Experte wehrt sich gegen Vorwürfe

Hitzige Debatte nach Stern-TV-Sendung: Sind vegane Ersatzprodukte wirklich "Killer"?

Wie gut sind sie? Ernährungsexperte mit Kritik Vegane Ersatzprodukte
04:59 min
Vegane Ersatzprodukte
Wie gut sind sie? Ernährungsexperte mit Kritik

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von Ingo Jacobs

Sind vegane Ersatzprodukte gefährlich und eine Bedrohung für die Gesundheit? Nach der Stern TV-Sendung vom vergangenen Sonntag (19.3.) meldeten sich zahlreiche Kritiker zu Wort. Sie sagen: Die Vorwürfe, diese Produkte seien generell ungesund, seien pauschal und „Panikmache“. Wir haben nachgehakt.

Hersteller: „Hochpolemisch und teilweise schlicht falsch“

Hitzige Debatte um vegane Ersatz-Produkte! Nach der Stern TV-Sendung am Sonntag (19.3.) meldeten sich Ernährungsinfluencer zu Wort und griffen die Ausführungen von Ernährungswissenschaftler Dr. Matthias Riedl an. Der hatte in der Sendung gezeigt, dass vegane Ersatz-Produkte, da sie hochverarbeitete Lebensmittel sind, gesundheitsgefährdend, auf lange Sicht sogar tödlich sein können. Protest ließ nicht lange auf sich warten. Was Riedl genau ausgeführt hatte, können Sie hier nachlesen und im Video oben anschauen.

Die Rügenwalder Mühle bezeichnete die Äußerungen des Experten gegenüber BuzzFeed News als „hochpolemisch und teilweise schlicht falsch“. „Sowohl beim Salz- und Fettanteil als auch bei den Ballaststoffen schneiden die veganen Produkte immer besser ab als ihre Pendants aus Fleisch“, sagte Claudia Hauschild, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei der Rügenwalder Mühle, dort. Auch Blogger und Autor Jan Hegenberg („Weltuntergang fällt aus“) und Vegan-Influencer und Buchautor Phillip Steuer („Ich wollte nie Veganer sein“) griffen die von Ernährungsmediziner Riedl gemachten Äußerungen in den sozialen Medien stark an.

Vegan-Influencer Phillip Steuer: „Von Killer-Produkten zu sprechen, ist Murks“

RTL hat mit dem Influencer gesprochen. Seine Kritik: Der Experte habe sich hier nur auf die veganen Ersatz-Produkte konzentriert. Die gefundenen Mineralöl-Rückstände seien aber ein allgemeines Problem in der modernen Lebensmittelindustrie. Zudem brächten die im Artikel zitierten Studien, genauer betrachtet, wenige bis gar keine Beweise für die Schädlichkeit der besprochenen Produkte.

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In der „Framingham Offspring-Studie“ seien, so Steuer, explizit keine veganen Ersatz-Produkte einbezogen worden, und in der Kohortenstudie von 2021 kämen diese mit einem „reduzierten assoziierten Risiko“ für Morbus Crohn oder ulzerative Kolitis sogar besser weg. „Am Ende war das alles einseitige, reine Panikmache“, ärgert sich Steuer. „Da von Killer-Produkten zu sprechen, ist einfach Murks.“ Wer vegane Ersatz-Produkte im Rahmen einer insgesamt ausgewogenen Ernährung in Maßen konsumiere, gehe kein Risiko ein, ist er sich sicher.

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Ernährungsmediziner Riedl: Vegane Produkte sollten keine gesundheitsgefährdenden Substanzen enthalten

Wir haben den Ernährungsmediziner mit den Vorwürfen konfrontiert. „Meine Bezeichnung ‘Killer’ für Fertigprodukte bezieht sich auf mein Buch ‘Unser Essen – Killer und Heiler’“, sagt er uns. Und betont: „Wir müssen, so meine Auffassung, mehr auch darauf achten, was uns direkt schaden kann.“ Es gebe zahllose Studien, die zunehmend den Verdacht erhärten, dass der Verzehr von ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln nicht nur unserer Darmflora schade, sondern auch das Risiko für Herzkreislauferkrankungen erhöhe.

Er gibt aber zu: „Da vegane Ersatzprodukte sich aber sehr unterscheiden, von gesund bis hin zu chemisch sehr belastet, wird es solche Studien auch nie geben.“ Also tatsächlich Vegan-Panikmache? Was Riedl stört: Vegane Produkte, die mit dem Gesundheitsanspruch daher kommen, sollten in seinen Augen keine gesundheitsgefährdenden Substanzen enthalten.

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„Der Verbraucher greift ja gerade zu veganen Produkten, um sich gesünder zu ernähren“, sagt er uns. „Vegane Lebensmittel gibt es aber auch mit richtigem Gemüse als Zutaten, ohne viel Chemie. Darum ging es. Die in der Sendung gezeigten Produkte waren allesamt ungesund. Eine bedarfsdeckende Ernährung lässt sich mit den ungesunden, veganen Ersatzprodukten eben nicht erzielen.“ Er bleibt bei seinem Vorwurf: „Sie sind inhaltsleer.“ Ihnen fehlten die Mineralien, Spurenelemente, Vitamine und sekundären Pflanzenstoffe sowie meist auch die Ballaststoffe, die Pflanzen so gesund machen.

Ernährungswissenschaftler Niko Rittenau: Nährwert der veganen Alternativen schlechter

Ernährungswissenschaftler Niko Rittenau liest ein Buch vor einem Tisch
Niko Rittenau: Adäquate Nährstoffanreicherung fehlt in Ersatzprodukten.
Fabian Stausebach & Victoria Precht, Mister & Misses

Ein Problem, das auch von Ernährungswissenschaftler Niko Rittenau gesehen wird. Allerdings sieht er andere Gründe dafür. Im Zusammenhang mit der Stern TV-Sendung sagt er uns, es sei ein Fakt, dass in Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt der Nährwert nahezu aller veganen Fleisch- und Käsealternativen schlechter als jener ihrer Äquivalenzprodukte sei. „Dies hat aber nichts damit zu tun, dass sie ‚chemisch‘ oder ‚hoch verarbeitet‘ sind“, sondern dass im Rahmen ihres Produktionsprozesses zu wenig auf eine adäquate Nährstoffanreicherung mit jenen Nährstoffen gesetzt werde, die in ihren tierischen Äquivalentprodukten vorkommen, so Rittenau.

Daran können sich Konsumenten orientieren

Für den Ernährungsmediziner Riedl bleibt klar: „Immer mehr Studien zeigen, dass sich immer mehr Menschen von ultrahochverarbeiteten Fertigprodukten ernähren.“ Mittlerweile würden bis zu 50 Prozent der Kalorien dadurch aufgenommen. „Und einen immer größeren Anteil nehmen da auch die veganen, ungesunden Produkte ein. Und bei dieser Menge steigt die gesundheitliche Relevanz.“ Leider sei die Integration dabei eben nicht ‚maßvoll‘.

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Woran aber können sich Konsumenten orientieren, wenn sie doch gerne zu veganen Ersatz-Produkten greifen? RTL-Ernährungsexpertin Nora Rieder hat da einen einfachen Tipp: „Beim Einkauf lohnt sich immer auch der Blick auf die Zutatenliste. Je länger sie ist, desto stärker verarbeitet ist das Produkt und umso seltener sollte es im Einkaufswagen landen. Mehr als fünf bis acht Zutaten sollten es nach Möglichkeit nicht sein. Unabhängig davon, ob es sich um tierische oder pflanzliche Produkte handelt.“