunter Sachverständige. Insgesamt könnten damit rund 150 Menschen vor Gericht gehört werden.

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Johannes M. äußert sich bislang nicht zu Vorwürfen

Der deutsche Arzt soll die Taten im Rahmen seiner Tätigkeit für einen Pflegedienst in Berlin begangen haben. Palliativärzte begleiten schwerstkranke Menschen, um deren Schmerzen zu lindern. Der verheiratete Vater eines Kindes hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert, wie es übereinstimmend von Verteidigung und Staatsanwaltschaft heißt.

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Auch auf ein Gespräch mit einer psychiatrischen Sachverständigen ließ er sich nicht ein. Die Gutachterin wird das Verhalten des Angeklagten nun vor Gericht beobachten und Angaben von Zeugen hören, um ihre Einschätzung zu Charakter und Schuldfähigkeit des Mannes abzugeben. Bislang ist unklar, was das Motiv des Palliativmediziners gewesen sein könnte. Die in der Anklage genannten Opfer waren alle schwerstkrank, ihr Tod stand aber nicht unmittelbar bevor.

„Wir waren erschüttert über das Ausmaß der Ermittlungen“

Ausgelöst wurden die Ermittlungen gegen Johannes M. durch Brände, die er gelegt haben soll, um Tötungen von Patienten zu verdecken. Die Polizei ermittelte wegen Brandstiftung mit Todesfolge. Dabei geriet der Angeklagte zunehmend in den Fokus. Dazu beigetragen haben laut Staatsanwaltschaft Hinweise des Pflegedienstes, für den der Beschuldigte gearbeitet hatte.

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Der Prozess gegen den Palliativmediziner beginnt.
Der Prozess gegen den Palliativmediziner beginnt.
RTL

„Wir waren erschüttert über das Ausmaß der Ermittlungen und sind es auch angesichts der aktuellen Erkenntnisse“, teilte die Geschäftsführung des Pflegedienstes bei Anklageerhebung mit. „Wir haben intensiven Anteil an der Aufklärung der Hergänge und kooperieren weiterhin bestmöglich mit der Staatsanwaltschaft.“

Für den Fall wurde eine Ermittlungsgruppe des Morddezernats im Berliner Landeskriminalamt (LKA) eingerichtet. Diese hat Hunderte Unterlagen von Patienten des Mediziners ausgewertet. Bislang wurde laut Staatsanwaltschaft in 15 Fällen veranlasst, dass Leichen ausgegraben und rechtsmedizinisch untersucht wurden. In einem Fall stehe solch eine Exhumierung noch aus, sagte ein Behördensprecher. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. (fkl/dpa)