Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz von Geschlecht und Vornamen vorgestellt
"Geben den Betroffenen einen Teil ihrer Würde zurück"

Nach langer Planung legen Familienministerium und Justizministerium einen Entwurf zur Selbstbestimmung von Geschlecht und Vornamen vor. Der Entwurf zum „Selbstbestimmungsgesetz“ wird nun geprüft. Interessenvertreter begrüßen den Vorstoß.
Das "Selbstbestimmungsgesetz" nimmt Form an
Die Pläne für eine leichtere Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen werden konkreter. „Mit dem Selbstbestimmungsgesetz führen wir eine einfache und einheitliche Regelung für die Änderung des Geschlechtseintrages ein. So geben wir den Betroffenen einen Teil ihrer Würde zurück, die ihnen von Staats wegen jahrzehntelang vorenthalten wurde“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne).
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Sie veröffentlichte das Papier am Dienstag gemeinsam mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Nun können die Verbände bis Ende Mai eine Stellungnahme dazu bei den Ministerien einreichen.

Vorname und Geschlecht können selbst festgelegt werden
Die Ampel-Parteien hatten das Vorhaben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Jeder Mensch in Deutschland soll den Plänen zufolge künftig sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können. Das Gesetz richtet sich laut Familien- und Justizministerium an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.
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Großer Zuspruch von Interessenvertretern
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) begrüßte die Veröffentlichung des Entwurfs. „Betroffene und ihre Interessensvertretungen haben seit der Vorstellung des Eckpunktepapiers im Juni 2022 lange auf diesen nächsten Schritt gewartet, der sich mehrfach verschoben hat“, sagte Mara Geri aus dem Bundesvorstand. Der Verband wolle die Regelungen nun genau analysieren.
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Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Trans*. „Viel zu lange hat auf politischer Ebene die Initiative gefehlt, eine menschenrechtsbasierte Regelung auf den Weg zu bringen. Endlich geht die aktuelle Regierung dieses längst überfällige Vorhaben an und präsentiert den Verbänden einen Entwurf“, sagte Kalle Hümpfner.
Das bedeuten die Selbstbezeichnungen
„Trans“ umfasst den Ministerien zufolge Personen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. „Inter“ bedeutet angeborene körperliche Merkmale zu haben, „die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen“. „Nicht-Binär“ wird als Selbstbezeichnung für Menschen die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren definiert.
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Feministischer Vorreiter in Europa: Spanien
Bei uns nur erstmal nur konkreter werdende Pläne – in Spanien schon Realität. Das Parlament in Madrid hat bereits Anfang des Jahres ein feministisches Reformpaket beschlossen, das viel weiter geht als unser geplantes Selbstbestimmungsgesetz. Nach monatelangem Hin und Her wurden drei zentrale Punkte von der Koalition aus Sozialisten (PSOE) und Linksbündnis (Unidas Podemos) beschlossen:
Alle Personen ab 16 Jahren können unbürokratisch den Eintrag zu ihrem Geschlecht ändern lassen. Auch der Vorname kann dementsprechend geändert werden. Bei Jugendlichen unter 16 müssen die Eltern oder ein Gericht entscheiden.
Das Abtreibungsrecht wird liberaler: Das neue Gesetz garantiert Schwangerschaftsabbrüche in öffentlichen Gesundheitszentren. Ab 16 Jahren wird keine Zustimmung der Eltern mehr benötigt. Die „Pille danach“ wird kostenlos.
Europäischer Vorreiter beim Thema Menstruationsurlaub: Bei starken Menstruationsschmerzen dürfen Frauen in Zukunft entschuldigt der Arbeit fernhalten. Dieses Gesetz gilt auch für Personen, die an Endometriose leiden.
Trotz des vergleichsweise starken Einflusses der katholischen Kirche auf die Bevölkerung ist Spanien ein Vorreiter in der Stärkung der Rechte von Frauen und Minderheiten und ist damit auch in einigen Punkten liberaler als Deutschland.
(dpa, sso, rdr)
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