Bin ich das wirklich?

Warum wir unsere eigene Stimme seltsam finden

Concentrated young hispanic business woman listening audio message on smartphone, sitting at table with computer. Focused millennial female employee worker communicating distantly using mobile apps.
Die eigene Stimme in Sprachnachrichten zu hören, ist immer komisch – aber warum eigentlich?
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Habt ihr schon mal eine Sprachnachricht von euch angehört?
Klingt irgendwie seltsam, oder? Fremd, anders als man dachte und vielleicht sogar unangenehm. Das geht wohl den meisten Menschen so. Nur, woran liegt es eigentlich, dass wir uns jedes Mal irritiert fragen: Klinge ich wirklich so? Ruth Marquardt, systemische Beraterin, hat erklärt, warum wir unsere eigene Stimme meist komisch – und welche Stimmen wir hingehen super finden.

Woran liegt es, dass wir unsere eigene Stimme seltsam finden?

Eigentlich müssten wir unsere eigene Stimme doch am allerbesten kennen – schließlich hören wir sie den ganzen Tag, und zwar jeden Tag. Doch statt dass sie uns total vertraut ist, wenn wir sie zum Beispiel in einer Sprachnachricht hören, ist sie uns fremder denn je. Woran liegt das? Sind wir einfach nur extrem selbstkritisch – oder liegt der Grund ganz woanders?

„Wenn wir unsere Stimme hören – im Alltag, während wir mit anderen sprechen – überträgt sie sich von außen auf unser Ohr“, erklärt Expertin für Mental Health und systemische Familienberaterin Ruth Marquardt im RTL-Interview. Dieser Weg über die Luft von außen wird als Luftleitung bezeichnet.

Zusätzlich nimmt unsere Stimme aber noch einen anderen Weg: die sogenannte Knochenleitung. „Hier schwingen Teile unseres Körpers mit der Vibration der Stimme mit.“ Ihr wollt die Knochenleitung testen? Wenn ihr einmal kurz summt, fühlt ihr die Vibration.

Selbst nehmen wir unsere Stimme also über zwei Wege wahr. Hören wir sie auf einer Aufnahme, fehlt aber ein Weg, denn: „Das Mikrofon oder unser Handy fängt nur die Luft-Übertragung der Stimme ein. Damit fehlt der uns so vertraute zweite Kanal – die Körper-Übertragung“, sagt Marquardt.

Die Folge: Unsere Stimme klingt für uns fremd und ungewohnt.

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Wann empfinden wir Stimmen als angenehm und wann eher nicht?

„Im Radio oder Fernsehen hören wir am liebsten Männerstimmen zu“, weiß die Expertin. Der Grund: Wir empfinden eine tiefe Männerstimme als vertrauenswürdig, kompetent und souverän. Bei höheren Stimmen empfinden die meisten Menschen eher das Gegenteil.

Schon gewusst? Die Stimmen von Frauen haben sich in der vergangenen rund 100 Jahren verändert – sie sind tiefer geworden. Experten vermuten, dass das viel mit der Emanzipation der Frauen zu tun habe. „Frauen haben sich in ihrer Sprechweise angepasst, um kompetenter und durchsetzungsfreudiger zu wirken. Diese Merkmale werden eher tieferen Stimmen zugeschrieben“, erklärt Marquardt weiter.

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Ist unsere Stimme einzigartig wie unser Fingerabdruck?

„Unsere Stimme ist so individuell wie unser Fingerabdruck“, sagt Marquardt. Allerdings mit einer Einschränkung: Fingerabdrücke sind konstant, verändern sich nicht. Unsere Stimme ist zwar ebenfalls einzigartig, schwankt aber je nach eigener Stimmung.

Das hat vor allem zwischenmenschlich Vorteile: „Wir können an der Stimme erkennen, ob unser Gegenüber eher fröhlich, angespannt oder genervt ist.“ So sind wir in der Lage, feinste Nuancen in der Stimme wahrzunehmen und dabei Rückschlüsse auf den Gemütszustand des Sprechers zu schließen.

Als Beispiel: „Auch wenn unsere beste Freundin ihre Trauer oder Enttäuschung vor uns verbergen möchte – hat sie keine Chance. Allein an der Stimme können wir es glasklar heraushören“, erklärt die Expertin. Nicht umsonst haben sprachlich „Stimme“ und „Stimmung“ den gleichen Wortstamm.

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Können wir uns besser an unsere eigene Stimme gewöhnen?

Nicht zuletzt, weil unsere Stimme so ein wichtiges Kommunikationsmittel ist, lohnt es sich also, sich mit seiner „Außenstimme“ vertrauter zu machen, rät auch Marquardt.

Es ist, als würden wir einen anderen Menschen kennenlernen: Neugier und Offenheit und ein wenig Wohlwollen sind hilfreich, wenn wir mit unserer Stimme vertraut werden wollen.“ Wer sich intensiv mit seiner Stimme auseinandersetzen wolle, könne beispielsweise ein Sprechertraining machen und dabei unterschiedliche Rollen und Dialekte ausprobieren.

„Unsere Stimme ist so vielfältig. Sie ist unser Tor zur Welt, unsere Verbindung zu anderen Menschen – und dabei noch intensiver als Mimik und Gestik.“