Bayerisches Kultusministerium blamiert sich"Mit Sicherheit und Freiheit Flexen? Safe!" - Lehrer-Werbekampagne geht ordentlich nach hinten los

Obertshausen: Lehrer und Sportkoordinator Sebastian Hix betreut die Schüler, die viele Wochenenden auf Turnieren unterwegs sind: "Wir müssen natürlich gucken, dass die Hausaufgaben bewältigt werden können und die Lücken nicht zu groß werden."
Zu viele Lücken: Im vergangenen Jahr konnten knapp zehn Prozent der Lehrer-Stellen nicht besetzt werden.
Benjamin Fischer, RTL, RTL Hessen

Bayern braucht mehr Lehrer. Allein im vergangenen Jahr konnten knapp zehn Prozent der Stellen nicht besetzt werden. Das Kultusministerium trat deshalb an den Nachwuchs heran. Mit jugendlichen Slogans wurden hier aber falsche Versprechungen gemacht.

Mit jugendlichen Slogans an der Realität vorbei

Die Pandemie hat es verdeutlicht: Lehrer fehlen an allen Ecken und Kanten. Deshalb müssen nun kreative Maßnahmen ergriffen werden. Das nahm das bayerische Kultusministerium offenbar zu wörtlich und wollte mit einer Werbekampagne vor allem jüngere Kandidaten erreichen. Die Kampagne ging nach hinten los und verärgert nun vor allem gestandene Lehrkräfte.

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Beispiel gefällig? Hier kommt eins: „Mit Sicherheit und Freiheit Flexen? Safe! Als Lehrerin oder Lehrer hast du jede Menge Flexibilität: Spontan am Nachmittag Zeit für Family & Friends? Sichi! Dazu kommen die ganzen Sicherheiten des Lehramts: auf Lebenszeit verbeamtet und gut bezahlt.“

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Zu finden sind Slogans wie dieser auf Plakaten und Postkarten. Der Verbreitungsweg ist zwar eher nicht jugendlich, dafür wollten sich die Macher sprachlich an jüngeren Kolleginnen und Kollegen orientieren. Hohe Erfolgsaussichten dürfen jedoch bezweifelt werden – vor allem weil die Sprüche mit Klischees spielen. Viele bayerische Lehrer fühlen sich in einem falschen Licht dargestellt – in den sozialen Netzwerken entlädt sich der Zorn.

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In den sozialen Netzwerken entlädt sich Hohn und Zorn

Kommentare in der Bandbreite zwischen Wut und Fassungslosigkeit ließen sich bis vor kurzem noch auf Twitter zu der Kampagne finden. Mittlerweile wurden sie offenbar gelöscht. Dort lasen sich zuletzt Bemerkungen wie „Ich schwanke zwischen fremdschämen und blankem Zorn“ oder aber: „Ich warte auf ein Bekennerschreiben von Postillion oder Jan Böhmermann“. Andere Nutzer fragten, ob es sich um einen Aprilscherz seitens des Kultusministeriums handele.

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AuchHeinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, fand zu der Kampagne des bayerischen Kultusministeriums wenig Positives. „Darüber kann man nur den Kopf schütteln“, sagte er der Passauer Neuen Presse. „So eine Kampagne entwirft ein Berufsbild, das wesentliche Aspekte und Anforderungen ausblendet. Letztendlich – wenn diese Aktion überhaupt wirkt – lockt sie junge Menschen in den Lehrerberuf, die sich falsche Vorstellungen vom Lehreralltag machen, der eben auch starke Belastungsfähigkeit, Stressresistenz und Arbeit am Nachmittag und Abend erfordert“. So „safe!“ läuft die Akquise junger Kolleginnen und Kollegen also nicht.

Werbekampagne ist an den aktuellen Abiturjahrgang gerichtet

„Sichi“, „Flexen“ und „Safe!“ sind nicht unbedingt Wörter, die im Wortschatz von Lehrkräften Einzug halten – daher wird deren Gebrauch für zusätzliches Unverständnis gesorgt haben. Doch warum die Plakate so jugendlich formuliert wurden, hat einen Grund. Die Kampagne ist an den aktuellen Abiturjahrgang adressiert. Wie das Kultusministerium Bayerns mitteilte, seien die Slogans der Kampagne sogar gemeinsam mit der Zielgruppe erarbeitet worden.

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Dabei haben sie allerdings einige Details ausgeblendet. Die Arbeitsbelastungen steigen seit Jahren, der ausgedehnte Einsatz von Lehramtsstudierenden soll dem Lehrermangel entgegenwirken. Flexible Arbeitszeiten, wie sie vom Kultusministerium angepriesen wurden, werden damit unfreiwillig zur Pflicht. Schon jetzt gehört das Lehramt für Lehrerverbandspräsident Meidinger „zu den Verliererberufen“. Im vergangenen Jahr wurde bereits über eine Pausierung des Beamtenstatus für neue Lehrkräfte in Bayern diskutiert. Meidinger kritisiert zudem auch die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, die anders als in der Kampagne behauptet, zunehmend erschwert wird.

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Immerhin: Die Kampagne hat Aufmerksamkeit auf den Lehrer-Beruf gelenkt. Ob es aber genau die Form von Aufmerksamkeit ist, die sich die Macher gewünscht haben, darf allerdings bezweifelt werden. (rdr)

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