Münchner Blumenhändler in der Kritik
Sind diese rassistischen Vasen noch Kunst oder können die weg?
„Ihre Vasen sind rassistisch!“ Diesen Vorwurf muss sich der Münchner Florist Steffen Laible gefallen lassen. Die Blumenvasen sind berühmte Deko-Objekte aus Italien und zeigen Köpfe Schwarzer Menschen. Ist das rassistisch oder ist die ganze Aufregung einfach nur übertrieben?
Rassistische Vasen in Münchner Schaufenster lösen Kritik aus

„Wir haben hier Vasen aus einer italienischen Manufaktur, die in Venedig sitzt und die diese stilisierten Köpfe nachgemacht hat, die auf eine alte italienische Legende aus dem 11. Jahrhundert zurückgeht. Und hier haben wir sie aus dem Interior-Bereich in einer sehr edlen Darstellung“, erklärt Laible im RTL-Interview.
Muss nicht sein, sagt die „Fachstelle für Demokratie“ der Stadt München. Die hatte nämlich eine Beschwerde einer Passantin als begründet bewertet und diese an Florist Laible weitergeleitet. Demnach sei die Darstellung von Schwarzen Menschen mit überzeichneten, oftmals roten Lippen eine häufig zu findende rassistische Darstellungsform von Schwarzen, die in der Regel ihren Ursprung in der Kolonialzeit habe.
Die Entscheidung, ob und wie er mit den Anregungen verfährt, liege beim Blumenhändler. Konsequenzen von Seiten der Stadt München habe er jedenfalls keine zu befürchten. Trotzdem bittet die Fachstelle darum, „die Vasen zu entfernen und den Verkauf nicht ganz so präsent anzubieten.“
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"Teste di Moro"-Vasen sollen Kunst aus Sizilien sein

Nach Sicht des Blumenhändlers aus München sind die Vasen jedoch jahrhundertealte Kunst. „Die Legende geht nach Sizilien nach Palermo. Eine junge Tochter aus einem herrschaftlichen Haus hatte sich verliebt in einen Afrikaner. Sie hatten eine Liebesnacht hinter sich gebracht. Er musste sie aber verlassen, da er selber eine Familie zu Hause hatte. Und als Rache schlug sie ihm den Kopf ab, stellte diesen Kopf auf den Balkon und bepflanzte ihn mit Basilikum“, erklärt Steffen Laible weiter. Außerdem sei die Legende im 11. Jahrhundert entstanden, also vor der Kolonialzeit. In Sizilien würden die Vasen häufig vorkommen, seien zudem ein Exportschlager, so der Florist.
Doch nur weil rassistische Stereotype Tradition haben und lange als salonfähig galten, sind diese noch lange nicht okay, findet die „Fachstelle für Demokratie.“ Auf RTL-Nachfrage heißt es: „Der Ursprung der Darstellung in einer sizilianischen Legende ändert nichts an der Bewertung der Fachstelle der Schaufensterdekoration.“ Unabhängig der ursprünglichen Intention falle eine derartige Darstellung von Schwarzen Menschen karikierend, abgrenzend und rassistisch aus der Zeit.
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Tahir Della: Es ist ein wenig wie 'täglich grüßt das Murmeltier

Die Diskussionen über Rassismus halten viele für übertrieben, allerdings wenn man selbst betroffen ist, sieht die Sache natürlich ganz anders aus. Tahir Della ist der Sprecher der Initiative „Schwarze Menschen in Deutschland“.
„Es ist ein wenig wie ‘täglich grüßt das Murmeltier.’ Wir sprechen ja immer wieder Rassismus an, in Sprache, in Medien, in Filmen und Bildern, wo Stereotypen reproduziert werden von Schwarzen Menschen, also wie sehen Schwarze Menschen vermeintlich aus. Und in der Regel kommt die Reaktion: Das war nicht so gemeint, das hat eine Tradition, das war ursprünglich positiv gemeint. Wir kommen jedoch nie zu dem Punkt, dass Rassismus eben auch dann funktioniert, wenn keine Intention vorliegt.“
Im Fall der Blumenvasen würden Stereotype abgerufen werden, wie Schwarze Menschen vermeintlich aussehen und was entsprechend auf der Reduziertheit von Hautfarbe, Turban und Ohrringen basiert. „Also alles Bilder, die ganz klar rassistisch konnotiert sind und die sich fest eingeschrieben haben in unseren Vorstellungen wie Schwarze Menschen aussehen“, erklärt Della im RTL-Interview.
Für die Legende aus Sizilien hat der Aktivist nur ein müdes Lächeln übrig. „Damit wird versucht zu erklären, dass Schwarze Menschen mit diesen rassistischen Bildern zu leben haben. Dass Rassismus fester Bestandteil der Gesellschaft ist und dass Schwarze Menschen eigentlich keine Möglichkeit haben, das zu Adressieren und das auch tatsächlich aus dem Kopf, aus dem Mind der Menschen rauszubringen“, so der Sprecher der Initiative „Schwarze Menschen in Deutschland“.
Eine Lösung wäre laut Della recht einfach: „Wenn Menschen, die von Rassismus betroffen sind und Dinge artikulieren und klar sagen, wir fühlen uns davon diskriminiert – dann wäre es doch einfach zu sagen, es war nicht meine Absicht, das war nicht meine Intention, ich räume die Vasen raus aus dem Schaufenster.“
Umfrage: Neun von zehn Menschen sehen Rassismus in Deutschland
Oftmals stören sich Weiße Menschen nicht an klischeehaften Darstellungen oder Bezeichnungen aus der Kolonialzeit oder davor. Sie werden freilich damit nicht ständig konfrontiert, betitelt oder gezeigt. Deshalb sollten wir Betroffene von Rassismus die Entscheidung überlassen, was verletzend und beleidigend, also was rassistisch ist und was nicht. Sich mit den Begrifflichkeiten auseinanderzusetzen, kann aber helfen zu verstehen, warum sich viele Menschen in Deutschland zurecht über rassistische Diskriminierungen und strukturelle Benachteiligungen beklagen und ihre Stimmen lauter werden. Als Nicht-Betroffener sollte man zunächst diesen einen Rat befolgen: gut zuhören und die geschilderten Rassismuserfahrungen Betroffener ernst nehmen.
Rassistische Vorfälle sind in Deutschland übrigens kein Randphänomen. Rund 45 Prozent der Bevölkerung haben laut einer repräsentativen Umfrage schon einmal persönlich rassistische Vorfälle beobachtet. Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung (etwa 22 Prozent) gibt an, bereits selbst von Rassismus betroffen gewesen zu sein. Das geht aus der Auftaktstudie zu einem neuen Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor hervor, der erst vor wenigen Wochen in Berlin vorgestellt wurde und in den nächsten Jahren fortgeschrieben werden soll. Unabhängig vom eigenen Erleben stimmen 90 Prozent der Menschen hierzulande der Aussage "Es gibt Rassismus in Deutschland" zu.
Die Forscher kommen zu dem Schluss, Rassismuskritik werde oft dadurch abgewehrt, dass Betroffenen eine Hypersensitivität unterstellt werde. Den Angaben zufolge ist ein Drittel der Bevölkerung tendenziell der Auffassung, dass Menschen, die sich über Rassismus beschweren, "häufig zu empfindlich" seien. 11,6 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage voll und ganz zu, 21,5 Prozent stimmten ihr eher zu.
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Münchner Blumenhändler: Hoffen, dass die Töpfe bald verkauft werden
Steffen Laible sagt, er findet die Diskussionen um sensible Themen wichtig – jedoch könne er nicht nachvollziehen welcher Weg gegangen wurde. „Was mich am meisten verwundert hat, ist, dass die Stelle („Fachstelle für Demokratie“ der Stadt München, Anm. d. Redaktion) genau über uns sitzt und dass nicht im Wege der Demokratie ein kurzes Gespräch mit uns gesucht wurde, was wir hier überhaupt präsentieren, was wir hier zeigen“, so der Blumenhändler. Der Empfehlung der Fachstelle will Laible übrigens erst einmal nicht nachkommen: „Wir hoffen, dass die Töpfe bald schnell verkauft werden und einen wunderschönen Platz Zuhause finden. Bis dahin bleiben sie im Schaufenster, weil wir der Welt zeigen möchten, wie offen wir sind und was es schönes gibt“.
Wer sich darüber aufregt, muss jedoch nicht aus dem Sattel steigen. Das Schaufenster seines Blumengeschäfts „Bahlmann“ wird alle zwei Wochen mit einer neuen Dekoration ausgestattet. Die Vasen aus Sizilien kommen also so oder so weg.