Auswanderer Wolfgang B. (77) wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes vor Gericht

„Die Worte erschüttern mich!” RTL-Reporterin trifft mutmaßlichen Vergewaltiger

Die Staatsanwaltschaft spricht von jahrelangem Missbrauch - der Angeklagte von «Beziehung».
Die Staatsanwaltschaft spricht von jahrelangem Missbrauch - der Angeklagte von „Beziehung”.
Leonie Asendorpf/dpa
von Julia Zimmermann

Er atmet schwer, wirkt erschöpft.
Mit einem grauen Aktenordner vor dem Gesicht betritt Wolfgang B. den Gerichtssaal in München. Ich, die RTL-Reporterin, sitze in der ersten Reihe im Zuschauerbereich und frage mich, ob er mich erkennen wird? Vor zwei Jahren habe ich ihn für ein Interview getroffen. Kurz danach wanderte er in Untersuchungshaft.

Ein Interview, das für immer in Erinnerung bleiben wird

Am 23. Mai 2023 begegne ich Wolfgang B. das erste Mal. Es liegen schwere Anschuldigungen gegen ihn vor. Er soll seine angeheiratete Nichte Jennifer in Brasilien vergewaltigt haben. Angefangen hätte der Missbrauch, als sie erst sechs Jahre alt gewesen ist, er schon fast 70. Nach jahrelangen sexuellen Übergriffen filmt das mittlerweile 14 Jahre alte Mädchen ihre eigene Vergewaltigung und zeigt das Video der Polizei. Wolfgang B. reist nach Deutschland – er flüchtet nicht, erklärt er mir damals im Interview. Er habe sich verletzt und wolle in Deutschland behandelt werden. In Brasilien aber wartet eine 30-jährige Haftstrafe auf den Mann.

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Schon damals frage ich mich, warum er einem Interview überhaupt zustimmt. Er sagt mir, er wolle in die Offensive gehen, sich gegen die falschen Anschuldigungen zur Wehr setzen. Jennifer und ihre Familie wollen ihn erpressen und nur an sein Geld. Doch im Interview werde ich überrascht: Intimen Kontakt mit Jennifer leugnet der Mann nicht, sie wäre zu dem Zeitpunkt aber bereits 14 Jahre alt gewesen und hätte dem zugestimmt. Ein Video existiert auch, aber: „Da ist ein bisschen was zu sehen, dass ich mit ihr was mache, aber nichts Ernstes und schon gar keine Vergewaltigung“, sagt der Mann, der nur einen Meter vor mir steht.

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„Ich bin ein Mann. Und sie ist ein hübsches Mädchen.“

Ich frage Wolfgang B., wie der Kontakt zu einem Mädchen, dass er selbst wie seine eigene Tochter großgezogen hat, plötzlich intim werden konnte. Er antwortet mir: „Ich bin ein Mann. Und sie ist ein hübsches Mädchen.“ Wolfgang B. erzählt mir, dass Jennifer schon vor ihm mit anderen Männern intim geworden sei. „Es ist ja was anderes, ob ich ein unerfahrenes Kind verführe mit Gewalt, oder mit jemandem was habe, die schon x Männer vor mir hatte.“, sagt er zu mir. Ich sage, dass es doch aber trotzdem noch ein Kind bleibt. Wolfgang B. antwortet: „Geistig schon, aber körperlich nicht.“ Die Worte erschüttern mich.

Nach unserem Interview kontaktiere ich die Polizei. Ich will wissen, ob nun auch in Deutschland gegen Wolfgang B. vorgegangen wird. Nach mehreren Telefonaten berichtet mir die Kripo, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Ein paar Wochen später wird Wolfgang B.s Haus in München durchsucht, seit Januar 2024 sitzt der mittlerweile 75-Jährige in Untersuchungshaft.

Wolfang B. wird der Prozess gemacht

Am 18. Juni begann der Prozess gegen Wolfgang B. Die Anklageschrift ist lang, es dauert eine ganze Stunde sie vorzulesen. Voll mit Beschreibungen von insgesamt 120 Missbrauchsfällen, die Wolfgang B. seiner angeheirateten Nichte Jennifer über knapp acht Jahre angetan haben soll. Außerdem hat man bei seiner Hausdurchsuchung auch kinderpornografische Inhalte gefunden. Die Taten so detailliert zu hören, ist schwer. Ich beobachte Wolfgang B., der mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen der Staatsanwältin zuhört. Fast wirkt es, als würde er einschlafen.

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Doch auch bei seiner Aussage bleibt er dabei: Er habe Jennifer nie vergewaltigt. Das alles sei von „ihrer Gangsterfamilie“ geplant, um an sein Geld zu kommen. Doch der wohl schockierendste Moment ist, als der Richter Wolfgang B. fragt, wie seine Traumfrau aussehen würde, wenn er sie sich wünschen könnte. Wolfgang B. antwortet ohne zu zögern: „So wie Jennifer. Das hat weniger mit dem Alter zu tun, sondern mit dem Ausschauen. Schlank und ich hatte immer einen Hang zu Exotischem.“

Ich bin erschüttert, dass sich Wolfgang B. auch jetzt vor Gericht nicht reumütig zeigt und sich keiner Schuld bewusst zu sein scheint. Anfang August soll das Urteil gesprochen werden. Dem mittlerweile 77-Jährigen droht eine Haftstrafe von zwei bis 15 Jahren.