Mädchen in Brasilien missbraucht und geschwängert
Auswanderer Wolfgang B. (77) sieht Opfer Jennifer (17) immer noch als seine Traumfrau
Schwer atmend betritt Wolfgang B. den Gerichtssaal.
Der 77-Jährige hält sich einen dunklen Aktenordner vors Gesicht, das Sprechen fällt ihm schwer, als er sich vorstellt. Der Deutsche, der jahrelang als Reiseveranstalter am Amazonas lebte, soll die Nichte seiner Ex-Lebensgefährtin in Brasilien missbraucht haben. Zweimal soll die heute 17 Jahre alte Jennifer von ihm schwanger geworden sein. Darum wird ihm nun in München der Prozess gemacht.
Anklageverlesung gegen Brasilien-Auswanderer dauert eine Stunde
Die Liste der Taten, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, ist lang: sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, sexueller Missbrauch und schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Besitz und Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten. Acht Jahre lang soll er sich immer wieder an Jennifer vergangen haben. Als der Missbrauch anfing, soll das Mädchen gerade mal sechs oder sieben Jahre alt gewesen sein. Er soll die Nichte seiner Frau auch gezwungen haben, sich piercen und tätowieren zu lassen.

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Dem 77-Jährigen werden insgesamt 120 Taten vorgeworfen. Es dauert etwa eine Stunde, bis alle Anklagepunkte im Gerichtssaal vorgelesen werden. Währenddessen sitzt Wolfgang B. mit verschränkten Armen auf seinem Platz. Er hält den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Es wirkt fast so, als würde er einschlafen. Erst als er direkt angesprochen wird, hebt er den Kopf und bespricht sich mit seinem Anwalt.
Missbrauch bezeichtet Wolfgang B. als „Beziehung”
Dann lässt Wolfgang B. seinen Verteidiger eine Erklärung vorlesen. Er und seine damalige Partnerin hätten Jennifer in die Familie aufgenommen, damit ihr gemeinsamer Sohn nicht als Einzelkind aufwachsen würde. Jennifer lebte vorher in einem Waisenhaus, weil ihr Vater tot und ihre Mutter (die Schwester von Wolfgang B.s Lebensgefährtin) im Gefängnis war. In der Erklärung ist von Unrechtsbewusstsein beim Angeklagten nicht viel zu erkennen. Wo die Anklage von Missbrauch spricht, spricht der 77-Jährige von „Beziehung”.
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Das Mädchen habe schon als Achtjährige „eine Beziehung“ mit einem Mann gehabt, lässt der Angeklagte mitteilen. Als Zehn- oder Elfjährige habe sie dann wieder „ein Verhältnis“ mit einem älteren Mann angefangen. Auch als er sich später den Fragen des Richters stellt, erklärt B.: „Es gab auch Freundinnen von Jennifer, die hatten mit zwölf schon einen dicken Bauch. Da drüben ist das einfach anders.“

Angeklagter sah Mädchen nicht als Kind
Weder in Deutschland noch in Brasilien ist es möglich, „Beziehungen“ zu Kindern zu führen. Sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern sind rechtlich nie einvernehmlich, sondern immer Kindesmissbrauch. Er habe Jennifer „einfach nicht als Kind gesehen”, gibt B. zu.
Dass er Jennifer immer noch nicht nicht als schutzbedürftige Minderjährige wahrnimmt, wird auch klar, als der Richter fragt: „Wenn sie sich eine ideale Partnerin wünschen dürften, wie würde die ausschauen?“ „So wie Jennifer“, antwortet der Angeklagte. Das habe nichts mit ihrem Alter zu tun, behauptet er, sondern mit ihrem Aussehen. „Schlank und ich hatte immer einen Hang zum Exotischen.“
Wolfgang B. in Brasilien wegen Kindesmissbrauch verurteilt
In seiner Erklärung gibt B. zu, dass auch er später eine „intime Beziehung“ zu Jennifer gehabt habe. Es habe aber nie „vaginalen Geschlechtsverkehr“ gegeben. Er habe dem Mädchen auch nie Gewalt angedroht oder angetan, um sexuelle Handlungen einzufordern, lässt er über seinen Anwalt erklären. Im Gespräch mit RTL erklärte der Verteidiger des 77-Jährigen, dass sie noch versuchen wollten, mehrere Zeugen von Brasilien nach Deutschland zu holen, die B. entlasten könnten.
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In Brasilien wurde B. in Abwesenheit wegen der Missbrauchstaten an Jennifer zu 30 Jahren Haft verurteilt. Dass er dort überhaupt verfolgt wurde, liegt aus Sicht des 77-Jährigen nur daran, dass er Deutscher sei – ein „gefundenes Fressen für die Sensationspresse“, glaubt er. Im RTL-Interview erklärte B. vor seiner Festnahme, dass die Nichte seiner damaligen Freundin ihn nur angezeigt habe, um an Geld zu kommen.
Prozess gegen Auswanderer soll noch bis August laufen
Auch Jennifer selbst könnte in dem Prozess zu Wort kommen. Die 17-Jährige wurde per Video von einer Ermittlungsrichterin befragt. Ob die Aufnahmen vor Gericht gezeigt werden oder ob das Mädchen vielleicht sogar noch weiter aussagen muss, soll noch entschieden werden.
Im Falle einer Verurteilung drohen Wolfgang B. zwei bis 15 Jahre Haft in Deutschland. Wie hoch die Strafe ausfällt, hängt damit zusammen, was die höchste Einzelstrafe im Falle einer Verurteilung wäre, erklärt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Sigrid Dörmer. Daraus müsse der Vorsitzende Richter dann eine Gesamtstrafe bilden. Am 23. Juni soll der Prozess weitergehen, ein Urteil könnte im August fallen.
Wenn es in eurem Umfeld sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen gibt oder ihr selbst betroffen seid, findet ihr unter der Nummer 0800 – 22 55 530 oder unter www.hilfe-portal-missbrauch.de Menschen, mit denen ihr darüber sprechen könnt.