Wollte Isabell R. wirklich den Tod? Arzt hilft Studentin beim Sterben - drei Jahre Haft!

Isabell R. wollte sterben – und tat es dank ihm.
Doch war die 37-Jährige noch in der Lage, diese schwere Entscheidung selbst zu treffen? Diese Frage wurde nun vor dem Landgericht Berlin geklärt. Der 74-jährige Arzt Christoph Turowski ist wegen Totschlags zu drei Jahren Haft verurteilt worden.
„Das Heil des Kranken ist das oberste Gebot“
Die Studentin der Tiermedizin soll Anfang Juni 2021 selbstständig mit dem Arzt in Kontakt getreten sein. Zwei Stunden lang hätten sie geredet. In einem Interview mit dem Magazin stern erzählt Turowski, die Frau habe seit 16 Jahren unter Depressionen gelitten. Sie habe Medikamente genommen, eine Psychotherapie gemacht, wäre in Kliniken gewesen – nichts half. Zwei Wochen später stellte er ihr tödlich wirkenden Tabletten zur Verfügung, war dabei, als sie sie nahm und sich hinlegte. Doch Isabell R. erbrach die Tabletten wieder.
Lese-Tipp: Zoraya (28) will im Mai sterben: „Ich kann einfach nicht mehr“
Daraufhin habe er ihr am 12. Juli 2021 in einem Hotelzimmer eine Infusion mit einem tödlich wirkenden Mittel gelegt haben. Die Frau habe die Infusion selbst in Gang gesetzt – und sei kurz darauf verstorben. Dem stern erzählt der Arzt, er wisse, dass Sterbehilfe für einen psychisch erkrankten Menschen eine heikle Sache sei. Doch Isabell R. habe angedroht, sich zu erhängen. „Natürlich hätte ich sagen können: das ist mir zu heikel. Aber die Stimme des Gewissens war stärker“, zitiert ihn der stern. Er ist sich sicher: „Ich habe nichts Böses getan.“
Christoph Turowski: „Ich habe nichts Böses getan“
Vor Gericht argumentierte Turowski: „Das Heil des Kranken ist das oberste Gebot. Wenn der Mensch nur noch am Leben leidet und es als Qual empfindet, liegt da Heil in der Erlösung durch einen friedlichen Tod.“ Der 74-Jährige hatte Isabell R. die tödlichen Medikamente zur Verfügung gestellt. Die Frau litt an einer schweren Depression.
Lese-Tipp: Die Depression quälte sie! Ex-Hockey-Spielerin nimmt Sterbehilfe in Anspruch
Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass die 37-Jährige wegen ihrer psychischen Erkrankung keine freie Entscheidung mehr habe treffen können. Im Prozess plädierte die zuständige Staatsanwältin auf eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft. Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert.
Im Video: Paola Marra entscheidet sich für Sterbehilfe
Passende Gesetze fehlen
Es ist nicht das erste Mal, dass Turowski, der einer Sterbehilfeorganisation angehört, Sterbehilfe geleistet hat. Seine damalige Patientin litt an einer chronischen Darmerkrankung. Er erklärt dem stern, dass die Frau, die unter starken Schmerzen litt, gedroht habe, sich gewaltsam das Leben zu nehmen, würde er nicht helfen – was er tat. Das Gericht warf ihm vor, dass er nicht versucht habe, die Frau gegen ihren Willen nach ihrem Tod wiederzubeleben. Damals argumentierte die Staatsanwaltschaft, er sei zur Hilfe verpflichtet gewesen.
Lese-Tipp: Sterbehilfe in den Niederlanden - Neue Regelung erlaubt sie auch bei Kindern unter 12 Jahren
Für den Arzt habe es nie Zweifel an der „Urteils- und Entscheidungsfreiheit“ der Frau gegeben, erklärte er im Prozess. Er habe bei ihr „die große seelische Not und die Entschlossenheit gesehen“, notfalls einen Gewaltsuizid zu begehen. Sein Verteidiger sagte im Prozess, es fehle für solche Fälle an einer gesetzlichen Regelung – „das sei ein großes Problem“.
In Deutschland ist die passive Sterbehilfe erlaubt. Dabei stellen Ärzte Patienten die tödlichen Mittel zur Verfügung, die Menschen müssen sie allerdings selbst nehmen. Problematisch ist der Fall, wenn die Patienten an psychische Krankheiten leiden und deshalb nicht immer ersichtlich ist, ob eine freie Willensbildung vorlag. Christoph Turkowski hatte bereits im Vorfeld angekündigt, im Falle einer Verurteilung in Berufung zu gehen. (eon/dpa)