Ein Kommentar vom RTL-Politikchef

Familienministerin Anne Spiegel: An den Ansprüchen gescheitert

RTL-Politikchef Nikolaus Blome kommentiert den Rücktritt von Familienministerin Anne Spiegel.
RTL-Politikchef Nikolaus Blome kommentiert den Rücktritt von Familienministerin Anne Spiegel.
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von Nikolaus Blome

Die Familienministerin ist einem Rauswurf zuvor gekommen und dann doch zurückgetreten. So etwas kennt man. Und doch war dieser Rücktritt besonders.
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Auch Politiker und Politikerinnen können Stop sagen

Vor kaum 24 Stunden hat die Familienministerin ihr Innerstes nach außen gekehrt. Sie erhoffte sich davon mitmenschliches Verständnis für ihre persönliche und familiäre Notlage. Dieses Verständnis hat sie wahrlich verdient, weit über den Tag hinaus.

Die Ministerin erhoffte sich aber noch etwas anderes von ihrem beklemmenden Auftritt. Nämlich auch von der politischen Verantwortung für ihr Fehlverhalten und die Überforderung im Amt freigesprochen zu werden. Das konnte nicht gelingen. Nicht in dieser Form und nicht mit diesem Inhalt.

Und NEIN, das ist kein Beweis für einen vermeintlich ach so unmenschlichen Politikbetrieb in Berlin. Die Bürger erwarten mit Recht, dass ihre Spitzenpolitiker „funktionieren“ so wie man erwartet, dass der Chirurg, bitte schön, funktioniert, wenn man auf seinem OP-Tisch liegt. Und wenn Politiker, weil sie Menschen sind, mal nicht funktionieren wollen oder können, dann haben die Bürger Anspruch auf frühe Ehrlichkeit und keine nachgereichten Entschuldigungen.

Auch Politiker und Politikerinnen können Stop sagen, wenn es alles zu viel wird. Viele, Männer wie Frauen, haben Ministerin Spiegel vorgemacht, wie es geht, und die Bürger haben heute vermutlich mehr Verständnis dafür als früher. Anne Spiegel hätte es vor einigen Monaten genauso machen können, aber sie hat sich anders entschieden. Unter welchem Druck, fremdem oder selbstgemachtem, das weiß nur sie.

Auch die zur Schau gestellte Betroffenheit der Grünen-Führung ist bloß eine Menge Krokodilstränen. Nichts dergleichen, wie bigott, war zu hören, als in NRW eine Landesministerin von der CDU ebenfalls wegen einer Ferienreise während der Fluttage zurücktreten musste. Wollen die Grünen Rücksicht auf Frauen in der Politik nur nehmen, wenn sie das richtige Parteibuch haben?

Unter dem Strich bleibt: Bestimmte Umstände haben verhindert, dass Anne Spiegel ihren eigenen und den politischen Ansprüchen an ihr Amt genügen konnte. Das darf man ihr nicht zum Vorwurf machen, wenn sie für die Umstände nichts konnte. Aber da es eine Überforderung in jedem Fall bleibt, ist ihr Rückzug richtig.

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