Weihnachts-Tipps von der Psychologin

Angst vor Corona und Einsamkeit? So retten Sie Ihr Fest!

Junge Frau sitzt traurig und allein vor dem Weihnachtsbaum
Viele fürchten sich vor einem einsamen Weihnachtsfest
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Nur noch ein paar Tage – dann ist Weihnachten. Und zwar eins, wie wir es noch nie erlebt haben: Wen unserer Liebsten können wir dieses Jahr sehen? Wie können wir miteinander feiern, ohne uns gegenseitig in Gefahr zu bringen? Die Angst vor Corona ist allzeit präsent. Der Weltärztebund-Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery warnt vor einem „Fest mit einem Todesrisiko für manche Menschen“. Viele fürchten sich aber auch vor Einsamkeit. Psychologin Ulrike Scheuermann gibt im Interview mit spot on News Tipps, wie wir das Weihnachtsfest trotz alldem retten können.

"Realistisch und pragmatisch bleiben"

Angst vor Corona und Einsamkeit? Das rettet Ihr Weihnachtsfest!
Gerade an Weihnachten sollten wir Vorsichtsmaßnahmen treffen

Wenn die Angst vor dem Virus zum ständigen Begleiter wird, wirkt sich das laut Ulrike Scheuermann unterschiedlich aus:“Manche Menschen wehren die Angst ab, indem sie die unangenehme Emotion verdrängen oder die Risiken in Form von Sorglosigkeit bagatellisieren. ‘Ich bin doch gesund und habe kaum Außenkontakte, da werde ich schon nicht ansteckend sein.’

Andere reagierten über: nicht mehr aus dem Haus gehen, sich zurückziehen, nicht mal mehr telefonieren. So würden sie vereinsamen oder sich selbst nicht mehr gut versorgen. „Empfehlenswert ist aber ein bewusster Umgang mit Angst: das Gefühl aushalten, bis es wieder abflaut, und die empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen treffen. Versuchen, realistisch und pragmatisch zu bleiben, denn Leben birgt immer Risiken.“

"Keine zu hohen Erwartungen"

Aber kann man den Stress und die Angst rund um die Corona-Krise wirklich ausblenden? Was können wir für ein harmonisches Fest tun? „Das Wichtigste ist - wie jedes Jahr zu Weihnachten: keine zu hohen Erwartungen!“, rät Scheuermann. „Sie sind kontraproduktiv für eine harmonische Stimmung. Es muss ja Stress entstehen, wenn zu hohe Erwartungen und die Realität voneinander abweichen. Dann ist man enttäuscht und ärgerlich.“

Man sollte stattdessen offen sein für ein Fest, das uns neue positive Erfahrungen jenseits eingefahrener Routinen bescheren kann. „Zum Beispiel erlebe ich gerade, dass sich viel mehr Menschen ehrlich auf Weihnachten freuen als sonst und auf die Familie oder die wichtigsten Freunde besinnen, die eine verlässliche Größe im Leben darstellen. Da wird die Toleranz für die Macken der anderen größer, weil es wichtiger wird, dass sie da sind.“

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Bei Einsamkeit selbst melden

Wegen Corona werden wohl deutlich mehr Menschen als sonst die Weihnachtsfeiertage alleine verbringen. Dabei sei es der Expertin zufolge wichtig, sich trotz räumlicher Trennung zugehörig zu fühlen: „Wir haben inzwischen alle die Erfahrung gemacht, dass man mit konzentrierten Telefonaten, Videomeetings und Chats zumindest übergangsweise den physischen Kontakt ersetzen kann. Und Weihnachtsstimmung kann auch entstehen, wenn man mit Abstand draußen feiert, denn es sind immer die Menschen, die dem Weihnachtsfest seine besondere Stimmung verleihen, nicht einfach die Sofaecke des Wohnzimmers.“

19.11.2020, Weihnachts-Pakete werden an der Haustüre angeliefert. 19.11.2020, Weihnachten Geschenke 19.11.2020, Weihnachten Geschenke *** 19 11 2020, Christmas parcels are delivered to the front door 19 11 2020, Christmas presents 19 11 2020, Christmas presents
Geschenke können auch ohne direkte Übergabe das Herz erwärmen
www.imago-images.de, imago images/MiS, via www.imago-images.de

Außerdem seien Briefe und Geschenke jetzt bedeutsamer denn je: Die Botschaft „Ich denke an dich“ verbinde Verschenkenden und Empfänger. Scheuermann appelliert zudem: „Menschen, die Sorge haben, dass sie vereinsamen, sollten unbedingt aktiv jemanden darum bitten, sich zu melden, anstatt passiv abzuwarten und möglicherweise vergeblich zu hoffen.“

Kleine Runde = mehr emotionale Nähe

Ein Fest in kleiner Runde bietet laut der Psychologin auch Vorteile: Eingefahrene Routinen können aufgebrochen werden, Gespräche werden tiefergehender und ermöglichen mehr emotionale Nähe. „Durch weniger Menschen im Raum wird das Fest stiller und besinnlicher.“ Scheuermann ruft zur Rücksicht auf: „Wir müssen zurzeit besonders mitbedenken, dass jeder auf irgendeine andere Weise seinen persönlichen Stress mit Corona hat. Nachsicht bringt hier allen Beteiligten mehr. Statt Vorwürfe zu machen, werden wir lieber freundlich nachfragen oder bitten.“

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Lernerfahrung für die Zeit danach

Wie es mit den Corona-Beschränkungen weitergeht, ist noch unklar – dass sie bis März andauern, aber wahrscheinlich. Scheuermann erklärt, warum ein so langer Verzicht auf Kontakt und Nähe auch etwas Positives haben kann: „Wir realisieren gerade bewusster denn je die Kostbarkeit unserer nahen sozialen Beziehungen, die Bedeutung von Berührungen und den Wert der Begegnung mit anderen Menschen. Das ist eine Lernerfahrung, die wir uns für die Zeit danach bewahren werden. Wir fokussieren uns stärker auf die wenigen Kontakte und leben diese inniger, liebevoller und konzentrierter.“

Auch vermeintliche Kleinigkeiten hätten bisher ungenutztes Potenzial – so etwa kleine Begegnungen auf der Straße: „Den Vorübergehenden ‘Guten Tag’ sagen und ein Lächeln schicken, kann die Stimmung für den ganzen Tag um das entscheidende Maß aufhellen.“

Fehlenden Körperkontakt mit Self Care ausgleichen

Frau in der Badewanne
Ein Vollbad kann keine Umarmung ersetzen - fürs Körpergefühl ist es trotzdem schön
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Gegen den Mangel an körperlichen Berührungen empfiehlt Scheuermann intensive „Self Care“: ausgiebige Körperpflege mit Baden, langem Duschen, Eincremen und Massage. Musikhören, Tanzen in der eigenen Wohnung, sich gut bekochen, viel rausgehen bei jedem Wetter, am besten auch mit Sport“ All das stärkt das Körpergefühl und hebe die Stimmung nachweislich.

„Aber ich will nichts wegreden“, erklärt die Psychologin. „Zu wenig Kontakt kann zu psychischen Belastungen führen, sogar Depression und körperlichen Krankheiten. Umso wichtiger ist es, kreativ zu werden und aktiv neue Kontaktformen zu finden. Wir brauchen zurzeit die gegenseitige Unterstützung mehr denn je. Emotional ("Wie geht es dir? Ich denke an dich!"), wirtschaftlich ("Kann ich dir aushelfen?") und alltagspraktisch ("Ich gehe jetzt einkaufen, soll ich dir etwas mitbringen?"). Helfen wir einander und lassen wir uns helfen. Zeigen wir uns gegenseitig, dass wir aneinander denken und bereit sind, zusammenzurücken. Das ist das Wichtigste in dieser Pandemiezeit - und erst recht zu Weihnachten.“

spot on news/RTL