Auch bei Kindern möglich
Sterbehilfe in den Niederlanden - Neue Regelung erlaubt sie auch bei Kindern unter 12 Jahren
Seit dem ersten Februar ist die Sterbehilfe in den Niederlanden auch bei Kindern unter 12 Jahren erlaubt. In Deutschland undenkbar. Auch in NRW sorgt die Regelung für Diskussionen.
Lebenswille trotz schwerer Krankheit
Ursula Kolboske hat ein schweres Jahr hinter sich. Vor einem Jahr, am 26. März, starb ihr Sohn Fynn mit 16 Jahren. Seit seiner Geburt litt der Junge unter dem Menkes-Syndrom. Eine schwere Stoffwechselstörung. Der Junge konnte nie reden oder gehen und seit der frühen Kindheit kam das Essen über eine Magensonde. Mit einem vorzeitigen Abschied hat sich Ursula Kolboske aber nie auseinandergesetzt. „Er hat viel geweint, aber man hat trotzdem gesehen: Er kämpft noch, er will noch nicht gehen.“
Niederlande bieten Option in Ausnahmefällen
Seit rund zwei Monaten gibt es in den Niederlanden jetzt die Möglichkeit das Leben von kleinen Kindern in Ausnahmen vorzeitig zu beenden. Es geht um Extremfälle, also Kinder, die noch schwerer leiden als Fynn. Bisher gibt es aber noch keinen Fall der Sterbehilfe für unter 12-Jährihge im Nachbarland. Bevor diese in Betracht gezogen wird, müssen alle palliativen Maßnahmen zuvor ausgeschöpft sein. Dazu muss das Leid unerträglich und aussichtslos sein. Dann kann ein Ärzteteam sich für die Sterbehilfe entscheiden. Beide Eltern des Kindes müssen dann final zustimmen. Aber auch auf das Kind soll gehört werden, sofern es möglich ist. Wird deutlich, dass das Kind weiterleben will, ist die Sterbehilfe unzulässig. Kommt es trotzdem dazu, soll der Arzt im Nachgang nochmal überprüft werden. Erst wenn ein Überprüfungsausschuss dann zu dem Schluss kommt, dass die Entscheidung medizinisch vertretbar war, wird der Arzt nicht strafrechtlich verfolgt.
Kritik an Entscheidung über das Leben anderer
Im Kinderhospiz Bethel, wo Fynn oft behandelt wurde, wird das niederländische Gesetz kritisch gesehen. Gegenüber RTL WEST sagt Leiter René Meistrell: „Das eröffnet ein Feld, was ich sehr problematisch finde, nämlich in lebenswertes und lebensunwertes Leben zu unterscheiden.“ Der renommierte niederländische Kinderarzt Eduard Verhagen hingegen findet die neue Regelung positiv, um unerträgliches Leid zu verhindern und einen würdigen Tod zu ermöglichen. Gleichzeitig sieht er es aber als einen speziellen niederländischen Weg. Ein Vergleich mit Deutschland sei schwierig. „Ich glaube es wäre unlogisch für das deutsche Gesundheitssystem plötzlich Sterbehilfe für Erwachsene oder für Kinder einzuführen, wenn man nicht gut untersucht hat, ob die Bevölkerung auf dem einen oder anderen Weg davon profitieren würde,“ so Verhagen.
Mutter könnte nicht mit der Entscheidung leben
Wenn Ursula Kolboske an ihre eigene Erfahrung mit ihrem Sohn Fynn denkt, könnte sie sich nicht vorstellen, mit der Tragweite der Entscheidung für die Sterbehilfe zu leben. „Wenn ich mir vorstelle, ich würde sagen: Ich ertrage es nicht, dass mein Kind so leidet und ich möchte, dass es stirbt. Also mit diesem Auftrag, das stelle ich mir noch schlimmer vor.“