Erst durch eine OP kann sie Sex habenLeben mit dem seltenen MRKH-Syndrom: Annekathrin (26) hat keine Vagina
Annekathrin G. ist 26 Jahre alt und glücklich verheiratet. Dass sie eine seltene Krankheit hat, sieht man ihr nicht an. Aber: Ihre Krankheit ist nicht nur selten, sondern auch noch unter dem umständlichen Namen Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS) bekannt. Wenn Sie davon noch nie gehört haben, sind Sie damit vermutlich nicht allein. Dahinter verbirgt sich eine angeborene Fehlbildung des weiblichen Genitals. Kurzum: Annekathrin hat keine „richtige“ Vagina.
Als sie 15 Jahre alt ist, bekommt Annekathrin Gewissheit: Sie hat das MRKH-Syndrom
„Mit 15 Jahren hatte ich damals meinen ersten Freund. Irgendwann, wie der Lauf der Dinge eben so ist, möchte man natürlich das erste Mal miteinander haben. Aber als es dann soweit war, habe ich mich komisch gefühlt und alles hat sehr weh getan“, erzählt die 26-Jährige aus Gladbeck im RTL-Interview. Zu diesem Zeitpunkt denkt sie zum ersten Mal: Mit mir stimmt etwas nicht, irgendwas ist anders. Sie geht zum Frauenarzt und lässt sich dort untersuchen. Die Ärzte klären sie auf: Annekathrin hat das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS) und somit keine „richtige“ Vagina.
„Ich wurde dann ins Krankenhaus gebracht und man hat mir gesagt, ich hätte nur eine kleine OP vor mir, danach würde alles okay werden.“ Doch die Operation, bei der untersucht werden soll, was Annekathrin genau hat, dauert letztendlich ganze fünf Stunden; der Tag selbst soll alles in ihrem Leben verändern. „Meine Mama und mein Freund waren auch vor Ort, wir alle haben geweint“, erinnert sich die 26-Jährige. „Im Prinzip kann man sagen, dass meine Scheide nicht richtig angelegt und meine Gebärmutter zu klein ist. Aus diesem Grund werde ich vermutlich selbstständig auch kein Kind bekommen können.“
Das versteht man unter dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS)
Aber was genau hat es mit dem MRKH-Syndrom auf sich? Wie viele Frauen betroffen sind, ist unklar. Es wird vermutet, dass die Fehlbildung des weiblichen primären Geschlechtsorgans auf einen Chromosomenfehler zurückzuführen ist. Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind nicht beeinträchtigt und entwickeln sich im Laufe der Pubertät ganz normal.
Nur eine OP hilft Annekathrin: Mit 18 Jahren wird ihre Scheide angelegt. „Das war die Hölle. Aber jetzt kann ich Sex haben, wie jede andere Frau auch – das ist mittlerweile möglich. Aber es war ein langer Weg bis dahin.“ Dass Frauen, die MRKHS haben, penetrativen vaginalen Geschlechtsverkehr haben können, geht nur mithilfe einer chirurgischen Korrektur. Denn anstelle eines Organs, das mehrere Zentimeter lang und breit ist, haben Betroffene nur einen Gewebestrang oder eine Art Grube am Eingangsbereich der Scheide.
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OPs und Hänseleien: Die 26-Jährige hat einen langen Leidensweg hinter sich
Annekathrin G. möchte aufmerksam machen auf ihren Leidensweg. „Ich musste mich in meiner Jugend so oft erklären. Was genau hast du? Was ist anders mit dir? Bist du dann überhaupt eine ‘normale’ Frau?“, sagt sie.
Nicht nur die ganzen Operationen bereiten ihr während ihrer Jugend schlaflose Nächte, sondern es sind vor allem die Anderen – vermeintlichen Freunde – von denen sie sich lauter blöde Bemerkungen anhören muss. „Was in meinem Freundeskreis teilweise passiert ist, ist eigentlich völlig inakzeptabel. Ich wollte es natürlich nicht jedem auf die Nase binden, dass ich keine ‘richtige’ Vagina und keine ‘richtige’ Gebärmutter habe und deswegen auch meine Periode nicht bekomme. Aber meine damalige beste Freundin hat es so gut wie immer heraus posaunt. Von den Jungs kamen dann teilweise dumme Kommentare von wegen ‘Oh cool, dann kannst du ja gar nicht schwanger werden, wenn wir Sex mit dir haben.’“
Annekathrins größtes Ziel: Die Krankheit soll mehr Aufmerksamkeit bekommen!
Mittlerweile habe Annekathrin G. gelernt damit zu leben: „Ich bin viel stärker geworden und das Thema tot zu schweigen, ist totaler Schwachsinn.“ Doch gerade früher sei es häufig frustrierend gewesen: „Die Ärzte wussten auch häufig nicht weiter. Manchmal habe ich mich dann gefühlt wie ein Objekt, als man mich zum X-ten Mal untenrum untersucht hat.“
Ihr Partner, mit dem sie seit kurzem verheiratet ist, wisse selbstverständlich alles über ihre Krankheit und ihren Leidensweg. Aktuell überlegen beide, wie es mit der Familienplanung weitergehen soll: „Eine Gebärmuttertransplantation wäre möglich, aber es ist natürlich sehr schwer, eine Spenderin zu finden. Meine Mutter hat sich angeboten, aber sie ist leider zu alt und kommt somit nicht mehr in Frage. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt“, sagt Annekathrin.
Dass alleine über die Krankheit gesprochen wird, sei ihr mit das Wichtigste: „Ich weiß, dass ich nicht die einzige Betroffene bin und würde mich freuen, wenn das Ganze endlich Gehör bekommt.“ (llu)
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