Das spanische Parlament stimmt zu - als erstes in Europa"Menstruationsurlaub": Was die Entscheidung bedeutet und ob wir das hier auch brauchen

Young woman suffering from menstrual pain is holding her belly. Horizontal composition.
Menstruationsschmerzen - mehr als die Hälfte der befragten Frauen klagt regelmäßig über Bauchschmerzen während der Periode.
Alihan Usullu, iStockphoto
von Mireilla Zirpins

Der Gesetzentwurf war umstritten. Doch das spanische Parlament hat sich mit klarer Mehrheit für ein in Europa bisher einzigartiges Gesetz ausgesprochen: Es ermöglicht es Frauen, in Zukunft bei starken Regelbeschwerden nicht arbeiten zu gehen. Wozu berechtigt es die Frauen konkret und was hat eine solche Regelung bewirkt in anderen Ländern, die sie schon früher eingeführt haben?

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Bezahlt dem Job fernbleiben, wenn die Regelschmerzen Arbeiten unmöglich machen

Photo ©2023 82/LaPresse..Irene Montero during Plenary Session of the Senate, in Madrid in February 7th 2023 ..LaPresse (Credit Image: © LaPresse via ZUMA Press
Die spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero.
LaPresse, LaPresse

Mit knapp 30 Stimmen Mehrheit gaben die spanischen Abgeordneten grünes Licht für das neue Gesetz. Das heißt für spanische Arbeitnehmerinnen konkret: Künftig können sie auf der Arbeit entschuldigt fehlen, wenn starke Menstruationsschmerzen sie beeinträchtigen – in schweren Fällen auch sogar drei bis fünf Tage im Monat. Das gleiche gilt bei anderen schmerzhaften Erkrankungen wie Endometriose.

„Ein historischer Tag für feministische Fortschritte", twittert die spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero von der Linkspartei Podemos auf Twitter. Schließlich ist Spanien das erste Land in der EU, das bezahlte Krankentage explizit auch für Menstruationsbeschwerden freigibt – denn de facto geht es bei der „baja menstrual“ nicht um Urlaub, also nicht um Erholungs-Freizeit, sondern ums Auskurieren. Umfragen zufolge leiden mehr als die Hälfte der befragten Frauen während ihrer Periode unter starken Schmerzen, knapp ein Drittel unter sehr starker Blutung (Quelle: Erdbeerwoche/Statista).

Mehr zum Thema: Vater stinksauer: Regelschmerzen kein Grund, in der Schule zu fehlen?

Doch nicht nur Konservative sind nicht begeistert von dem Gesetz, sondern auch Aktivistinnen wie Nanna Roloff, die sich zwar für eine Enttabuisierung der Periode ausspricht, aber im Gespräch mit n-tv findet: „Der sogenannte Menstruationsurlaub ist der falsche Weg." Sie fürchtet, dass er Frauen weiter stigmatisieren könnte. Damit könne sich in manchen Köpfen das Schubladen-Denken zementieren, weibliche Arbeitskräfte seien weniger leistungsfähig. Die zusätzliche Befürchtung, die Frauen könnten schwanger werden, könnte ihrer Meinung nach „zu einer weiteren Verdrängung aus dem Arbeitsmarkt und schlechteren Aufstiegschancen“ führen. Heißt konkret: Arbeitgeber könnten Sorge haben, dass eine Frau durch eine potenzielle Schwangerschaft und regelmäßigen Menstruationsurlaub so oft fehle, dass sie den Posten lieber mit einer männlichen Arbeitskraft besetzen.

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In Japan ist die Nutzung des "Menstruationsurlaubs" rückläufig

Ob das ein Grund dafür ist, dass in Japan immer weniger Frauen die Möglichkeit nutzen als beispielsweise in den 1960er Jahren? Das Land war mit der Einführung 1947 einer der Vorreiter. Auch in Indonesien, Taiwan, einigen chinesischen Provinzen, Südkorea und Zambia gibt es solche Regelungen. Dort sind die Arbeitsschutzgesetze und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aber zum Teil nicht so umfassend geregelt wie in Deutschland. Und es heißt nicht zwangsläufig, dass die Frauen die Möglichkeit auch nutzen.

Menstruationsurlaub auch in Deutschland denkbar?

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Manche Frauen sind mehrere Tage lang durch ihre Menstruationsbeschwerden stark eingeschränkt.
iStockphoto

Juristinnen sehen daher nicht zwangsläufig, dass man das spanische Modell auch auf Deutschland übertragen sollte, schon weil man eventuell mit Klagen rechnen muss, weil sich Männer benachteiligt fühlen könnten. Arbeitsrechtlerin Ilka Schmitt zum Redakionsnetzwerk Deutschland (RND): "Führt ein Arbeitgeber arbeitsvertraglich Menstruationsurlaub ein, so setzt er sich der Gefahr aus, dass die männlichen Kollegen mit dem Argument der Gleichbehandlung eben denselben Urlaub einfordern." Frauen sollten sich ihrer Meinung nach bei Menstruationsbeschwerden einfach krankmelden – in Deutschland erfahre der Chef ja nicht, woran die Arbeitnehmerin leide.

Rechtsanwältin Nicole Mutschke sieht es im Gespräch mit RTL ähnlich: „Aktuell würde ich sagen, die Lage ist für Arbeitnehmer in Deutschland besser. Denn man muss nicht sagen, weshalb man fehlt. Man kann auch länger als drei Tage menstruationsbedingt zuhause bleiben.“ In Spanien hingegen müsse man nachweisen, dass die Menstruation einen am Arbeiten hindere.

Grünen-Politikerin und Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther machte sich hingegen schon 2020 für menstruationsfreundlichere Arbeitsbedingungen stark. Ihr geht es jedoch nicht um „zusätzlichen Urlaub, sondern um flexible und unbürokratische Freistellung“ für die Betroffenen, so die Politikerin zum RND. Sie sieht auch keine Benachteiligung für Männer, die ja auch wegen Schmerzen nach einer Zahn-OP auf der Arbeit ausfallen könnten.

Weitere historische Entscheidungen in Spanien: neues Abtreibungs- und neues Gendergesetz

Doch der bezahlte „menstrual leave“ ist nicht die einzige bahnbrechende Neuerung in Spanien. So verabschiedete das spanische Parlament auch noch ein erweitertes Abtreibungsrecht und stärkt die Rechte von trans Personen durch Lockerungen bei der freien Geschlechtswahl.

Spanierinnen können nun Schwangerschaftsabbrüche ab 16 Jahren ohne elterliche Zustimmung vornehmen lassen – auch in öffentlichen Gesundheitszentren. Das garantiert die spanische Regierung. Zudem ist die „Pille danach“ nun kostenfrei, die dreitägige Bedenkzeit vor dem Abbruch abgeschafft.

Das neue Gender-Gesetz (mit einer Mehrheit von 191 Abgeordneten durchgebracht bei 60 Nein-Stimmen und 91 Enthaltungen) erlaubt Kindern und Jugendlichen, selbst über ihre offizielle Geschlechtsidentität zu entscheiden – ab 14 nur mit der Zustimmung der Eltern und ohne die für Jüngere verpflichtende Genehmigung eines Gerichts, ab 16 auch ohne Unterschrift der Eltern. Spanien folgt mit dem Gender-Gesetz dem Beispiel von Dänemark, das als erstes Land Europas die Selbstbestimmung des Geschlechts nur durch eine Erklärung und ohne ärztliche Gutachten erlaubte.